Was geschieht mit dem Abfall beim Abbau der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums?
Was geschieht mit dem (radioaktiven) Abfall beim Abbau der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums? Darüber informiert der gemeinsam vom HZG und der Dialoggruppe verfasste aktuelle Newsletter. Seit Jahren läuft ein konsensorientierter Dialogprozess zur Stilllegung der alten Atomforschungsanlagen in Geesthacht, östlich von Hamburg. Der erfolgreiche Prozess führte inzwischen zur Nachahmung: Auch in Berlin zur Stilllegung des dortigen Forschungsreaktors ist ein ähnlicher Begleitprozess auf den Weg gebracht worden. Die Genehmigung für den beantragten Rückbau ist bislang nicht erteilt. In dem neuen Newsletter informierten die Dialogpartner über die Anforderungen beim Abbau von Atomanlagen und der Entsorgung von Reststoffen und radioaktiven Abfällen zwischen verschiedenen Entsorgungswegen. Beim Abbau der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums fallen insgesamt ca. 39.000 Tonnen an. Hierüber wurde in den letzten Monaten in der Dialoggruppe intensiv diskutiert. Den Stand der Diskussionen und weiterführende Informationen finden Sie hier bei der HZG oder in dieser PDF. Auch die Lüneburger Anti-Atom-Initiative LAGATOM informiert auf ihrer Seite.
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Dokumentation:
Newsletter „HZG im Dialog“ – Juli 2020
Was geschieht mit dem Abfall beim Abbau der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums?
Grundsätzlich ist bei dem Abbau von Atomanlagen und der Entsorgung von Reststoffen und radioaktiven Abfällen zwischen verschiedenen Entsorgungswegen zu unterscheiden. Beim Abbau der Atomanlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums fallen insgesamt ca. 39.000 Tonnen an. Hierüber wurde in den letzten Monaten in der Dialoggruppe intensiv diskutiert. Um den Stand der Diskussionen in diesem Newsletter darstellen zu können, werden die Definitionen der verschiedenen Wege der Entsorgung hier noch einmal aufgeführt:
Herausgabe
Grundsätzlich kann es sich hierbei um Stoffe handeln, die weder aktiviert noch kontaminiert sind und uneingeschränkt wiederverwendet, verwertet oder wie gewöhnlicher Abfall entsorgt werden. Jedoch ist die „Herausgabe“ nicht gesetzlich definiert. Wann und wo ist eine Herausgabe also möglich?
Wenn Regelungen oder Umstände existieren, die eine Kontamination oder Aktivierung von betrachteten Stoffen unmöglich machen und gemacht haben. Dies könnte zum Beispiel für Lampen, Rasenschnitte oder für Mobiliar aus dem Überwachungsbereich gelten.
„Von Seiten des Betreibers ist hierfür eine nachvollziehbare und plausible Argumentationskette hinsichtlich der Kontaminationsfreiheit aufzubringen, die in ihren Grundbehauptungen durch Unterlagen gestützt wird (Betriebshistorie)“, so das MELUND. „Weiterhin sind grundsätzlich beweissichernde Messungen durchzuführen, die die dargelegte Argumentationskette bestätigen.“
Uneingeschränkte Freigabe
Bei der „uneingeschränkten Freigabe“ werden die Reststoffe durch einen Verwaltungsakt der jeweils zuständigen Behörde aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen und können danach uneingeschränkt wiederverwendet, verwertet oder wie gewöhnlicher Abfall entsorgt werden. Stoffe können nur dann uneingeschränkt freigegeben werden, wenn durch Messungen nachgewiesen wurde, dass deren Aktivität die in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Freigabewerte für die uneingeschränkte Freigabe nicht überschreitet.
Spezifische Freigabe
Eine weitere Option ist die „spezifische Freigabe“. Hierbei handelt es sich um Reststoffe, die einer konventionellen Deponie oder Verbrennungsanlage zugeführt werden müssen, wenn sie die in der Strahlenschutzverordnung hierfür festgelegten Freigabewerte nicht überschreiten. Das bedeutet, dass durch ihre Freigabe für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine effektive Dosis im Bereich von 0,01 Millisievert (10 Mikrosievert) im Kalenderjahr auftreten kann.
Die spezifische Freigabe beinhaltet die Freigabe von festen oder flüssigen Stoffen zur Beseitigung, von Gebäuden zum Abriss und von Metallschrott zur Rezyklierung (Wiederverwertung). Zum jetzigen Zeitpunkt kann man davon ausgehen, dass auch im HZG die „spezifische Freigabe“ genutzt wird; in welchen Bereichen und Mengen dies der Fall sein kann, ist jedoch noch nicht entschieden.
Entsorgung als radioaktiver Abfall
Nicht wiederverwertbare und nicht freigebbare Materialien müssen als radioaktive Abfälle entsorgt werden. Bei den Stilllegungsabfällen handelt es sich um Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Die Abfälle müssen so lange zwischengelagert werden, bis das Endlager Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle zur Verfügung steht.
Bevor die anfallenden radioaktiven Abfälle in ein Zwischen- oder Endlager abgeliefert werden, müssen sie entsprechend behandelt (konditioniert) werden. Feste Abfälle werden zum Beispiel kompaktiert, um das Abfallvolumen zu reduzieren. Flüssige Abfälle werden in feste Produkte überführt, etwa durch Trocknung / Eindampfung oder Zementierung. Beim Transport der konditionierten Abfälle in ein Zwischenlager müssen die gesetzlichen verkehrsrechtlichen Bestimmungen beachtet werden. Zur Beförderung müssen für alle radioaktiven Stoffe spezielle Transportbehälter und Verpackungen verwendet werden.
