Atomforschungsreaktor Berlin: Betreiber bietet „einvernehmlichen Rückbauprozess“ nach Vorbild Geesthacht

Atomforschungsreaktor Berlin: Betreiber bietet „einvernehmlichen Rückbauprozess“ nach Vorbild Geesthacht

Ende 2019 soll der Berliner Atomforschungsreaktor BER II endgültig stillgelegt werden. Bereits im April hat das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) den Antrag auf Stilllegung gestellt. In einer öffentlichen Einladung an „sämtliche Haushalte“ per Postwurfsendung (10.000 Stück) lädt jetzt das HZB zu einem Dialog ein, der einen „einvernehmlichen Rückbauprozess“ erreichen will: „Vorbild für den langfristig angelegten Dialogprozess, den wir initiieren möchten, ist das Verfahren, das vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht für den Rückbau seiner kerntechnischen Anlagen etabliert worden ist. An diesem Dialog beteiligen sich seit 2012 u.a. Anwohnende, Kommunalpolitikerinnen und -politiker aller im Stadtrat von Geesthacht vertretenen Fraktionen sowie Umweltverbände und regionale Anti-Atom-Initiativen. Dort wird sehr offen und transparent über alle Fragen, die den Rückbau betreffen, gesprochen.“ Am 21. November soll per Veranstaltung über das Projekt informiert werden. Das AntiAtomBündnis Berlin und Potsdam „Atomreaktor Wannsee dichtmachen“ hat die Einladung auf seiner Seite online. Der Atommüllreport informiert über den Atomforschungsreaktor Berlin hier.

Eine Diskussion, wie ein Stilllegungsverfahren mit konsensorientiertem Dialog aussehen kann, ist sicherlich spannend, geht dieses Angebot von BER doch erstmal über das hinaus, was Atomkonzerne und Behörden sonst bieten. Doch der Berliner Forschungsreaktor ist sicherlich nicht einfach mit der Situation rund um den Forschungsreaktor in Geesthacht, ehemals als GKSS bekannt, vergleichbar, wo seit 2012 ein auch aus Sicht von Anti-Atom-Gruppen positiver Prozess stattfindet (Der Autor ist Mitglied der dortigen Begleitgruppe).

Um einen Unterschied anzuführen: Als in Geesthacht der Dialogprozess gestartet wurde, war die Anlage bereits einige Jahre abgeschaltet und die letzten hochradioaktiven Brennelemente waren bereits in die USA verschifft worden. Für den Berliner Forschungsreaktor aber gilt laut einem Bericht auf der Homepage des HZB vom Juli 2017: „Ein anderer wichtiger Aspekt, den es frühzeitig zu planen gilt, ist die Logistik. Dafür sind bereits mehrere Szenarien durchgespielt worden: Eines sieht vor, dass die Anlage nach der Nachbetriebsphase »kernbrennstofffrei« ist, die Brennelemente also in das Zwischenlager Ahaus abgegeben worden sind.“ Das ist nicht nur für die Bürgerinitiative und die AnwohnerInnen in Ahaus Anlass zum Protest. Es dürfte auch in Berlin besonderen Zündstoff bieten. Einerseits, weil trotz ungelöster Atommüllentsorgung der Forschungsreaktor weitere zwei Jahre hochradioaktiven Atommüll erzeugt. Zum anderen weil die Anti-Atom-Gruppen oftmals nach dem Motto: „Nichts rein – nichts raus“ verfahren. So sollen sinnlose Atomtransporte verhindert werden, die mangels „Endlager“ von einer Zwischenlösung zur nächsten unterwegs sind.

Luftaufnahme Forschungsreaktor Berlin. Foto: HZB

Eine derartige „Herausforderung“ hat es für den konsensorientierten Dialog in Geesthacht nicht gegeben. Hinzu kommt, dass es in den letzten Jahren wiederholt Auseinandersetzungen um den Betrieb des Forschungsreaktors in Berlin geben hat, die sicherlich nicht ohne weiteres in einen Dialog überführt werden können: Erst vor wenigen Wochen unterlagen AtomkraftgegnerInnen in Berlin vor Gericht (und hier Tagesspiegel, siehe dazu außerdem den Kommentar auf der o.g. Homepage von „Atomreaktor Wannsee dicht machen“). Sie hatten die geplanten Flugrouten über den noch bis Ende 2019 in Betrieb befindlichen Atomforschungsreaktor moniert. Auch warnen sie, dass es in dem am Wannsee gelegenen Reaktor zu schwersten Unfällen kommen könne. Für Empörung sorgte auch 2014: „Aus Sicherheitsgründen wurde der Wannsee-Reaktor im vergangenen Herbst abgeschaltet – die Öffentlichkeit erfuhr das verspätet. Atomkritiker befürchten große Gefahren, Betreiber und Senat weisen das zurück.“ (Berliner Woche und Tagesspiegel). Zuvor hatte die Taz über die Risse in einer Rohrleitung berichtet. Auch über eher verwirrende Umgangsweisen mit den Katastrophenschutzplänen berichtete die Taz im Oktober 2016. Infos gibt es auch auf AntiAtomBerlin. Zum Thema Terrorschutz und BER II siehe hier.

