60 Jahre Atomkatastrophe Majak – Mahnung für Atomausstieg in Hannover

60 Jahre Atomkatastrophe Majak – Mahnung für Atomausstieg in Hannover

Tschernobyl, Fukushima, Harrisburg und vielleicht noch Windscale sind neben den Atombombeneinsätzen über Japan als Atomkatastrophen in Erinnerung. Bis heute immer noch wenig bekannt ist die Katastrophe, die vor genau 60 Jahren tief hinter dem “Eisernen Vorhang” mitten im Atomwettrüsten und im aufkommenden Kalten Krieg zwischen den USA und der NATO und Russland und dem Warschauer Pakt, am 29. September 1957 in Majak passierte. Eine Explosion führte zur Freisetzung großer Mengen radioaktiver Stoffe. Mit einer Gedenkdemonstration und der Forderung nach Stilllegung aller Atomanlagen erinnern wenige Tage vor den Landtagswahlen im rot-grünen Hannover (Niedersachsen) an die “vergessene” Atomkatastrophe.

Der BBU schreibt in einer Pressemitteilung: Die radioaktiven Emissionen des Atomunfalls in Majak “verteilten sich auf eine Fläche von über 20.000 Quadratkilometer. Erst nach etwa einer Woche wurde ein Teil der betroffenen Bevölkerung evakuiert. Acht Monate später wurden weitere Personen umgesiedelt. Anders als bei der Tschernobyl-Katastrophe (1986) waren die Folgen der radioaktiven Niederschläge der Majak-Katastrophe nicht so global zu spüren. So konnte die Katastrophe auch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts weitgehend vertuscht werden. Hinweis: http://www.atomunfall.de/1957-Majak-Kyschtym-Sowjetunion.shtml”. Zu der Gedenkdemonstration „60 Jahre Atomunfall Majak – Atomausstieg weltweit jetzt“ am 30.09.2017 rufen der BUND Region Hannover (siehe dazu diesen Bericht über den Unfall in Maja (PDF)), Ecodefence Russland, die AG Schacht Konrad, die BI Lüchow-Dannenberg und Anti-Atom-Gruppen rund um das AKW Grohnde auf.

Die Aktion findet wenige Tage vor den Landtagswahlen im rot-grünen Niedersachsen statt, wo mit Grohnde und Lingen (Emsland) noch zwei Atomkraftwerke in Betrieb sind und ebenfalls in Lingen ohne jede Befristung Brennelemente für den weltweiten AKW-Einsatz hergestellt werden.

  • Gedenkdemonstration „60 Jahre Atomunfall Majak – Atomausstieg weltweit jetzt“, 30.09.2017, Samstag, 12:00 Uhr, Opernplatz, Hannover

Dokumentation (siehe oben den Link zur PDF): BUND Region Hannover zur “Gedenkdemonstration „60 Jahre Atomunfall Majak – Atomausstieg weltweit jetzt“. 30.09.2017 Samstag 12:00 Uhr Opernplatz Hannover

Es hat nicht 2 sondern 3 große Nuklearunfälle gegeben: Tschernobyl, Fukushima und davor:

Majak:

Am 29.09.1957 fand in Majak in Russland bei Magnitogorsk der 1. große im Prinzip bis heute geheimgehaltene Atomunfall statt, ein Unfall der Stärke INES 6-7. Tschernobyl hatte INES 7. Dabei ex- plodierte ein Becken mit radioaktivem Müll. 200 – 1.000 Menschen starben, 437.000 Menschen wurden verstrahlt. Es wurde hier etwa doppelt soviel Radioaktivität freigesetzt als durch den Tschernobyl- Unfall. Es entstand eine 380 km lange Zone, das längste radioaktive Sperrgebiet der Erde, die Osturalspur, die bis heute radioaktiv verstrahlt ist. Heute gibt es dort noch ein radioaktives Sperrgebiet von 150 km². Der Feuerschein wurde noch 100e km weit entfernt gesehen und damals in sowjetischen Zeitungen als „Wetterleuchten“ oder „Polarlicht“ „erklärt“. Damals wurden auch Tierversuche mit Radioaktivität unternommen z. B. mit Kühen, die nach 2 Wochen starben.(1)

Erst 1976 wurde der Unfall durch den von der Sowjetunion ausgebürgerten Biochemiker und Dissidenten Schores Medwedjew und dessen Zwillingsbruder Roy bekannt. Schores schrieb einen Aufsatz im „New Scientist“, der in London veröffentlicht wurde. Medwedjew hatte nur aufgrund von Vermutungen angefangen zu recherchieren. Niemand glaubte ihm, man hielt es für ein Ablenkungsmanöver vom KGB. 1979 veröffentlichte er sein Buch „Nuclear Disaster in the Urals“ zu dem Unfall. 1989 musste Jelzin den Unfall dann vor der internationalen Atomaufsichtsbehörde IAEA zugeben. Nur der US-amerikanische CIA hatte bis dahin davon gewusst.

