Dokumentation Tagesschau URENCO Uran Tritium US-Atomwaffen

Die Tagesschau berichtete in Beiträgen von Jürgen Döschner im Mai und Juni 2017 zweimal über einen möglichen künftigen Einsatz von angereichertem Uran von URENCO in US-Atommeilern, in denen Tritium zur Verwendung in Atomwaffen hergestellt wird. Auch der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel recherchierte zu diesem Thema und veröffentlichte Dokumente. Die beiden Tagesschau-Artikel sind inzwischen online nicht mehr frei verfügbar. Der Grund dafür sind Regelungen zum Schutz der privaten Verlage und Medienkonzerne, nach denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Beiträge nach festgelegten Fristen löschen muss. Hier nun stellt Zdebel die Beiträge erneut öffentlich.

Im folgenden die beiden Artikel

11. Mai 2017, Tagesschau: Umstrittene Lieferungen – Deutsches Uran für US-Atomwaffen?

14. Juni 2017, Tagesschau: Lieferungen in die USA – Das heikle Geschäft mit dem URENCO-Uran

Umstrittene Lieferungen – Deutsches Uran für US-Atomwaffen?

http://www.tagesschau.de/ausland/uran-usa-deutschland-101.html

Stand: 11.05.2017 06:00 Uhr

Die Firma URENCO, die einen Sitz in Deutschland hat, liefert Uran – auch in die USA. Bislang dient der radioaktive Export dort zur Stromerzeugung. Doch Washington könnte das Uran auch für seine Atomwaffen gut gebrauchen.

Von Jürgen Döschner, ARD-Energieexperte

Mittwoch, 10. Dezember 2014: Ein Lkw mit angereichertem Uran verlässt das Gelände der Firma URENCO im westfälischen Gronau. Das Ziel: Die US-Brennelementefabrik „WesDyne/Westinghouse“ in Columbia, South-Carolina. Eigentlich kein besonderes Ereignis. Die USA betreiben rund 100 Atomreaktoren und sind größter Kunde von URENCO-Gronau. 2016 wurden rund 440 Tonnen angereichertes Uran in die Staaten geliefert – mehr als an alle anderen Abnehmer zusammen, einschließlich Deutschland.

Doch das Ziel an jenem 10. Dezember 2014 war ein besonderes. Die Brennelemente-Fabrik in Columbia ist Teil des US-Atomwaffenprogramms. Neben normalen Brennstäben für kommerzielle Atomkraftwerke werden bei „Westinghouse“ auch spezielle Brennstäbe zur Herstellung von Tritium gefertigt: sogenannte „Tritium Producing Burnable Absorber Rods“, kurz TPBAR.

Strom für mehr als eine Million Haushalte

Von Columbia gehen die TPBAR-Brennstäbe per Lkw in den Nachbarstaat Tennessee, zum Atomkraftwerk Watts Bar 1 in Spring City. Der Reaktor mit den speziellen Brennstäben produziert Strom für mehr als eine Millionen Haushalte. Und, als bislang einziger Reaktor in den USA, das für die Atomwaffen so wichtige Tritium. Bezahlt und unter strenger Aufsicht der „National Nuclear Security Agency“ (NNSA), einer Unterabteilung des US-Energieministeriums.

Ob dabei auch Uran von URENCO zum Einsatz kam, ist unklar. Allerdings gab es laut Dokumenten des US-Kongresses schon 2006 Verträge zwischen der URENCO-Niederlassung in den USA und dem AKW-Betreiber „Tennessee Valley Authority“ (TVA) zur Belieferung der Reaktoren „Watts Bar“ und „Sequoyah“.

Offiziell hat bislang die strikte Haltung der US-Regierung den Einsatz von URENCO-Uran für das Atomwaffenprogramm offenbar verhindert. US-Gesetze verbieten derzeit den Einsatz ausländischer Materialien oder Technologien für den militärischen Nuklearsektor.

