Offshore-Regelungspaket muss vollständig überarbeitet werden
Rede von MdB Hubertus Zdebel in der in der 176. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 9. Juni 2016 in der ersten Beratung des von der Großen Koalition eingebrachten Entwurfs zur Umsetzung einer europäischen Richtline über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten
Sehr geehrte Frau Präsidentin/ Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
heute diskutieren wir über die Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten, die das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 12. Juni 2013 auf Vorschlag der Europäischen Kommission erlassen hatten.
Ziel ist es – so heißt es in der Richtlinie – „die Häufigkeit von schweren Unfällen im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten so weit wie möglich zu verringern und ihre Folgen zu begrenzen, …“
Die Richtlinie hätte bereits zum 19. Juli 2015 in deutsches Recht umgesetzt sein müssen und insofern kommt ihre Umsetzung gerade angesichts der Gefahren und Risiken von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten und den erfolgten Ereignissen viel zu spät – man denke nur an die Explosion und Öl-und Gasfreisetzung bei der BP-Erdölplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko .
Der heute vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen ist handwerklich korrekt formuliert, geht aber an den Problemen der Offshore-Förderung weit vorbei.
Ein Problem ist, dass die erforderliche Umsetzung der EU-Richtlinie eben nicht gesetzlich erfolgt, sondern größtenteils auf dem Weg von Verordnungen.
Grundsätzlich ist DIE LINKE der Meinung: Allgemeine Anforderungen müssen im Bundesberggesetz klar festgelegt werden und dürfen nicht in Verordnungen geschoben werden. Doch eine entsprechend notwendige und grundsätzliche Novellierung des Bundeberggesetzes wird von der Großen Koalition systematisch verhindert.
Und selbst wenn man den Weg der Verordnungen geht, sind hier die falschen Verordnungen gewählt. Hätte die Bundesregierung wirklich einen hohen Standard bei der Anlagensicherheit gewollt, hätte sie die Anforderungen der EU-Offshore-Richtlinie in die Störfallverordnung integrieren müssen und so die Tätigkeiten auf Öl- und Gasplattformen unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung fallen lassen. Es ist offensichtlich, warum die Koalition das nicht macht: Einmal mehr sollen Öl und Gaskonzerne privilegiert werden. Denn die an sie gestellten Sicherheitsanforderungen sind bedeutend geringer als im üblichen Recht der Anlagensicherheit.
Erst vor knapp zwei Wochen, am 25.5. dieses Jahres hat die Bundesregierung die Änderungsverordnung zu bergrechtlichen Vorschriften beschlossen. Sie liegt jetzt dem Bundesrat zur Beschlussfassung vor.
Diese Verordnung hat es in sich: So wird beispielsweise im § 40 der neuen Offshore-Bergverordnung festgelegt, dass nicht das potentielle Schadensausmaß, sondern lediglich das Risiko Maßstab für eine Verhinderung schwerer Unfälle sein soll. Da das Risiko zentral von Eintrittswahrscheinlichkeiten abhängt, können so große Schadensereignisse mit angeblich geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten als unbeachtlich erklärt werden. Zudem wird der Begriff des „vertretbaren Risikos“ verwendet. Da es in Deutschland jedoch keine Risikogrenzwerte gibt, werden die Öl- und Gaskonzerne selbst bestimmen, was sie für vertretbar halten und welchen Gefahren sie Mensch und Umwelt aussetzen.
Darüber hinaus klammert die Bundesregierung in ihren beschlossenen Verordnungsentwürfen einen zentralen Bereich der Offshore-Gas- und -Ölförderung vollkommen aus: Das Offshore-Fracking. Fracking ist bereits an Land unverantwortbar. Noch weniger beherrschbar sind die Folgen von Offshore Fracking, denn es kombiniert die Gefahren des Frackings an Land mit den klassischen Gefahren der Öl- und Gasgewinnung im Meer. Durch die eingesetzten Frackflüssigkeiten, deren Zusammensetzungen nicht veröffentlicht werden, kann es zu Wasserkontaminationen kommen. Das Aufbrechen des Untergrundgesteins und das Wiederverpressen des Flowbacks kann Erdbeben hervorrufen. Und durch Leckagen kann in erheblichem Maß das klimaschädliche Treibhausgas Methan entweichen.
Während der Sondierungs-, Förder- und Außerbetriebnahmeaktivitäten kann es außerdem zu schweren Unfällen kommen. Dazu gehören Öl- und Chemikalienfreisetzungen im Falle einer Schiffskollision oder von Pipelineleckagen. Größere Gasfreisetzungen können aufgrund eines Blowouts erfolgen. Eine mögliche größere Ölpest hätte erhebliche negative Auswirkungen auf das empfindliche marine Ökosystem. Angesichts dieser möglichen Folgen ist Offshore-Fracking nicht verantwortbar. Fracking auf hoher See muss auf jeden Fall verboten werden. Das und vieles mehr, was dringend notwendig ist, sieht die Bundesregierung im vorliegenden Offshore-Regelungspaket gar nicht vor.
Aus den genannten Gründen fordert die LINKE, dass die Bundesregierung dieses Paket zurückzieht und grundlegend überarbeitet.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.