Von 1948 – 1951 „entsorgte“ man den Atommüll in den Fluss Tetscha. Nachdem es Krebserkrankungen und massive Gesundheitsprobleme der Anwohner und Umsiedlungen gab, „entsorgte“ man den Müll von 1951 bis 1953 in den Karatschai-See südlich von Majak.

1968 trocknete der See aus und es gab einen radioaktiven Staubsturm, der wiederum 500.000 Menschen kontaminierte. Der Karatschai-See ist der zerstörteste und radioaktivste Ort der Erde. Da er nicht „funktionierte“, legte man einfach noch 7 weitere künstliche große offene Seen an, die man mit radioaktivem Müll füllte, die „Tetscha-Kaskade“. Nach den Schneeschmelzen laufen diese Seen oft über und verteilen ihr radioaktives Wasser bis in das Nordpolarmeer. Die Seen sieht man sofort auf der Satellitenaufnahme oben rechts auf der Majak-Seite bei wikipedia.

Ab 1978 begann man den Karatschai-See mit Betonhohlquadern zu füllen. Das kostete pro Jahr 2,4 Milliarden €. Später soll es darauf „einen Golfclub“ geben, bemerkte ein russischer Pressesprecher „ironisch“.

Die LKW-Fahrer durften wegen der hohen radioaktiven Strahlung nur 3 Minuten lang am See ihre Fracht abladen. Ihre mit 5 Tonnen Blei ummantelten LKW’s haben 10 cm dicke Bleiglasscheiben. Steht man 1 Stunde an diesem See, ist man wegen der hohen Strahlung tot. Unter dem See hat sich in 100 Metern Tiefe eine radioaktive Linse gebildet, die sich mit 80 Metern pro Jahr ausbreitet und die angrenzenden Flüsse und das Nordpolarmeer erreichen kann. Der Unfall ist später in Kyschtym-Unfall umbenannt worden.

Heute sterben zur Zeit südlich von Majak an der radioaktiv verseuchten Tetscha 20.000 Menschen. Manche bekamen weißes Blut. Stellenweise beträgt die Strahlung dort 4.000 Röntgen (Z. B. an der M 5). Das ist soviel wie auf dem Dach von Tschernobyl direkt nach der Katastrophe, wo die Liquidatoren nur 40 Sekunden arbeiten konnten. Dort stehen keine Warnschilder. Musljumowo an der Tetscha hat mittlerweile 6 Friedhöfe, die Lebenserwartung liegt dort nur bei etwas über 40 Jahren.

Majak gehört zu den 47 geheimen, geschlossenen Städten in Russland (guckt dazu unbedingt die Liste „Geschlossene Stadt“ bei wikipedia an), in denen versteckt 1,2 Millionen Russen leben und die auch heute noch teilweise auf keiner Landkarte zu sehen sind. Die Städte hatten Namen von Stadtteilen anderer Städte oder Namen anderer existierender Städte. Wenn man eine dieser Städte suchte, fand man nur den Stadtteil oder den Namen anderer existierender Städte aber nie die geheime Stadt. Die An- wohner dürfen nicht über ihre Stadt reden. Oft wurden diese Städte auch noch umbenannt.Man findet sie oft nur mit der Koordinatensuche „oben rechts“ beim wikipedia-Eintrag einer Stadt.

10 dieser 47 Städte waren die Atomstädte, wo das Material für die Reaktoren und Atombomben hergestellt wurde. Majak (1967-89) ist eine davon und hieß zuerst Kombinat 817 (1946-67), die dazugehörige Stadt Tscheljabinsk-40 (09/1945-?, erst ab 1945 Basis Nr. 10), dann Tscheljabinsk-65 (?-1993), und heute Osjorsk (ab 2001). Die öffentlichen Uhren dort zeigen, ähnlich wie in Murmansk, freundlicherweise auch die Gamma-Strahlung an. (3) Der jetzige Direktor von Majak meint, das man das Problem mit der Tetscha erst 2100 „in den Griff“ bekäme. Angeblich könnte man die Verklappung erst in 8 Jahren stoppen. (4) Kontrollieren kann diese wagen Versprechen niemand: Majak ist militärisches Sperrgebiet, in welches selbst die IAEA kaum Zutritt bekommt.

Der Biologe und ehemalige Berater Jelzins Alexey Jablokov, Gründer von Greenpeace Russland und den Grünen in Russland, sagte schon 1993, das 75 % der Flüsse Russlands bereits radiaoktiv verseucht seien. Experten meinen, das 1/5 von Russland mittlerweile radioaktiv und unbewohnbar sei.(1). Mit 17 Millionen qkm ist Russland das größte Land der Erde. 1/5 davon wären etwa 3,4 Millionen qkm.

