Atomwaffen USA: Militärisches Tritium mit Unterstützung von URENCO?

„Es ist erschreckend, wenn es zutrifft, dass URENCO und auch die Bundesregierung kein Problem damit haben, das US-Atomwaffenprogramm aus den zivilen Uranfabriken der URENCO mit angereichertem Uran zur Tritium-Erzeugung zu unterstützen. Der ohnehin dünne Grad zwischen militärischer und ziviler Atomnutzung wäre damit klar überschritten. Das darf unter keinen Umständen passieren“, erklärt Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE, anlässlich Medienberichten (Tagesschau) über den zivilen Urananreicherer URENCO. Eine mündliche Frage an die Bundesregierung hat Zdebel dazu bereits auf den Weg gebracht.

Den Berichten zufolge hätte URENCO keine rechtlichen Probleme, für die Herstellung von Tritium zur Verwendung in us-amerikanischen Atomwaffen, Uran zu liefern. Dies soll laut US-Regierungsberichten ein “Legal Memorandum” ergeben haben, das URENCO angefertigt habe. Demnach habe auch das zuständige Kontrollorgan, der sogenannte Ständige Ausschuss, in dem die Regierungen der Niederlande, Großbritanniens und Deutschlands über die Tätigkeit von URENCO wachen und den militärischen Missbrauch verhindern sollen, keine Bedenken gehabt. Zdebel weiter:

„Wir können froh sein, wenn die US-Regierung bislang keinen Gebrauch von dem URENCO-Angebot gemacht hat. Damit sich das angesichts der in den US-Medien erwähnten ‚drohenden Krise‘ bei der US-Tritium-Produktion und unter dem neuen US-Präsidenten Trump nicht ändert, braucht es jetzt eine klare Ansage der Bundesregierung, dass es solche Lieferungen in keinem Fall geben wird. Das muss sie über das URENCO-Kontrollorgan, dem Ständigen Ausschuss, in dem sie vertreten ist und ein Veto-Recht hat, klar machen.

Ich habe dazu vor einigen Tagen eine entsprechende Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Hier darf es jetzt kein Versteckspiel der Bundesregierung geben. URENCO ist ein Spiel mit dem atomaren Feuer. Nicht vergessen werden darf, dass das Unternehmen selbst militärisch überaus brisant ist, weil mit den Zentrifugen zur Urananreicherung grundsätzlich auch die Herstellung von atomwaffenfähigem Uran möglich wäre. Deshalb wird das Unternehmen streng von den Staaten Deutschland, England und den Niederlanden überwacht. Auch vor diesem Hintergrund kann es nicht sein, dass URENCO – und wenn auch nur indirekt – das US-Atomwaffenprogramm unterstützten dürfte.

Man muss aber auch die USA kritisieren: Mit dem Einsatz eines kommerziellen Atomreaktors – Watts Bar 1 in Spring City – für militärische Zwecke zur Tritium-Erzeugung machen sich die USA angreifbar, was die internationalen Bemühungen angeht, die Trennung von ziviler und militärischer Atomenergienutzung aufrechtzuerhalten. Deutschland darf das jetzt nicht noch mit Uranlieferungen von URENCO billigen oder tolerieren. Andere Länder könnten ebenso auf die Idee kommen, zivile Atomreaktoren direkt in ihre Atomwaffenpläne einzubeziehen.

Zum Hintergrund und zu den US-Dokumenten:

Das Atomwaffenprogramm der USA steht vor einem Problem. Es könnte künftig am erforderlichen Tritium für die Sprengköpfe fehlen, denn die letzte US-eigene Urananreicherungsanlage ist vor einigen Jahren stillgelegt worden. Von einer “drohenden Krise” bei der Tritium-Produktion sprechen Anfang März 2017 zwei US-Atomexperten in einem Beitrag auf “defensenews“. In dem Artikel wird auch die URENCO genannt.

  • Das Tritium in den Atomsprengköpfen muss regelmäßig erneuert werden, da es nur über eine Halbwertzeit von etwas über 12 Jahren hat. (Wikipedia)

Das Tritium-Problem für das Atomwaffenprogramm wird in den USA schon länger diskutiert. Das hat auch mit der Stilllegung der einzigen Urananreicherungsanlage im Besitz der USA im Jahre 2013 zu tun.

Die Tritium-Produktion erfolgt mit angereichertem Uran in einem normalen Atomreaktor der Tennessee Valley Authority (TVA). Derzeit ist das der Reaktor Watts Bar 1. Künftig soll laut TVA aber auch ein weiterer Block des AKW Sequoyah Nuclear Plant zur Trititum-Erzeugung genutzt werden.