Von den ca. 39.000 Tonnen Gesamtabbaumasse, die beim Abbau der kerntechnischen Einrichtungen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums anfallen, entfallen ca. 10.000 t auf die Herausgabe und Freigabe aus Bereichen, in denen nicht mit radioaktiven Stoffen umgegangen wurde, ca. 27.400 t auf den Entsorgungsweg Freigabe. Etwa 1.600 t werden als radioaktive Abfälle anfallen.
Mengenabschätzung von Reststoffen und radioaktivem Abfall, die beim Abbau der kerntechnischen Einrichtungen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums anfallen (in 1000 t)
Der HZG-Dialog hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit verschiedenen Aspekten der Freigabe beschäftigt.
Im ersten Schritt stand dabei die Frage im Raum, ob der zeitnahe Abriss der Gebäude wirklich notwendig ist oder ob es aus Sicht des Strahlenschutzes nicht sinnvoll sein könnte, diese noch einige Jahrzehnte stehen zulassen, bis eine mögliche Strahlenbelastung abgeklungen ist.
Um diese Frage zu beantworten, ließ das HZG in mehreren Gutachten die Option eines Einschlusses oder Teileinschlusses der Anlage prüfen. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass es baustatische und sicherheitstechnische Gründe gibt, die diese Varianten nicht sinnvoll erscheinen lassen.
Eine anlagenspezifische Prüfung hat belegt, dass es keine Alternative zum Abriss der Anlage gibt. In einem zweiten Schritt setzte sich die Begleitgruppe mit dem Verfahren auseinander, mit dem Betreiber, Gutachter und Aufsichtsbehörde sicherstellen wollen, dass die vorgegebenen Werte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden. Auch hier wurde externer, unabhängiger Sachverstand hinzugezogen.
Die Begleitgruppe ist dabei zu der Überzeugung gelangt, dass das Verfahren so angelegt ist, dass keine Stoffe mit einer höheren Kontamination versehentlich in die Freigabe gehen. Insbesondere konnte die Sorge ausgeschlossen werden, dass hier durch Vermischung unterschiedlicher Chargen die Grenzwerte eingehalten werden.
Das Restrisiko, dass durch individuelle Fehler entstehen könnte, wird durch den überwiegenden Einsatz von Eigenpersonal und das Vier-Augen-Prinzip minimiert.
Nach Einschätzung der Begleitgruppe ist das Vorgehen des HZG so angelegt, dass die Werte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden und keine höher kontaminierten Abfälle über die Freigabe das Gelände verlassen.
Dessen ungeachtet wird von der Begleitgruppe darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Grenzwerte unter Experten umstritten sind. Kritisiert wird hier vor allem, dass die Wirkung von Niedrigstrahlung nicht abschließend erforscht wurde und dass die Grundlage für die Ableitung des 10µSiv-Konzeptes veraltet sei. Die Zweifel an der Gültigkeit der Grenzwerte bleiben bestehen.
Hier würde sich die Begleitgruppe eine Anpassung der Gesetzgebung auf Bundesebene wünschen, die in Teilen auch eine weitere Erforschung der Auswirkung von Niedrigstrahlung voraussetzen würde.
In der weiteren Diskussion hat sich für den Begleitprozess gezeigt, dass es notwendig ist, die unterschiedlichen Freigabepfade getrennt zu betrachten. Nach intensiver Diskussion und mit Unterstützung zweier Sachverständiger ist die Begleitgruppe zu der Überzeugung gekommen, dass von Abfällen aus Anlagenbereichen, in denen während des Forschungsbetriebes nicht mit offener Radioaktivität gehandhabt wurde, keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgehen kann. Dennoch schreiben die Verfahrensvorschriften für diese Abfälle – sicherlich zu recht – Kontrollmessungen vor. HZG sichert zu, diese im laufenden Rückbau vorzulegen. Diese Zusage bewertet die Begleitgruppe positiv.
Gegen die Herausgabe von Abfällen aus Bereichen, in denen nicht mit radioaktiven Stoffen gearbeitet wurde, hat die Begleitgruppe keine Vorbehalte. Gemäß Abschätzung von HZG beträgt dieser Anteil ca. 10.000 t.
Für die Abfälle, die über das Freigabeverfahren entsorgt werden sollen, gibt es noch keinen abschließenden Konsens zwischen Begleitgruppe und HZG. Einig ist man sich darüber, dass hier eine standortnahe Lösung gefunden werden sollte. Ein Transport der Abfälle „quer durch die Republik“ sollte ausgeschlossen werden. Bedenken bestehen vor allem gegen die Entsorgung eines Teils des Bauschutts über das normale Bauschuttrecycling ohne weitere Dokumentation.
Über den Umgang mit dem Freigabemüll gibt es bisher noch keinen Konsens. HZG ist durchaus bereit, hier über alternative Lösungen zu diskutieren, soweit sich diese im gesetzlichen Rahmen bewegen.
Bei den spezifisch zur Deponierung freigegebenen Abfällen stehen für die Begleitgruppe weiterhin die Fragen im Raum, ob „normale“ Bauschuttdeponien ausreichenden Schutz und Abschirmung vor der – wenn auch geringen – Strahlung bieten können. Aktuell sehen die Pläne des MELUND für die spezifisch zur Deponierung freigegebenen Abfälle unter anderem die Deponie in Wiershop vor. Relativ neu liegt in diesem Zusammenhang eine Studie über die Eignung der Deponie vor. Diese Ergebnisse sollten der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Der HZG Dialog wird sich hier in die Diskussion aktiv mit einbringen.