Tomsk-7 und andere Orte in Russland:

In Tomsk fand am 6.04.1993 ein weiterer ähnlicher Unfall mit einer Explosion statt, INES 2-4, bei dem ein bis heute radioaktives Sperrgebiet von 120 km² entstand: „Das wahre Ausmaß der ganz alltäglichen Verstrahlung in Tomsk-7 beschreibt ein FOCUS vorliegender Bericht des Ingenieurs Nikolai Gurjew, der von 1959 bis 1988 in Tomsk-7 gearbeitet hat: „So wurden zwischen 1964 + 1990 über Bohrlöcher 33 Millionen Kubikmeter flüssige, radioaktive Abfälle in wasserführende Schichten verpresst.“ Z.115(1) Auch hier gibt es einen toten, kontaminierten See, den „schwarzen See“ und offene Lagerbecken für Atommüll, die manchmal überlaufen in den Fluss Romaska. Der Fluss Tom ist ebenfalls verseucht. Der Tom mündet in den Ob, dieser in das Nordmeer.

Heute lagern 700.000 t unverarbeiteter radioaktiver Müll an mindestens 9 radioaktiven Orten in Russland + Estland: 13 versenkte Atom-U-Boot-Reaktoren vor Nowaja Semlja, mind. 3 versenkte Atom-U-Boote (K 278, K 159, K-27), mindestens 200 U-Boot-Reaktoren in Murmansk (74 davon wurden schon bearbeitet, 70 Jahre Abklingphase) an der Saida-Bucht (>>bei google eingeben + rechts auf map/satellit klicken, dann sieht man sie) in der Kola-Bucht + Atommüll im Umkreis von 50 km um die Stadt herum.

Mehrere 1000 Container mit abgereichertem Uranhexafluorid lagern ungeschützt in 4 radioaktiv ver- seuchten Gebieten von Tomsk-7, Angarsk, Nowouraralsk und Sewersk, was nie zurückgeschickt wurde, siehe Film „Albtraum Atommüll“.7 Millionen t Atommüll lagern 10 m neben der Ostsee in Sillamäe, jetzt Estland, Atommüll in Dimitrowgrad und in Krasnojarsk-26, der größten unterirdischen Wiederaufbereitungsanlage der Erde am radioaktiv verseuchten Jenissei. Dort liegt unverarbeiteter Atommüll mit der 56 fachen Strahlung, die bei der Tschernobyl-Katastrophe austrat.

Daher wird nur 10 % des Atommülls wiederverwendet, nicht wie Areva behauptet 96 %. Russland will sich den Atommüll aller Länder holen, um viel Geld zu verdienen mit ihrer Art des ungeschützten, billigen „Verpressens“. Kosten in Russland: 400 – 620 $, im Ausland: 1200 – 1500 $.

An 3 von den 9 Orten wird zur Zeit Atommüll direkt und ungeschützt in den Boden gepumpt: In Tomsk-7 (33 Mio. m³), Dimitrowgrad und Krasnojarsk-26 („Atomgrad“).

Weitere radioaktiv verseuchte Gebiete: Ebenfalls radioaktiv sehr verseucht ist das Gebiet von Krasnokamensk, der größten Uranmine Russlands, wo die Menschen deswegen mittlerweile umgesiedelt werden, wo auch Michail Chordokovsky inhaftiert war. —

Schaut bitte unbedingt 1. den Film „Albtraum Atommüll“ auf youtube: Von 27:15-46:47 sind die zur Zeit einzigen öffentlichen Aufnahmen vom Karatschai-See zu sehen. Ebenso wird über Hanford Site (USA), Tomsk-7 und La Hague berichtet. Lest bitte 2. den Eintrag zu Majak/Kyschtym-Unfall + 3. die Liste „Geschlossene Städte“ auf wikipedia und sagt alles 3 gerne weiter. Danke. – Lasst uns uns dafür einsetzen, das weltweit kein weiterer Atommüll nach Russland importiert wird. – Lasst uns Russland helfen durch Spenden, Petitionen + Unterstützung von Nadeschda Kutepova/(Planet of Hope,) Vladimir Slivyak/Ecodefense, der Bellona Foundation für Murmansk und Greenpeace Russland. —

Quellen:

(1) „Die wahre Katastrophe in Tomsk-7“, Focus Nr. 16, 1993
(2) 3. Teil „Umweltfolgen des kalten Krieges“, Die Welt, 1997
(3) http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php/?object_id=10092453
(4) http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Russland/majak.html

Weitere Filme:

  • 2. „Verseuchtes Land – Die Atomfabrik Majak“,
  • 3. „Yellow Cake: Die Lüge von der sauberen Energie“ zu den Uranminen mit dem Aborigine Jeffrey Lee,
  • 4. „Deadly Dust“ „Klassiker“ zur Uranmunition,
  • 5. „Die wahre Geschichte über Tschernobyl“,
  • 6. Somalia und die Giftmüllmafia“,
  • 7. „Versenkt und vergessen“, Atommüllverklappung mit „Plutonium-Raupe“ am Sellafieldstrand,
  • 8. „Atomfriedhof Arktis“ U-Boote,
  • 9. „Uranium – is it a country“ ?)

14.09.2017 V.i.S.d.P. BUND P. Höcker 30161 Hannover Goebenstr. 3a

Dirk Seifert

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