Dazu werden spezielle Brennelemente für einen Zeitraum von 18 Monaten im Reaktor bestrahlt und danach zur Tritium-Abtrennung zur Savannah River Site transportiert, wo die Abtrennung erfolgt.

Noch können sich die USA damit behelfen, dass Restbestände verarbeitet werden und überzähliges hochangereichertes Uran “verschnitten” wird, um daraus Brennstoff für den Einsatz im TVA-Reaktor herzustellen. Doch ohne eine neue eigene Anreicherungsanlage könnten die USA die Tritium-Produktion mittelfristig nur aufrechterhalten, wenn entsprechendes Uran aus “ausländischen” Anlagen zur Anwendung käme.

Die URENCO, an der die beiden deutschen Atomkonzerne E.on und RWE mit einem Drittel gemeinsam mit Großbritannien und den Niederlande beteiligt sind, ist einer dieser Anbieter. Neben den Urananreicherungsanlagen in Almelo (NL), Capenhurst (GB) und Gronau (D) betreibt die URENCO eine weitere Fabrik in Eunice, New Mexico.

Weil die Anreicherungstechnik der URENCO grundsätzlich auch atomwaffenfähiges Uran herstellen könnte, unterliegt die URENCO strickten Sicherheitskontrollen, damit das nicht geschieht. Mit dem “Vertrag von Almelo” haben die drei Staaten Deutschland, Niederlande und Großbritannien festgelegt, dass URENCO nur für die “friedliche” Atomenergie arbeiten darf. Zum Bau der Anlage in den USA ist das außerdem im Vertrag von Washington zwischen den drei URENCO-Staaten und den USA  festgeschrieben.

  • “Failure to restore domestic enrichment by the early 2030s leaves only one alternative: use of foreign-origin LEU. But there are many drawbacks. Some exporting countries will not sell LEU for tritium production because agreements in place limit use solely for peaceful purposes. Earlier, an international consortium (URENCO) agreed to provide LEU for TVA reactors, whether tritium producing or not, but previous administrations rejected this on the grounds that it further weakened separation of national defense-related and commercial nuclear activities. And, to be clear, because nuclear weapons play such a critical role in U.S. security, and the security extended to allies, our nation cannot rely on global markets, or other countries’ decisions, to provide means to ensure that security.” Quelle: Commentary: The looming crisis for US tritium production, March 6, 2017, siehe hier.

In einem Bericht des Department of Energy (PDF) aus dem Jahr 2014 ist zu lesen, dass URENCO offenbar mit Verträgen aus den Jahren 2006 und 2010 die TVA mit angereichertem Uran für den Einsatz in ihren Atomreaktoren beliefert hat. Ob ein Einsatz auch in Watts Bar 1 erfolgte, geht aus den Dokumenten nicht hervor.

Dem Bericht zufolge hatte URENCO ein Rechts-Gutachten (legal memorandum) erstellt, das zu dem Ergebnis kam, dass ein solche Lieferung für URENCO trotz bestehender Kontrollverträge zulässig wäre. Eine Auffassung, der sich bereits im Jahr 2005 auch das mit dem Vertrag von Almelo eingerichtete URENCO-Kontrollgremium – das Joint Committee – angeschlossen haben soll. In diesem Joint Committee (Ständiger Ausschuss) überwachen die Regierungen der drei Länder Deutschland, Niederlande und Großbritannien die Einhaltung der Kontrollverträge, nach denen URENCO ausschließlich zivilen Zwecken verbunden ist.

Sowohl die URENCO als auch ihr tristaatliches Kontrollorgan hatten keinerlei Einwände gegen Uranlieferungen an TVA, da – so der DOE-Bericht – die Nutzung in den TVA-Reaktoren vor allem zur Stromerzeugung und nur nebenbei zur Tritium-Produktion diene.

