Atomgefahren, Terrorschutz und Einschränkungen demokratischer Bürgerrechte: Das ist aus der Perspektive der Öffentlichkeit Kernstück der 17. Änderung des Atomgesetzes, die jetzt in den Bundestag eingebracht wird. Ziel der Novelle ist es, die geheimen staatlichen Abwehrmaßnahmen bei Atomanlagen gegenüber Gerichten und Klagenden Bürger*innen weiter zu stärken. Eine atomrechtliche Prüfung wird damit eingeschränkt. Nachdem der BUND und Greenpeace den Referentenentwurf mit einer Stellungnahme des Rechtsanwalts Wollenteit massiv kritisiert hatten, liegt nun eine leicht entschärfte Kabinettsfassung vor. Doch auch diese stärkt vor allem die Position der staatlichen Atomverwaltung. Am 5. Mai soll der Entwurf im Umweltausschuss des Bundestages öffentlich angehört werden.
- Der jetzt vorliegende Entwurf der 17. ATG-Novelle ist hier beim BMU online. Der Referentenentwurf und die dazu vorliegenden Stellungnahmen der Länder sowie der vom Rechtsanwalt Wollenteit verfassten Kritik im Auftrag von BUND und Greenpeace sind hier beim BMU online. UmweltFAIRaendern hatte hier und hier zu dem Thema berichtet.
- Geheimsache SEWD: Zwischenlager, Atomtransporte und der Terrorschutz
In den letzten Jahrzehnten sind die Nuklear-Anlagen – vor allem Atomkraftwerke und Zwischenlager mit hochradioaktiven Abfällen – immer mehr zum Terrorziel geworden. Seit den Anschlägen von 911 haben – veranlasst durch entsprechende Risikoanalysen der Sicherheitsbehörden – schrittweise massive Nachrüstungen an den Atomanlagen stattgefunden bzw. sind noch immer in der Umsetzung. Teilweise sind diese sichtbar – wie z. B zusätzliche Mauern bei den Zwischenlagern. Die Anforderungen sind teilweise so groß, dass z.B. am Standort Lubmin der komplette Neubau eines Zwischenlagers in Angriff genommen werden musste, weil die erforderlichen baulichen Maßnahmen am bestehenden Gebäude nicht umgesetzt werden können.
Auch Atomtransporte mit hochradioaktiven Materialien unterliegen heute erheblich höheren Sicherungs- und Sicherheitsmaßnahmen als noch vor 10 Jahren. Straßentransporte mit hochradioaktiven Materialien z.B. aus Jülich oder Garching nach Ahaus sind derzeit gar nicht möglich, weil die dafür erforderlichen neuen und extrem gepanzerten Fahrzeuge erst noch gebaut werden müssen.
Das Problem: Je mehr Terrorschutz und Geheimhaltung die Behörden betreiben, desto mehr bleiben Kontrollmöglichkeiten für die Bürger*innen und Gerichte möglicherweise auf der Strecke. Atomenergie und Demokratie passen nicht wirklich zusammen.
Hintergrund bzw. Anlass für die Atomgesetzänderung ist vor allem das Urteil zur Aufhebung der Genehmigung für das Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll am AKW Brunsbüttel. Die Richter hoben nach einem über zehnjährigen Verfahren schließlich die Genehmigung auf, weil bestimmte Sachverhalte fehlerhaft von den Behörden ermittelt worden waren und in bestimmen Punkten Nachweise fehlten. Bis heute wird das Zwischenlager mit dem hochgefährlichen Atommüll nur per Verwaltungsanordnungen, aber nicht mehr nach Atomrecht betrieben.
Letzter Punkt, so die Argumentation der Behörden – in diesem Fall das heutige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung – ist der Geheimhaltung geschuldet: In den letzten Jahrzehnten haben die Terrorgefahren immer mehr zugenommen und zu massiven staatlichen Gegenmaßnahmen geführt. Das geht soweit, dass selbst Gerichte keinen Einblick mehr in diese Abwehrmaßnahmen nehmen dürfen und damit Überprüfungen nicht mehr möglich sind. Mit einer weiteren Stärkung der staatlichen Befugnisse – dem sogenannten Funktionsvorbehalt – soll hier aus Sicht der schwarz-roten Bundesregierung Abhilfe geschaffen werden.
- Auch in den Bereichen mit anderen radioaktiven Materialien wurden zum Jahreswechsel neue Terrorschutzmaßnahmen per Verordnung in Kraft gesetzt. Siehe dazu den Blog UmweltFAIRaendern: Neue Richtlinie zum nuklearen Terrorschutz tritt in Kraft: Sicherung radioaktiver Medizin-Stoffe gegen Diebstahl, Sabotage und die „schmutzige“ Bombe