Atommüll: NiX Neustart – Alte Machtspiele und Personalien

Gorleben Castor November 2012012Rund um Berlin wird derzeit über die dauerhafte Lagerung von Atommüll gestritten. Die Bundesregierung plus die Grünen wollen in der nächsten Woche eine Kommission auf den Weg bringen, die im Rahmen des Endlagersuchgesetzes über Kriterien für die dauerhafte Lagerung diskutieren soll. Umweltverbände, die beim Zustandekommen dieses ganzen Verfahrens nicht beteiligt wurden, sollen jetzt zwei VertreterInnen benennen, um an diesen Beratungen teilzunehmen. Das lehnen Verbände wie der BUND, Greenpeace, ROBIN WOOD und viele andere aus zahlreichen guten Gründen ab. Die hohe Berliner Politik spricht von einem Neustart, dabei hat sie in gewohnter Manier dieses Gesetz weitgehend hinter verschlossenen Türen auf den Weg gebracht, trotz aller bekannten Sicherheitsmängel Gorleben als Standort im Verfahren belassen und absolut keine Initiative gezeigt, um das Vertrauen der Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen in diesem Verfahren zu gewinnen. (siehe außerdem hier)

Selbst unter den Grünen wächst inzwischen die Kritik an dem ganzen Projekt, weil immer deutlicher wird, wie wenig Neustart enthalten ist. Zuletzt machte sich Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel mit harschen Worten Luft: „Da reißen in Berlin Leute jeden Versuch der Vertrauensbildung mit dem Arsch wieder ein“, zitierte der Spiegel. Und die taz titelte: Endlager für Atommüll –  Grüne streiten über Kommission.

Anlass war eine Personalie: „Die Bundestagsfraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, hatten sich intern auf die CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser als Vorsitzende der Kommission verständigt. Die 48-Jährige, zwischen 2007 und 2013 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschafts- und Umweltministerium, stand auf der Vorschlagsliste der Union ganz oben. Weil sie auch in Teilen der SPD als verlässliche und kompetente Umweltexpertin geschätzt wird, stimmte Oppermann zu.“ (Spiegel). Nicht nur für Wenzel, auch für andere Grüne ist diese Personalie allerdings nicht haltbar. Dass die Konflikte um dieses ganze Projekt aber viel größer sind, weiß auch Wenzel. Schon im Dezember hatte er mit Blick auf den Vertrag der großen Koalition davon gesprochen, dass diverse Verabredungen in Sachen Atommüll-Endlagerung „neben der Spur“ wären.

Schon unter den „Erfindern“ des großen Neustarts ist die Stimmungslage derzeit also ziemlich schlecht. Und dabei sind noch nicht mal die „Vorbedingungen“ für die Zustimmung der Grünen zum Endlagersuchgesetz erfüllt. So ist z.B. immer noch keine Lösung in Sicht, wohin denn der Atommüll aus Frankreich und England soll, der in keinem Fall nach Gorleben darf. Das war eine der zentralen Grünen-Forderungen, um einerseits Gorleben als Standort im Verfahren zu belassen, andererseits aber keine weiteren Fakten für Gorleben als Standort zu schaffen.

Kein Wunder also, dass bei den Umweltverbänden und Anti-Atom-Gruppen die Vorbehalte gegen diesen vermeintlichen Neustart bei der Endlagersuche eher größer als kleiner werden. Viele haben ohnehin den Verdacht, dass Gorleben als Endlager jetzt nur mit neuen Mitteln durchgesetzt werden soll. Jenseits der grundsätzlichen Kritik am Top-Down-Verfahren, den Vorfestlegungen im Gesetz und der darin enthaltenen Einschränkungen z.B. der Klagerechte sowie dem Festhalten an Gorleben, sind es weitere Personalien, wo der/die gemeine AtomkraftgegnerIn nur den Kopf schütteln kann.

Nicht nur die Benennung von Heinen-Esser gilt als NoGo. Z.B. soll der Atomlobbyist Bruno Thomauske allen ernstes als Wissenschaftler in die Kommission einziehen. Thomauske war zunächst beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) tätig und hat dort Gorleben als Standort schon vor über einem Jahrzehnt für im Grunde geeignet erklärt. Bereits 2004 hatte er in der Zeitschrift „Atomwirtschaft“ eindeutig erklärt, dass zur Eignungsbewertung keine weiteren Erkundungsarbeiten mehr notwendig sind: „Der Eignungsnachweis, ob der Standort für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle geeignet ist, könnte schon heute erfolgen.“ (zitiert nach BT-Drucksache 17/6639 der Fraktion Die Grünen, siehe hier bei ROBIN WOOD)

Das klingt irgendwie nicht wirklich nach Neustart und ergebnissoffener Suche.

Als er beim BfS gefeuert wurde, machte er sich als Vattenfall-Atom-Manager alle Ehre, war maßgeblich an den Tricksereien und Lügen um die Störfälle der Vattenfall AKWs Krümmel und Brunsbüttel (u.a. Brand eines Transformators) beteiligt und war dort schließlich nicht mehr haltbar. Das aber hinderte ihn nicht, sich von RWE eine Professur an der TU Aachen finanzieren zu lassen und nun wieder als Wissenschaftler zu Gorleben zu gutachtern.

.ausgestrahlt hat weitere Infos über die Wissenschaftler und deren Hintergründe, die für einen Neustart in der Endlagerkommission beteiligt werden sollen.

Ende März werden die Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen in Berlin eine Tagung zum verantwortlichen Umgang mit Atommüll durchführen und ausführlich ihre Kritik am derzeitigen Gesetz und Verfahren begründen. Dazu hier mehr.

Es gibt Grüne Bundestagsabgeordnete, die der Anti-Atom-Bewegung eine Blockade-Haltung vorwerfen – und über die Defizite ihres eigenen Vorgehens ohne Beteiligung der Umweltverbände schweigen. Diese Kritik hat nichts mit der Realität zu tun, denn die Anti-Atom-Bewegung ist heftig in der Debatte.

Das zeigt z.B. auch die Atommüllkonferenz der Anti-Atom-Initiativen, der von dieser Konferenz vorgelegte Atommüll-Sorgenbericht und die genannte Konferenz. Aber auch das hier macht deutlich, dass sich die Anti-Atom-Bewegung intensiv mit einem Problem auseinandersetzt, dass sie nicht in die Welt gesetzt hat:  Die Gorleben-Rundschau hat in ihrer aktuellen Ausgabe dazu einige Debattenbeiträge, die sich zu lesen lohnen.

Dirk Seifert

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