Eine dünne Grenze zum Militär

Doch der Druck auf Washington steigt, diese Regeln aufzuweichen. Denn die USA haben seit 2013 keine eigene Urananreichungsanlage mehr. Gleichzeitig wächst aber der Bedarf an Tritium. Militärexperten warnen vor einer „drohenden Krise für die Tritium-Produktion“ und sehen mittelfristig die Einsatzfähigkeit der US-Atomwaffen in Gefahr. Der Rechnungshof des US-Kongresses forderte deshalb schon 2014 eine Lockerung der strengen Regeln. Alternative wäre die Entwicklung und der Bau einer eigenen Urananreicherung, was viel Zeit und noch mehr Geld kosten würde.

Das Beispiel Tritium zeigt, wie dünn die in zahlreichen internationalen Abkommen gezogene Grenze zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft ist. Dessen war sich wohl auch URENCO bewusst und ließ 2005 in einem „Legal Memorandum“ die Frage klären, ob es gegen geltende Abkommen verstieße, wenn Uran der US-Niederlassung von URENCO zur Herstellung von Atombomben-Tritium eingesetzt würde. Das Ergebnis: Man sehe keine rechtlichen Hindernisse. Tritium sei schließlich nur ein „Abfallprodukt“, das bei der Stromerzeugung entstehe. Einstimmig abgesegnet wurde diese Einschätzung vom obersten URENCO-Aufsichtsgremium, in dem auch die Bundesregierung vertreten ist.

Debatte über Rechtmäßigkeit – „vertraulich“

Auf die Frage, ob diese Einschätzung noch heute gilt, reagierte das Bundeswirtschaftsministerium zugeknöpft. „Die Sitzungen und Unterlagen des Gemeinsamen Ausschusses sind vertraulich, sodass ich hierzu keine Stellung nehmen kann“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums schriftlich.

Der Münsteraner Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Reaktorsicherheit, Hubertus Zdebel (Linkspartei), forderte gegenüber dem WDR von der Bundesregierung eine klare Stellungnahme, dass es Uranlieferungen für das US-Atomwaffenprogramm niemals geben wird. Mit solchen Lieferungen würde der schmale Grat zwischen militärischer und ziviler Atomnutzung klar überschritten.

Die Geschäftsleitung von URENCO hat auf die Anfragen des WDR bislang nicht reagiert.

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14. Juni 2017, Tagesschau: Lieferungen in die USA – Das heikle Geschäft mit dem URENCO-Uran

Stand: 14.06.2017 05:13 Uhr, http://www.tagesschau.de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html

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Die Firma URENCO mit Sitz auch in Deutschland stand immer wieder wegen Uranlieferungen an marode Atomkraftwerke in der Kritik. Jetzt hat sich WDR-Recherchen zufolge der Verdacht bestätigt, URENCO könnte indirekt auch am US-Atomwaffenprogramm beteiligt sein.

Von Jürgen Döschner, ARD-Energieexperte

In dem verschlafenen Ort Murfreesboro im US-Bundesstaat Tennessee trifft sich im Mai der Vorstand des Kraftwerksbetreibers TVA. Auf der Tagesordnung: unter anderem das heikle Thema „Uranversorgung“.

Heikel, weil TVA zwei Atomkraftwerke der besonderen Art betreibt: Watts Bar und Sequoyah. In ihnen wird nicht nur Strom, sondern auch Tritium produziert – ein unverzichtbarer Stoff für das Atomwaffenarsenal der USA. Das hier eingesetzte Uran wird also indirekt militärisch genutzt.

Verstoß gegen den Nichtverbreitungsvertrag

Am Ende erhält das europäische, halbstaatliche Unternehmen URENCO den Zuschlag. Bis 2030 soll die US-Tochter von URENCO angereichertes Uran nach Watts Bar und Sequoyah im Wert von 500 Millionen Dollar liefern – und damit auch indirekt für das US-Atomwaffenprogramm. Aus Sicht des Wiener Risikoforschers Wolfgang Liebert ein Tabubruch und ein Verstoß gegen den Nichtverbreitungsvertrag, den fast alle Staaten der Welt unterschrieben haben.

