Atomforschungsreaktor München Garching: Neuer Uranbrennstoff unterhalb der Atomwaffenfähigkeit in der Entwicklung

Atomforschungsreaktor München Garching: Neuer Uranbrennstoff unterhalb der Atomwaffenfähigkeit in der Entwicklung

Die Entwicklung neuartiger Brennelemente unterhalb der als atomwaffenfähig geltenden Anreicherung von spaltbarem Uran235 von weniger als 20 Prozent für den weiteren Betrieb des Atomforschungsreaktors in München-Garching geht in die praktische Entwicklung. Ende Juni waren „unbestrahlte metallische Folien“ per Atomtransport in München eingetroffen, die mit spaltbaren Uran mit 19,75 Prozent Anreicherunug beschichtet sind. Die werden in München jetzt weiter verarbeitet. In weiteren Schritten, die dann wieder in Frankreich erfolgen, sollen neue Uranbrennstoff-Platten mit monolithischen Uran-Molybdän entstehen. Für 2024, so teilte die Pressestelle des Forschungsreaktors von der TU München mit, soll eine Testbestrahlung im belgischen Reaktor BR2 erfolgen. Bislang werden in dem für Reparturen immer noch abgeschalteten Forschungsreaktor FRM II Uran-Brennelemente mit atomwaffenfähig angereichertem Uran von deutlich über 80 Prozent genutzt. Seit Jahren ist eine Umrüstung auf geringer angereicherten Brennstoff überfällig. (Foto: Betreiber, W.-Schuermann-TUM)

Der Atomforschungsreaktor der Technischen Universität in München Garching, der FRM II, steht seit Jahren auch wegen des Einsatzes dieser hochangereicherten Uran-Brennstoffplatten in der Kritik. (Siehe z.B. hier bei der SZ) Die USA haben in der Planungsphase massiv gedrängt, den Reaktor so auszulegen, dass er mit Uran-Brennstoff unterhalb einer Anreicherung von 20 Prozent gefahren werden könnte. Als Bundesregierung und Bayern auf diese Forderungen nicht eingingen, verweigerten die USA die Lieferung von entsprechend atomwaffenfähigem Uran. Kurzerhand wurde darauf hin der erforderliche Brennstoff aus Russland besorgt. Die Fertigung der Brennelemente erfolgt konkret in einer Anlage vom Framatome in Romans sur d`Isere.

In den Genehmigungsauflagen des FRM II ist festgelegt, dass eine deutliche Reduzierung der Anreicherung zu erfolgen habe. Die dafür vorgeschriebenen Fristen wurde aber vom Betreiber über viele Jahre immer wieder „gerissen“. Die bayerische Atomaufsicht aber auch Bundesbehörden ließen das zu. Der BUND in Bayern hatte deshalb auf den Entzug der Betriebsgenehmigung für den Forschungsreaktor Klage eingereicht.

Erst vor wenigen Jahren konnten mit neuen Berechnungsverfahren und Techniken offenbar die Voraussetzungen geschaffen werden, dass eine Uran-Anreicherung von unterhalb 20 Prozent für neuen Brennstoff rechnerisch möglich wurde, ohne das damit  wesentliche bauliche Änderungen an der Anlage erforderlich würden. Solche Umbauten bzw. andere Brennstoff-Konfigurationen hatten die Betreiber ausgeschlossen, da diese angeblich die Forschung behindert hätten.

Jetzt teilte die Pressestelle der TU für den FRM II auf Anfrage von umweltFAIRaendern mit: „Die unbestrahlten Folien, die am 28.6. am FRM II angekommen sind, enthalten monolithisches Uran-Molybdän mit 19.75% Anreicherung an U-235 (LEU). Wir befinden uns im Pilotprozess für die Fertigung dieses neuen Kernbrennstoffs.“ (LEU – Low enriched Uranium, damit ist eine Anreicherung des spaltbaren Uran235 gemeint. Über 20 Prozent gilt angereichertes Uran235 als atomwaffenfähig und wird als HEU bezeichnet, high enriched uranium).

