Atom-Desaster in Jülich: Reaktor-Experimente, radioaktive Gase und Milliardenkosten

AVR in Jülich: 2100 Tonnen verstrahlter Stahl und Beton. Foto: Betreiber
AVR in Jülich: 2.100 Tonnen verstrahlter Stahl und Beton. Foto: Betreiber

Das atomare Erbe bereitet überall Probleme und enorme Kosten. Auch im ehemaligen Atomforschungszentrum Jülich, wo man sich nicht nur mit hochradioaktiven Brennelementen rumschlägt. Auch der Reaktor, das ehemalige Herzstück des Hochtemperatur-AKWs, stellt die Wissenschaft und Technik vor kaum lösbare Aufgaben. Immer neue Probleme führen zu immer höheren Kosten. 2.100 Tonnen ist der Koloss schwer, der nach einem Störfall schwer radioaktiv verseucht ist. Weil der Untergrund durch austretendes Wasser stark verstrahlt ist, wird der Reaktor derzeit umgelagert. Ein riskantes Manöver. Abenteuerlich auch: Die Reise von nur rund 200 Metern von der alten in die neue Lagerhalle wird mehrere Monate dauern. Der Reaktor ist mit C14 verseucht, Halbwertszeit: 5730 Jahre.

Neben vielen Problemen, die zu immer neuen Abänderungen bei der Vorgehensweise und damit zu neuen Genehmigungsanträgen führten, ist nun ein neues bekannt geworden, das die Betreiber am liebsten auch wieder verschwiegen hätten. Die Aachener Nachrichten schrieben: „Ein Spezialist, der in das Genehmigungsverfahren involviert war, seinen Namen in diesem Zusammenhang aber nicht in der Zeitung lesen möchte, erklärte auf Anfrage, dass die Verantwortlichen der AVR zumindest eine Gefahr des Reaktors unterschätzt hatten: die Oxidation des Betons mit dem noch im Reaktor befindlichen hoch radioaktiven Graphitstaub. Durch die Oxidation entstehen radioaktiv belastete Gase. Wie sich herausstellte, muss mehr strahlendes Gas aus dem Reaktor abgepumpt werden als zunächst berechnet, und zwar permanent. Die neue Halle wurde also mit einer mehrere Millionen Euro teuren Entgasungsanlage ausgestattet, die eigens genehmigt werden musste.“

Weiter schreibt das Blatt: „Die Bezirksregierung erklärt immerhin, dass mit Hilfe dieser  Entgasungsanlage die erlaubten Grenzwerte austretender Radioaktivität „deutlich unterschritten werden“. Gefahren für anliegende Bürger entstünden also nicht. Die unzähligen Gasflaschen, die mit dem radioaktiv belasteten Gas während der nächsten Jahrzehnte gefüllt werden, soll das Forschungszentrum Jülich entsorgen. Antworten auf solch naheliegenden und dringenden Fragen geben AVR und Forschungszentrum nur ungern, wenn überhaupt.“

Das Blatt kritisiert auch die Geheimnistuerei von Betreiber und Behörden. Kurios, dieses Statement: „Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Reiner Priggen, sprach am Mittwoch sogar von „Heimlichtuerei“.“ Dabei regiert seine Fraktion in NRW mit, könnte sich also auf Regierungsebene mal dafür stark machen, dass eine solche Heimlichtuerei nicht stattfindet. Doch das funktioniert offenbar nicht.

Auch in einem weiteren Jülicher Atom-Desaster machen die Grünen derzeit eine sehr schlechte Figur. Der hochradioaktive Atommüll aus dem AVR-Reaktor soll – rechtswidrig – in die USA exportiert werden. Darüber hat umweltFAIRaendern in den letzten Monaten vielfach berichtet. Die Grünen fallen vor allem durch Schweigen auf und zeigen auf die SPD, weil es deren Minister sind, die in dieser Frage zuständig sind. Widerspruch im Regierungslager durch den Grünen Partner gibt es nicht. Umweltminister Remmel meinte jüngst nur, dass derzeit alle Varianten einer weiteren Lagerung geprüft würden – auch die eines rechtswidrigen Exports in die USA.

 

Dirk Seifert

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