„Da darf es keine Unterstützung für Kernwaffenprogramme geben“, sagt Liebert. „Wenn ein Land Technologie exportiert oder durch andere nutzen lässt, gibt es eine Art ‚End-use-Klausel‘, dass sichergestellt sein muss, dass diese Technologie nur für friedliche Zwecke verwendet wird. Und genau das Gegenteil wäre hier der Fall.“

URENCO-Deal hat politische Dimension

Auch Jürgen Trittin, Bundestagsabgeordneter der Grünen und ehemaliger Bundesumweltminister, ist empört: „Nach meiner Auffassung haben wir es hier klar mit einem Verstoß gegen den Vertrag von Almelo zu tun. Der schließt die Lieferung von Material für militärische Zwecke aus.“ Der Vertrag von Almelo ist die von Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden ausgehandelte Grundlage für den Betrieb von URENCO.

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Aber es geht nicht nur um Verträge und Paragraphen. Für den Wiener Risikoforscher Liebert hat der URENCO-Deal auch eine politische Dimension: „Das Problem bei der Nachproduktion von Tritium ist hauptsächlich, dass man dem größten Kernwaffenstaat der Welt garantiert, dass dieses Atomwaffenprogramm dauerhaft weiterexistieren kann.“

Uranlieferungen nur für friedliche Zwecke

Das widerspreche jedoch eindeutig den erklärten Zielen zur atomaren Abrüstung sowohl der niederländischen als auch der deutschen Regierung. Zwar liegen die deutschen Anteile an URENCO derzeit bei RWE und E.ON. Aber die Bundesregierung sitzt nach wie vor im Aufsichtsgremium, dem sogenannten „Gemeinsamen Ausschuss“.

Auf Anfrage des WDR erklärte das zuständige Wirtschaftsministerium: „Zusammen mit den im Gemeinsamen Ausschuss vertretenen Partnern Großbritannien und Niederlande ist es die ständige Politik der Bundesregierung, dass von der URENCO bearbeitetes Material allein der garantierten friedlichen Nutzung zugeführt wird.“

„Liefervorgang der Bundesregierung nicht bekannt“

Dieses Bekenntnis zur zivilen Ausrichtung von URENCO steht allerdings im Widerspruch zu dem jetzt bekannt gewordenen Vertrag mit der TVA. Die Bundesregierung erklärt das in ihrer Stellungnahme so: „Es handelt sich um einen (…) Liefervorgang innerhalb der USA. Dieser ist der Bundesregierung nicht bekannt.“

Das wäre nicht nur ungewöhnlich, sondern widerspräche auch der gängigen Praxis. Der frühere URENCO-Chef Helmut Engelbrecht hatte 2015 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche erklärt: „Alles, was mit angereichertem Uran und mit der Anreicherungstechnologie zu tun hat, ist Gegenstand der Überwachung und Kontrolle durch die Regierungen.“

„Verträge müssen gekündigt werden“

Genau diese Kontrolle scheint aber im Fall des URENCO-TVA-Deals nicht funktioniert zu haben. Die Schließung der Uran-Fabrik im westfälischen Gronau hat der Münsteraner Bundestagsabgeordnete der Linken, Hubertus Zdebel, schon oft gefordert. Die Anlage wird von der Firma URENCO betrieben.

Nun geht er einen Schritt weiter: „Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass Deutschland aus der Urananreicherung aussteigen muss. Und die Verträge von Almelo und Washington müssen meines Erachtens umgehend durch Deutschland gekündigt werden.“

RWE und E.ON am Deal nicht beteiligt?

Der Grüne Trittin will ebenfalls, dass Deutschland sich aus dem heiklen Geschäft der Urananreicherung zurückzieht: „Die ganze Veranstaltung macht in meinen Augen keinen Sinn. Es müsste einen klaren Schnitt seitens Deutschlands geben, dieses insgesamt zu beenden.“

Die deutschen Anteilseigner RWE und E.ON erklärten auf Anfrage, man sei am operativen Geschäft von URENCO nicht beteiligt. Eine Beteiligung am Zustandekommen des Vertrages mit der TVA wies RWE explizit zurück. Die Firma URENCO selbst hat auf unsere Anfrage nicht reagiert.

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html

 

 

Dse4Zdebel

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