Weiter teilte Andrea Voit von der Pressestelle mit: „In unserem Kernbrennstofflabor werden die Folien mit einer Diffusionsbarriere beschichtet. Dann werden sie zurück nach Frankreich zu Framatome geschickt, wo sie weiter zu Brennstoffplatten verarbeitet werden. Wenn das erledigt ist, ist für 2024 eine Testbestrahlung im belgischen Reaktor BR2 geplant. Ziel des Pilotprojektes ist es, monolithisches UMo allgemein zu qualifizieren.“

Zusätzlich betont die Sprecherin: Es ist „das erste Mal, dass diese Platten in Europa in voller Größe testbestrahlt werden. Und auch zum ersten Mal, dass alles zu 100% aus europäischer Fertigung stammt.“

Im April hatten das Wirtschaftsministerium in Bayern grundsätzlich die Planungen und Vorbereitungen für den neuen Uran-Brennstoff begrüßt. Auch aus den USA gab es eine entsprechende Reaktion, wie in einem der o.g. Texte nachzulesen ist. Dort heißt es im April 2023:

„Corey Hinderstein, Deputy Administrator for Defense Nuclear Nonproliferation der National Nuclear Security Administration des US-Energieministeriums sagte: „Die Vereinigten Staaten begrüßen die Entscheidung Deutschlands, der Technischen Universität München und des Freistaats Bayern, niedrig angereicherte Uranbrennstoffe für den FRM II-Reaktor einzuführen. Diese Entscheidung beweist ihr ernsthaftes Engagement bezüglich der Minimierung von hochangereicherten Brennstoffen und wurde erst nach Jahren der technischen Analyse möglich, um die technische Grundlage für diese historische Ankündigung zu schaffen. Die National Nuclear Security Administration des United States Department of Energy freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit der TUM hinsichtlich dieses Umrüstungsprojekts. Uns ist bewusst, dass eine rechtzeitige und erfolgreiche Umstellung von FRM II essentiell für die Zukunftsfähigkeit und den langfristigen Betrieb des Reaktors ist.““

Trotzdem: Bis etwa Mitte 2024 ist der FRM noch für die laufenden Reparaturen abgeschaltet und ob sich die Erwartungen in der weiteren Entwicklung und Testphase für den neuen Brennstoff erfüllen werden, muss sich noch herausstellen. Bis dahin dürften die neue Uran-Platten aber lange nicht einsatzfähig sein. Neue Uran-Brennstoffplatten vom bisherigen Typ mit hochangereichertem Uran sind ebenfalls vor wenigen Wochen von Frankreich in Garching per LKW antransportiert worden.

Die nuklearen Risiken, wie die ungelöste Atommüllentsorgung bleiben, auch wenn es ein wichtiger Schritt wäre, dass wenigstens auf atomwaffenfähiges Uran verzichtet würde. Und:Weltweit laufen im Zuge der Entwicklung neuen Reaktorkonzepte die Vorbereitungen für die Herstellung von neuartigen Uranbrennstoffen um die 20 Prozent Uran235 bzw. knapp darunter, z.B. für die sogenannten Small Modular Reactors – SMR. Die Menge das FAST-Atomwaffen-Urans wird damit möglicherweise massiv wachsen und damit die nuklearen Gefahren weiter anwachsen. Siehe dazu mehr unter dem Stichwort HALEU auf umweltFAIRaenern.de

In einem weiteren Kontext ist der Forschungsreaktor bundesweit derzeit auf der Agenda: Vor Ort in München-Garching ist das Lager mit den verbrauchten hochradioaktiven Brennelementen nahezu voll. Geplant ist, dass dieser brisante Atommüll mit rund 130 Tonnen schweren speziell gepanzerten LKW in das Zwischenlager nach Ahaus transportiert werden soll.

Dirk Seifert

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