Volksentscheid Unser Netz: SPD-Senat verzögerte Fernwärme-Übernahme von Vattenfall
Der Hamburger SPD-Senat hat nach dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ in der letzten Legislatur den Rückkauf der Fernwärme aus eigenem Antrieb verzögert. Öffentlich hatte der Senat den Eindruck erweckt, dass die mit Vattenfall vereinbarte Übernahme aus Steuergründen erst zum Jahr 2019 erfolgen könne. Tatsächlich wäre eine Übernahme aber steuerlich schon für 2017 möglich gewesen. Das hat gestern der jetzige grüne Umweltsenator Jens Kerstan im Rahmen einer Veranstaltung des 4. Wärme-Dialogs auf Nachfrage bestätigt. Der Grund für den späteren Rückkauftermin der Fernwärme von Vattenfall in 2019 hat nichts mit Steuergründen zu tun, sondern war der Wunsch des damaligen Hamburger SPD-Senats: Vattenfall sollte den geplanten Neubau eines Ersatzkraftwerks in Wedel übernehmen.
- Der erfolgreiche Volksentscheid Unser Hamburg – Unser Netz beauftragte im September 2013 den Senat: »Senat und Bürgerschaft unternehmen fristgerecht alle notwendigen und zulässigen Schritte, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien.«
Der jetzige Umweltsenator hatte seinerzeit als Oppositionsabgeordneter mehrfach mit kleinen Anfragen nach dem späten Übernahmetermin bei der Fernwärme-Übernahme durch die Stadt gefragt. Dabei hatte der Senat zunächst darauf verwiesen, dass eine spätere Übernahme aus den Steuerregelungen des „Umwandlungsgesetzes“ resultiert. Auch gegenüber den Medien hatte der Senat seinerzeit vor allem diese Steuergründe betont.
- Fernwärme-Rückkauf: Was wird aus dem Auftrag des Volksentscheids? (11/237)
- Fernwärme-Rückkauf: Pfusch oder Vorsatz bei der Gefährdung des Volksentscheids? Nachfragen zur Drs. 20/11237 (11/451)
In der Antwort auf die Anfrage 20-11237 sagt der Senat: „Es handelt sich um die Vermeidung eines Steuernachteils, der daraus entstehen würde, dass die Vattenfall Europe Wärme AG ihre Unternehmenseinheit „Wärme Hamburg“ im Jahr 2012 abgespalten und auf die Vattenfall Wärme Hamburg GmbH übertragen hat, um der HGV die vereinbarte Beteiligung von 25,1 % am Hamburger Wärmegeschäft zu ermöglichen. Dieser Vorgang müsste nachträglich zeitanteilig versteuert werden, wenn die Vattenfall Europe Wärme AG ihre Anteile an der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren nach Einbringung veräußern würde. Bei der Nachversteuerung würde es um einen dreistelligen Millionenbetrag gehen“.
Diese Antwort reichte dem damaligen Abgeordneten Kerstan nicht, so dass er nachfragte und in Drucksache 11/451 diese Antwort erhielt: „Die Abspaltung der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH beruht steuerlich auf § 15 des Umwandlungssteuergesetzes. Der steuerliche Nachteil kommt zustande, wenn die Anteile an der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH innerhalb der Haltefrist weiterveräußert werden. Der vereinbarte Optionsausübungszeitpunkt 1. Januar 2019 wurde vor dem Hintergrund der Haltefrist und (Hervorhebung umweltFAIRaendern.de) der prognostizierten Fertigstellung des geplanten Innovationskraftwerkes in Wedel gewählt, die nach dem Wunsch der Stadt noch unter der Federführung von Vattenfall erfolgen soll.“
Beide Antworten erwecken nun den Eindruck, als stünde der „Optionsausübungszeitpunkt“ zum Januar 2019 in direktem Zusammenhang mit dem Umwandlungssteuergesetz. Das aber ist in Wahrheit gar nicht der Fall (und wird vom Senat tatsächlich auch nicht behauptet).
Die Steuerfrage ist ausgelöst durch die Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent, mit der sich der Senat vor dem Volksentscheid 2012 an der Vattenfall-Wärmegesellschaft beteiligt hatte. Vattenfall musste dazu die „Hamburger-„Teile aus seiner Unternehmung abspalten, um die Beteiligung der Stadt zu ermöglichen.
Für diesen Vorgang, so der Hamburger Senat in seiner ergänzenden Antwort, ist der § 15 des Umwandlungssteuergesetzes Grundlage. Offenbar aber hatte niemand dann genauer nachgeschaut: Im Abs. 3 Satz 4 wird von einer Frist von fünf Jahren gesprochen, in der ein Wiederverkauf nicht zulässig wäre, ohne dass Steuerrückzahlungen die Folge wären. (§22 Umwandlungssteuergesetz, auf den sich der Senat nicht beruft, sieht für bestimmte Fälle eine Frist von sieben Jahren vor.)
Der Zeitpunkt der Beteiligung der Stadt Hamburg als Minderheitspartner bei der abgespaltenen Vattenfall-Wärme war 2012. Demnach wäre aus steuerlichen Gründen entsprechend § 15 Umwandlungsgesetz eine vollständige Übernahme der Wärmegesellschaft durch die Stadt bereits 2017 möglich.
Entscheidend ist in der Antwort des Senats auf die damaligen Anfragen von Kerstan der in der Drucksache 11/451 ergänzte Satz: „… UND der prognostizierten Fertigstellung des geplanten Innovationskraftwerkes in Wedel gewählt, die nach dem Wunsch der Stadt noch unter der Federführung von Vattenfall erfolgen soll.“
Mit anderen Worten: Für das späte Übernahme-Datum 2019 ist der Wunsch der Stadt Hamburg, dass Vattenfall die Federführung für den geplanten Bau des neuen Kraftwerks in Wedel habe, der eigentliche Grund! Das bedeutet auch: Nicht Vattenfall ist dafür verantwortlich, dass die 100-prozentige Übernahme erst für 2019 vereinbart wurde, sondern der Hamburger Senat!
Die Verträge mit Vattenfall:
a. Minderheitsbeteiligung der Stadt, Abspaltung der Wärme aus der Vattenfall AG (PDF)
Und was bedeutet das jetzt in der Kinsequenz? Was macht der neue Senator daraus?