Atomforschungsreaktor BER II. Foto: © HZB/S. Welzel

Auf ihrer Homepage berichtet das HZB über die kommende Abschaltung und das Dialogprojekt: „“Insgesamt wird das Vorhaben bis in die frühen 2030er-Jahre hinein dauern«, schätzt der Rückbauleiter, »wobei es zahlreiche externe Einflussfaktoren gibt, die wir heute noch nicht genau kennen, die aber zeitrelevant sind.« Große Bedeutung kommt deshalb der Öffentlichkeitsarbeit zu. Ina Helms, die Leiterin der Kommunikationsabteilung des HZB, stellte in der Informationsveranstaltung Ideen für eine dialogorientierte Kommunikation und den Projektleiter für die Kommunikation zum Rückbau des BER II, Hannes Schlender, vor. »Wir werden einen Dialog mit allen Anspruchsgruppen und Interessierten aus Politik, Nachbarschaft oder Zivilgesellschaft führen«, sagte Ina Helms. »Das bedeutet, dass wir zuhören und die Wünsche der Beteiligten in den Prozess einfließen lassen«, ergänzt Hannes Schlender.

Beispiele dafür, dass solch eine Offenheit einem Rückbauprojekt förderlich ist, gibt es bereits: Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) hat das Genehmigungsverfahren für den Rückbau seines Forschungsreaktors dialogorientiert durchgeführt. Den Erfolg zeigte die öffentliche Anhörung, die vor Erteilung der Rückbaugenehmigung gesetzlich vorgeschrieben ist. Hannes Schlender war als Gast dabei: »Die beteiligten Bürgerinnen und Bürger haben zu Beginn der Anhörung deutlich gemacht, dass sie zwar inhaltlich in manchen Punkten nicht mit dem HZG übereinstimmen, dass sie aufgrund des Dialogverfahrens trotzdem volles Vertrauen gegenüber dem Zentrum und seinen Verantwortlichen haben. Wenn uns das auch gelingt, ist das ein großer Erfolg.«“

Ob es „volles Vertrauen“ gibt oder aber der konsensorientierte Dialogprozess in Geesthacht eher etwas wie Kontrolle und einen Prozess des Aushandelns ermöglicht, mag dahingestellt sein. Bedeutsam ist, dass der Dialog in Geesthacht vor allem intensiv und zeitaufwendig an einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage gearbeitet hat und diese „Spielregeln“ zwischen Begleitgruppe und Betreiber auch schriftlich fixiert hat. Leitfragen: Was wollen wir in dem Prozess erreichen, welche Grenzen hat er und wie wird mit Konflikten umgegangen, wenn eine Einigung über einen Sachverhalt und einen Vorgang nicht erreicht werden kann? Erst auf Grundlage einer solchen „Verhandlung und Verständigung“ hat sich der Begleitprozess nach längeren und auch sehr kontroversen und schwierigen Diskussionen in Geesthacht etabliert.

Nicht ganz nebensächlich dabei auch „handwerkliche“ Vereinbarungen: Die Begleitgruppe aus BürgerInnen, Verbänden, Initiativen und Parteien hat mit dem Betreiber eine Verständigung, dass Sachverhalte und Probleme durch einen unabhängigen Gutachter, der das Vertrauen der Dialoggruppe genießt, auf Kosten des Betreibers geprüft werden können. Ein Beitrag, der auch etwas damit zu tun hat, einen ehrenamtlichen Dialog zumindest ein Stück weit auf Augenhöhe organisieren zu können.

Ohne eine solche Klärung und Verständigung wird es auch in Berlin sicherlich nicht funktionieren, zumal die kontroversen Themen eindeutig heftiger sind. Die Grundzüge der Zusammenarbeit sind hier als PDF online und bestehen jeweils aus einem Selbstverständnis zum Dialogprozess aus Sicht der Begleitgruppe und des Betreibers sowie der darauf basierenden „Verständigung“.

In jedem Fall dürfte es interessant sein, genauer zu hören, was sich HZB unter dem Dialog vorstellt, welche konkreten Angebote es geben wird und wie sich der Betreiber zu den Konflikten stellt, die ohne Frage zu Beginn auf den Tisch kommen werden/müssen. Es gibt gerade aus der Perspektive von Anti-Atom-Initiativen genug Gründe, Dialog-Angeboten von Atombetreibern kritisch gegenüber zu stehen. Oft genug sind diese lediglich PR-Instrumente und haben eher was von Top-Down-Veranstaltungen. „Einvernehmlicher Rückbauprozess“ ist eine zunächst schöne Formulierung. Die Frage wird sein, ob der Betreiber das mit konkreten Angeboten und Vorstellungen unterfüttern kann. Allemal mit einem Reaktor, der noch in Betrieb ist.

