Risiko-Atommeiler Tihange 2 und Doel 3: Bundesregierung – reden statt handeln
Was tut die Bundesregierung, um gegen die atomaren Risiken durch die maroden belgischen AKWs Tihange und Doel vorzugehen? Während jüngst erneut mit Zustimmung der Bundesregierung Atom-Brennstoff aus der bundesdeutschen Uranfabrik in Lingen für den Weiterbetrieb nach Doel 1 und 2 transportiert wurde, teilt sie in ihrer Antwort auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) angesichts neuerlicher Vorwürfe, die belgische Atomaufsicht habe gegen „international anerkannte Bewertungsmaßstäbe“ verstoßen, lediglich mit: Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) ist derzeit damit beschäftigt, ein kürzlich stattgefundenes deutsch-belgisches Expertengespräch auszuwerten.
Zdebel kommentiert: „Die Bundesregierung führt Expertengespräche mit Zuständigen in Belgien und lässt die Ergebnisse von der Reaktorsicherheitskommission auswerten. Zu den immer neuen Berichten über die Mängel bei der belgischen Atomaufsicht und den vielen Störfällen in den belgischen Atommeilern schweigt sie sich aus. Politischer Druck für die Stilllegung der Risiko-Reaktoren Tihange und Doel sieht ganz bestimmt anders aus.“
- Anti-Atom-Organisationen rufen für den 9. Juni zu einer Demonstration für den Atomausstieg und die Stilllegung der bundesdeutschen Uranfabriken auf. Alle Info dazu hier.
Über 3.000 Risse im Reaktordruckbehälter von Tihange 2 und mehr als 13.000 Risse in Doel 3. Dazu immer wieder neue Störfälle in den anderen Reaktorblöcken dieser Atommeiler. Vor wenigen Wochen machte eine internationale Vereinigung von unabhängigen Atomexperten (INRAG) bei einer Tagung der Städteregion Aachen auf die Genehmigungsmängel und Risiken bei den belgischen Risikoreaktoren in Tihange und Doel aufmerksam. Die Stellungnahme der Experten, darunter u.a. Wolfgang Renneberg, ehemaliger Chef der deutschen Atomaufsicht, hat es in sich: Internationale Bewertungsmaßstäbe zur Sicherheit wären nicht beachtet worden, ein schwerer Atomunfall „nicht praktisch ausgeschlossen“.
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Diese Ergebnisse der Tagung in Aachen nahm Hubertus Zdebel zum Anlass, die Bundesregierung nach den Konsequenzen zu fragen. Die Antwort der Bundesregierung hier als Dokumentation: (Hier geht es zur Drucksache, Frage Nr. 120, PDF)
Berlin, 11. Mai 2018 – Ihre Schriftliche Frage mit der Arbeitsnummer 5/042 vom 04. Mai 2018 (Eingang im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2018) beantworte ich wie folgt:
Frage 5/042
Wie bewertet die Bundesregierung die im Rahmen einer Tagung der Städteregion Aachen von der unabhängigen internationalen Gruppe von Atomexperten INRAG in einer Stellungnahme (https://www.staedteregion-aachen.de/de/navigation/staedteregion/tihange-abschalten/inrag-konferenz/stellungnahme-der-inrag-zu-tihange/) dargestellten Probleme sowie der in den Vorträgen (https://www.staedteregion-aachen.de/de/navigation/staedteregion/tihange-abschalten/inrag-konferenz/die-fachvortraege/) vertieften Kritik hinsichtlich des Betriebs des belgischen AKW Tihange 2 mit Bezug drauf, dass laut INRAG der Betrieb des Block 2 „international anerkannten Bewertungsmaßstäben“ widerspräche, die Gefahr eines Versagens des Reaktordruckbehälters „nicht praktisch ausgeschlossen“ sei und der Reaktor mit den „jetzt entdeckten Rissen am Reaktordruckbehälter bereits im Jahre 1983 nicht in Betrieb“ hätte gehen dürfen, „sofern diese Risse bereits bei der Herstellung vorhanden waren, wie von Betreiber und Aufsichtsbehörde unterstellt wird „, und in welcher Weise wird die Bundesregierung diese Ergebnisse im Rahmen der Kontakte mit den zuständigen belgischen Verantwortlichen und insbesondere der gemeinsamen Kommission zum Thema machen?
Antwort
Der Bundesregierung sind die Ergebnisse der International Nuclear Risk Assessrnent Group-Tagung (INRAG), die durch die Städteregion Aachen am April 2018 organisiert wurde, bekannt.
Das Bundesumweltministerium hat bereits im Jahre 2015 sein unabhängiges Beratungsgremium, die Reaktor-Sicherheitskornmission (RSK) gebeten, zu den Entscheidungsgrundlagen der zuständigen atornrechtlichen Aufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle (FANC) in Bezug auf die Integrität der beiden Reaktordruckbehälter der AKW Doel-3 und Tihange-2 Stellung zu nehmen. Die RSK kam im April 2016 zum vorläufigen Schluss, dass es keine konkreten Hinweise gibt, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind. Es kann aber auch nicht bestätigt werden, dass diese sicher eingehalten werden. Das Bundesumweltministerium hat sich diesem Ergebnis der RSK angeschlossen und dieses als Grundlage für die weiteren bilateralen Gespräche mit der FANC herangezogen. Zu den von der RSK als offen angesehenen Fragen verweist das Bundesumweltministerium auf seinen Bericht vorn 25. April 2016 an den Umweltausschuss (Ausschussdrucksache 18(16)374).
- Siehe auch: Riss-Reaktoren in Doel und Tihange: Sicherheitdebatte über Bericht im Umweltausschuss des Bundestages
- und: Bundestagsdebatte Tihange und Atomgefahren: Bundesregierung will Uranexporte aus Deutschland für marode Atomreaktoren nicht stoppen
Seit dem Jahr 2016 besteht zwischen dem Bundesumweltministerium und der FANC ein intensiver fachlicher Austausch. Kürzlich hat ein Deutsch Belgisches Expertengespräch stattgefunden, in welchem die aus Sicht der RSK noch bestehenden Sicherheitsfragen zu den befundbehafteten Reaktoren Tihange-2 und Doel-3 erörtert wurden. Derzeit werden die Ergebnisse dieses Gespräches von der RSK ausgewertet.
Mit freundlichen Grüßen
Rita Schwarzelühr-Sutter