  • “DOE and Department of State officials have cited these U.S. nonproliferation goals in response to questions about whether TVA could use LEU produced by URENCO LES for tritium production. Specifically, URENCO’s corporate position has been that the Washington Agreement, under which its uranium enrichment facility in the United States operates, does not restrict the use of its LEU for the production of tritium. In 2006 and 2010, URENCO LES entered into a contract with TVA to provide LEU for use in TVA’s commercial nuclear reactors. Because TVA produces tritium for NNSA in one of its nuclear reactors, URENCO LES evaluated the extent to which the Washington Agreement precludes the use of LEU produced with URENCO technology in TVA’s tritium-producing reactor. According to a URENCO legal memorandum, in a July 2005 meeting of the Joint Committee—the British-Dutch-German government body supervising company activities under the Treaty of Almelo—URENCO corporate management posited that providing LEU enriched by URENCO LES to TVA for use in any of its reactors was not in conflict with the Washington Agreement’s peaceful use provisions. As reported to company officials in the United States, the Joint Committee confirmed that the Washington Agreement’s provisions restrict special nuclear material produced by URENCO LES to peaceful purposes. According to URENCO’s legal memorandum, it was further discussed that URENCO LES’s LEU will be used by TVA principally to produce electricity and that, if used in TVA’s tritium producing reactor, the resulting tritium produced in that reactor is a by-product material and not a special nuclear material. According to senior URENCO officials, the Joint Committee further discussed the fact that TVA would primarily use URENCO LES’s LEU for the purpose of producing commercial power. According to company officials, the Joint Committee did not place restrictions on the URENCO LES’s contract with TVA and did not distinguish between TVA’s reactors that produce tritium and those that do not. Furthermore, according to TVA officials, URENCO has consistently informed TVA that it places no restrictions on TVA using URENCO LES’s LEU in its tritium-producing reactors.” Seite 30 in “DEPARTMENT OF ENERGY
    Interagency Review Needed to Update U.S. Position on Enriched Uranium That Can Be Used for Tritium Production”, Oktober 2014, siehe hier (PDF) und hier.

Bedenken gegen den Einsatz von URENCO-Uran zur Tritium-Herstellung aber formulierte das Department of Energy mit Blick auf die Vermischung ziviler und militärischer Grenzen der Atomenergienutzung. Angesichts der zur Verfügung stehenden Informationen ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar, ob mit den genannten Verträgen URENCO-Uran auch im TVA-Reaktor Watts Bar 1 eingesetzt wurde oder nicht.

  • Auch andere Quellen sprechen von dem URENCO-Gutachten, siehe hier AtomInfo.RU vom Dezember 2014: “The company made a corresponding analysis before the conclusion of contracts for the supply of the enriched uranium to the TVA plants. The documents available for auditors contain a clear conclusion – the LEU from URENCO USA can be used on any unit, operated by TVA, including the unit(s), where the tritium is produced.” In einem Bericht im November 2014 schreibt AtomInfo.RU auch über die Probleme für die USA, die sich aus den ausländischen Anlagen mit der AREVA, Frankreich und Australien ergeben und das Tritium-Probleme für die USA noch weiter verschärfen.
  • Bereits 2012, als die Stilllegung der letzten US-Anreicherungsanlage in Paducah schon auf dem Plan stand, erläuterten Experten in einem Papier an den Senator von Massachusetts, Ed Markey, die daraus folgenden Probleme für das US-Atomwaffenprogramm: Das Department on Energy “currently produces tritium by irradiating lithium-6 in the Watts Bar 1 commercial reactor (in Tennessee) and may expand the program to the two-reactor Sequoyah nuclear plant (also in Tennessee) as well, both of which are owned and operated by the Tennessee Valley Authority (TVA). Because the tritium is to be used in nuclear weapons, the Watts Bar 1 and Sequoyah reactors may not be allowed to use fuel from foreign sources or even some domestic uranium.” (Das Dokument ist auf der Seite des Senators hier online (PDF). Dieses Dokument ist auch hier zum download).)
  • In dem Statement von Markey ist auch die Rede von einem URENCO-Vertrag mit TVA: “Urenco has signed a contract with TVA to supply enrichment services from its New Mexico plant to the Watts Bar and Sequoyah reactors. This arrangement raised questions about whether the TVA plants could be used to make tritium for nuclear warheads while being fueled by enriched uranium from Urenco. A 2008 legal memorandum to NNSA concluded that the Washington Agreement did not preclude such use of the Urenco-produced nuclear fuel, because tritium is not defined as special nuclear material, but rather as byproduct material. A Joint Committee of the Urenco consortium, after being briefed on the issue at a 2005 meeting, did not object to the TVA contract.”

Harvey und Miller adressieren an die neue Trump-Administration eine Aufgabe: “By the early 2030s, the viability of the entire U.S. nuclear deterrent is at risk from an inability to produce tritium for nuclear warheads. The Trump administration will need to take action soon to manage this long-term problem.”

Dse4Zdebel

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