Dokumentation der Einladung zum Dialog von HZB (hier als PDF):

-SÄMTLICHE HAUSHALTE-
An alle Bewohner des Hauses

Stilllegung und Rückbau des Berliner Experimentierreaktors BER II: Einladung zur Informationsveranstaltung und zum Dialogverfahren

Die anstehenden konkreten Planungen für die Stilllegung und den Rückbau des BER II erfordern ein umfangreiches Genehmigungsverfahren. Dabei ist, wie bei allen Rückbauvorhaben kerntechnischer Anlagen, die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit gesetzlich vorgesehen. Wir möchten über diese vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus mit Ihnen in einen Dialog über Stilllegung und Rückbau des BER II treten.

Aus diesem Grund laden wir Sie zu einer Informationsveranstaltung am Dienstag, den 21. November 2017, von 18 Uhr bis ca. 21 Uhr in der Aula der Johannes-Tews-Grundschule in der Wasgenstraße 50 in 14129 Berlin ein.

Zwei Punkte stehen bei dieser Veranstaltung auf der Tagesordnung:

Zum einen wollen wir Sie über den aktuellen Stand der Planungen informieren und Ihre Meinung dazu kennenlernen. Zum anderen möchten wir eine Dialoggruppe ins Leben rufen, in der das HZB mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden und Initiativen, in den Parlamenten vertretenen Parteien, Kirchen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen in einen kontinuierlichen Austausch zum Stilllegungs- und Rückbauprojekt tritt.

Vorbild für den langfristig angelegten Dialogprozess. den wir initiieren möchten, ist das Verfahren, das vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht für den Rückbau seiner kerntechnischen Anlagen etabliert worden ist . An diesem Dialog beteiligen sich seit 2012 u.a. Anwohnende, Kommunalpolitikerinnen und -politiker aller im Stadtrat von Geesthacht vertretenen Fraktionen sowie Umweltverbände und regionale Anti-Atom-Initiativen. Dort wird sehr offen und transparent über alle Fragen, die den Rückbau betreffen, gesprochen.

Ausführliche Informationen zu diesem Dialogprozess finden Sie im Internet unter https://www.hzg.de/dialog .

Unsere Motivation den Weg des Dialogs zu suchen, speist sich aus dem Selbstverständnis des Helmholtz Zentrum Berlin, mit dem wir in den St ill1egungs- und Rückbauprozesses gehen:

  • Das HZB beginnt das Rückbauvorhaben aus eigenem Antrieb und mit einer langfristigen Projektplanung.
  • Unser Ziel ist es, den Reaktor sicher, nachhaltig und wirtschaftlich zurückzubauen.
  • Wir streben einen einvernehmlichen Rückbauprozess an, wobei wir sowohl die Mitarbeitenden im HZB als auch die Bevölkerung im Sinne von Anwohnenden, Lokalpolitikerinnen und -politiker, Umweltverbänden und Initiativen zum Dialog einladen.
  • Transparenz im Sinne der Offenlegung aller relevanten Informationen werden wir sehr wichtig nehmen.Uns ist bewusst, dass es in der Vergangenheit auch Kritik an der Kommunikation des HZB gab. Deshalb möchten wir mit Ihnen auch darüber sprechen, wie wir im Rahmen des Stilllegungs- und Rückbauprojekts kommunizieren und gemeinsam mit Ihnen den Rahmen und die Inhalte des Dialogs gestalten.

Wir freuen uns sehr, dass wir die Mediatorin Silke Freitag für die Moderation der Informationsveranstaltung sowie – so dies von den Beteiligten gewünscht ist – auch des Dialogforums gewinnen konnten. Frau Freitag begleitet den Dialogprozess in Geesthacht seit 2012.

Das HZB möchte ausdrücklich alle Menschen am Dialog beteiligen, die daran teilnehmen möchten. Sie sind herzlich dazu eingeladen! Für unsere Planung würden wir uns über eine Anmeldung zur Teilnahme an der Auftaktveranstaltung unter der Email-Adresse dialog@helmholtz-berlin.de freuen. Sie sind jedoch auch ohne Anmeldung an diesem Abend herzlich willkommen!

Sollten Sie am 21. November verhindert sein, sich jedoch gern am Dialogforum beteiligen oder auch einfach weiter informiert werden wollen, melden Sie sich bitte bei uns.

Gern stehen wir Ihnen auch vorab zu Gesprächen und für weiterführende Informationen zur Verfügung: Am HZB ist Herr Hannes Schlender, Projektleiter für die Rückbaukommunikation, unter hannes.schlender@helmholtz-berlin.de, Tel.: 030/ 8062-42414 Ihr Ansprechpartner. Die Moderatorin Frau Silke Freitag erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse mail@scfreitag.de oder telefonisch unter 04186/891585. Bitte hinterlassen Sie ggf. eine Nachricht, falls Sie Frau Freitag oder Herrn Schlender nicht gleich erreichen. Beide rufen gern zurück.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Bernd Rech
Kommissarischer wissenschaftlicher Geschäftsführer

Thomas Frederking
Kaufmännischer Geschäftsführer “

 

 

Dirk Seifert

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