Atomausstieg: Bundesregierung knickt ein – Vattenfalls Erpressungsmanöver per Schiedsgerichtsklage finanziell erfolgreich

Bei der Entschädigung der Atomkonzerne für den Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe versteckt die Bundesregierung die tatsächlichen Kosten für die Steuerzahler*innen, die Vattenfall mit der vermutlich sogar unzulässigen Klage vor dem Internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington durchgesetzt hat. Allein nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wäre eine deutlich geringere Entschädigung zu zahlen. In dieser Sicht sieht sich der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (DIE LINKE) jetzt auf Grundlage einer Stellungnahme von Prof. Dr. Wolfgang Irrek vom Institut Energiesysteme und Energiewirtschaft der Hochschule Ruhr West bestärkt. In einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) fordert der Abgeordnete mehr Informationen.

Mit der jetzt im Bundestag zur Entscheidung anstehenden 18. Atomgesetzänderung (Drs. 19/28682) und einem zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag (Drs. 19/29015) sollen insgesamt rund 2,5 Mrd. Euro aus Steuermitteln an die Konzerne gezahlt werden. Dieser Betrag ist mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus Sicht von Hubertus Zdebel deutlich überhöht und nicht nachvollziehbar. Das Gericht hatte in seinem Urteil von Dezember 2016 betont, dass die Entschädigung „nicht zwingend dem vollen Wertersatz entsprechen muss“. Auch ein Bericht des Bundesumweltministeriums (BMU) zur letzten Sitzung des Umweltausschusses (siehe unten), mit dem Zdebel und die Fraktion DIE LINKE explizit weitere Informationen verlangt hatten, hat kein Licht in die Sache gebracht.

Daher hat der MdB den Experten Prof. Dr. Wolfgang Irrek um eine Bewertung gebeten. Irrek kommt auf Basis der öffentlich zugänglichen Daten zu dem Fazit: „Nach dieser überschlägigen Abschätzung sind die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten Ausgleichszahlungen an RWE und Vattenfall in ihrer Höhe nicht nachvollziehbar.“

  • Die „überschlägige Abschätzung“ zur „Höhe der Ausgleichszahlung für nicht mehr verstrombare Strommengen im Zuge des deutschen Atomausstiegs“ von Prof. Dr. Wolfgang Irrek ist hier als PDF downloadbar.

Der Grund für diese drastische Erhöhung der Entschädigung liegt in dem hohen Preis, den die Bundesregierung für die Reststrommengen mit den Atomkonzernen verabredet hat. In seiner Bewertung kommt Prof. Dr. Wolfgang Irrek bei diesen Zahlungen zu der Feststellung: „Sie liegen mit 33,22 Euro/MWh (vor Steuern) für die nicht mehr verwertbaren Strommengen mehr als doppelt so hoch wie der hier abgeschätzte entgangene Zahlungsüberschuss (vor Steuern) in Höhe von 15,59 Euro/MWh und auch  deutlich höher als die hier grob abgeschätzten entgangenen Deckungsbeiträge in der Spanne zwischen 13,73 Euro/MWh und 24,47 Euro/MWh.“

In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (PDF) fordert Zdebel jetzt mehr Transparenz. Dazu gehört insbesondere die Veröffentlichung einer in der Begründung des Gesetzentwurfs erwähnten Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton, die dem Wirtschaftsministerium vorliegt, um die Ausgleichzahlungen zu bewerten. (Siehe dazu auch den Bericht des BMU unten.)

Für Hubertus Zdebel ist bislang klar: „Ohne dass die Bundesregierung das kenntlich macht, erhöht sich die Entschädigung vor allem für Vattenfall und RWE um fast das Doppelte als nach dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil erforderlich. Dafür ist vor allem die Vattenfall-Klage vor dem internationalen Schiedsgericht verantwortlich. Dieser Investorenschutz ist unanständig und gehört endlich abgeschafft. Dass diese Kosten verschleiert werden, ist ein deutlicher Hinweis, dass die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD offenbar auch in Zukunft diesen nicht zu rechtfertigenden Investorenschutz erhalten wollen.“

  • Hubertus Zdebel und die Fraktion DIE LINKE hatten bereits zur letzten Sitzung des Umweltausschusses einen Bericht von der Bundesregierung zur Höhe der Entschädigung verlangt. Der Bericht für die Umweltausschusssitzung am 5. Mai 2021 ist hier als PDF online.

Zum Hintergrund: 

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatte die damalige CDU/CSU und FDP-Bundesregierung 2011 die eben erst beschlossene Laufzeitverlängerung für AKW’s revidiert und den schrittweisen Atomausstieg beschlossen. Als Reaktion darauf klagten die Atomkonzerne vor dem Bundesverfassungsgericht auf eine Entschädigung. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall klagte zusätzlich nach der Energie-Charta auch vor einem fragwürdigen internationalen Schiedsgericht in Washington (ICSID) in Washington. Die EU-Kommission hatte die Klage kritisiert, weil ein Unternehmen aus einem EU-Staat gegen Maßnahmen von EU-Staaten nicht vor dem ICSID klagebefugt sei.

Im Dezember 2016 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass der Atomausstieg rechtlich einwandfrei wäre, aber den Unternehmen in begrenztem Umfang Entschädigungen zustünden.

Eine dafür beschlossene 16. Atomgesetz-Novelle ist von Vattenfall vor dem Bundesverfassungsgericht – erfolgreich – beklagt worden. Dieses Urteil vom November 2020 soll angeblich nun mit der 18. Novelle abgearbeitet werden.

 

Dse4Zdebel

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