Statt Sicherheit: Atommüll-Exporte aus Jülich in die USA – Behörden vor Gericht

Absurder geht immer: Die staatliche Atommüll-Entsorgungsgesellschaft in Jülich (JEN) klagt vor Gericht gegen das staatliche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), ob Uran-Brennelemente-Kugeln und möglicherweise über 150 Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll in die USA exportiert werden dürfen. Auf Nachfragen des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) hatte das JEN laut Antwort der Bundesregierung in erster Instanz vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht Erfolg. BAFA hat Berufung beantragt. Anlass der Klage war ein Antrag des JEN, 33 unbestrahlte Brennelemente-Kugel mit hochangereichertem Uran zu Versuchszwecken in die USA zu exportieren. Damit sollen Verfahren geprüft worden, den in Jülich unzureichend sicher gelagerten hochradioaktivem Atommüll aufzubereiten.

Bundes- und NRW-Landesbehörden streiten seit Jahren über den Umgang mit dem brisanten Material, das derzeit in der ehemaligen Atomforschungsanlage in Jülich unzureichend gesichert zwischengelagert ist. Beteiligt an dem unsäglichen Streit sind die Bundesministerium für Forschung und das Bundesumweltministerium sowie Ministerium im Bundesland NRW. Die die Betreibergesellschaft JEN ist zu 100 Prozent im staatlichen Eigentum. JEN hatte einen Antrag beim BAFA gestellt und eine Transportgenehmigung beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) gestellt. Der Transportantrag wurde zurückgezogen. Der Streit vor Gericht dauert an.

Der Umgang mit dem hochradioaktiven Material aus dem kommerziell genutzten Thorium-Reaktor AVR in Jülich ist skandalös. Seit 2014 fehlt die atomrechtliche Genehmigung für die Lagerung der Atomabfälle. Das Land NRW hatte die umgehende Räumung angeordnet, weil der Nachweis einer ausreichenden Erdbebensicherheit nicht gegeben ist. Die Betreiber wollen den Atommüll am liebsten in die USA exportieren. Dort soll das brisante und hochangereicherte Atommaterial wieder aufgearbeitet werden. Das wäre eigentlich illegal und ist laut Atomgesetz verboten. Um dieses Verbot zu umgehen, behaupten Betreiber und teilweise auch das Bundesforschungsministerium und Landesbehörden in NRW, es handelte sich beim AVR um einen Forschungsreaktor. Zu Forschungszwecken wären dann Exporte in die USA evt. möglich. Das BMU hält das bislang nicht für zulässig und hatte zuletzt ein weitere Zwischenlagerung in Ahaus als “schnellste Lösung” bezeichnet. Und immer noch in der Prüfung ist, ob ein neues Zwischenlager in Jülich gebaut werden könnte.

DIE LINKE hatte sich in den letzten Jahren mehrfach gegen einen US-Export und gegen Atomtransporte nach Ahaus ausgesprochen und den Neubau einer Lagerhalle in Jülich gefordert und entsprechende Anträge im Bundestag gestellt.

Dokumentation: Frage 9/248, MdB Hubertus Zdebel, Fraktion DIE LINKE: 

„Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand bzw. Ergebnisse
der Prüfung, ob es zulässig wäre, die abgebrannten Brennelemente aus dem
Betrieb des kommerziell zur Stromerzeugung genutzten AVR Jülich nach
geltendem bundesdeutschen Recht in die USA zu exportieren, und welche
weiteren Prüfungs-Ergebnisse liegen inzwischen vor, die zu einer Klärung
der Frage führen, wo die weitere Lagerung (neben der Prüfung eines Exports
in die USA: Transport ins ZL Ahaus, Neubau einer ZL-Halle in Jülich
oder Nachrüstung der bestehenden Halle) dieser Brennelemente künftig erfolgt
(siehe dazu z.B. Antwort der Bundesregierung auf die die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/1385)?“

Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im
Bundesumweltministerium, Mitglied des Deutschen Bundestages, 20.September 2021:

Die JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH hatte im
Jahr 2018 Klage gegen den Bund, vertreten durch das Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle (BAFA), auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung
von 33 unbestrahlten Brennelementen in die USA erhoben. Diese sollten
ursprünglich in einem Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor auf dem
heutigen Betriebsgelände der Klägerin, der von der Arbeitsgemeinschaft
Versuchsreaktor GmbH (AVR) in Jülich betrieben wurde, eingesetzt werden.

Die Klägerin betreibt den Rückbau der Nuklearanlagen am Standort Jülich
und die Entsorgung der angefallenen und noch anfallenden radioaktiven
Abfälle, insbesondere von rund 288.000 bestrahlten („abgebrannten“)
Brennelementen des AVR-Reaktors. Das BAFA hatte in seinem Vortrag auf
diese Bezug genommen und vorgetragen, das Exportverbot nach § 3 Abs. 6
Atomgesetz gelte in diesem Fall auch für die 33 unbestrahlten Brennelemente,
da deren Ausfuhr ausschließlich der Vorbereitung der Ausfuhr der
rund 288.000 bestrahlten Brennelemente insgesamt dienen solle.

Der Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt a.
M. vom 20. November 2020 stattgegeben, d. h. das BAFA wurde verpflichtet,
die Genehmigung zu erteilen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da
das BAFA gegen die Entscheidung einen Antrag auf Zulassung der Berufung
gestellt hat.

Die Zulässigkeit einer Ausfuhr der rund 288.000 bestrahlten Brennelemente
wurde in dem Verfahren vom VG Frankfurt a. M. als nicht entscheidungsrelevant
offen gelassen und somit nicht abschließend geklärt.

Zu der Frage der weiteren Lagerung gilt, dass für die drei Optionen (Verbringung
ins Behälterzwischenlager Ahaus (BZA), Rückführung in die USA
sowie Neubau eines Zwischenlagers am Standort Jülich) zur Entfernung der
abgebrannten Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager weiterhin die
notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen. Auch das Verfahren für eine
Neugenehmigung des bestehenden Lagers ist noch nicht abgeschlossen.

Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde, das Ministerium für Wirtschaft, Innovation,
Digitalisierung und Energie Nordrhein-Westfalen (MWIDE), sieht
zum jetzigen Zeitpunkt keine der Optionen als unmittelbar umsetzbar an.

Dse4Zdebel

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