Atomforschung: „Nuklearbrennstoffentwicklung in Karlsruhe vor dem Aus?“

Atomforschung: „Nuklearbrennstoffentwicklung in Karlsruhe vor dem Aus?“

Atomenergie – in Deutschland Geschichte? Nein. Nicht nur in Lingen und Gronau sind z.B. unbefristet Uranfabriken weiterhin in Betrieb. Außerdem sind an mehreren Standorten immer noch Forschungsreaktoren „online“. Der größte davon, der sogenannte FRM II gehört zur TU München in Garching. Und am Standort Karlsruhe wird im Rahmen von Programmen der EU Forschung und Entwicklung von Nuklearbrennstoffen betrieben. Dazu wird das sogenannte Joint Research Centrum seit Jahren betrieben und ausgebaut, früher bekannt als „Institut für Transurane“. Im JRC soll künftig unter anderem mit großen Mengen Plutonium gearbeitet werden. Gearbeitet wird mit dem brisanten Material dann hinter Bleiglas und und dicken Betonwänden per Fernhantiertung, – in sogenannten Heißen Zellen. Der Ausbau einer neuen Betriebshalle ist aber offenbar weit hinter dem ehemals vorgesehenen Zeitplan zurück. Auch die Sicherheit bzw. Sicherung der Lagerung hochradioaktiver Stoffe könnte damit hochproblematisch sein. Darüber haben die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe und die dortige BUND Ortsgruppe in einer Presseerklärung berichtet.

Dokumentation: Anti-Atom-Initiative Karlsruhe und BUND Ortsgruppe Karlsruhe

Nuklearbrennstoffentwicklung in Karlsruhe vor dem Aus?

Medienmitteilung Karlsruhe, 16.11.2023

Neuigkeiten aus dem Joint Research Centrum Karlsruhe (JRC, ehemals ITU = Institut für Transurane) auf dem Gelände des KIT Nord (ehemals Kernforschungszentrum Karlsruhe). Benutzung der sicheren Lager- und Forschungsstätte: Flügel ‚M‘ in JRC wird sich um einige Jahre verzögern. Das JRC vereinigt am Standort Karlsruhe den größten Teil der ‚Forschung und Anwendung‘ der europäischen Gemeinschaft in Sachen Atom.

Genehmigt sind dort die Lagerung von vielen radioaktiven Stoffen in erheblichen Mengen: 180 kg Plutonium, 359 kg Uran, 450 kg Thorium, 30 kg Neptunium und und und … Das sind große Mengen Nuklearmaterial für eine Forschungseinrichtung. Sie bedürfen einer sicheren Lagerung. Diese sollte durch den Neubau des Flügels ‚M‘ sichergestellt werden.* Wir erwarteten beim Tag der Offenen Tür des JRC (14.10.2023), dass wir ein fertiggestelltes Gebäude besichtigen dürften. Weit gefehlt. Es sah fast genauso aus wie vor 3 Jahren. Nur auf den 2 m dicken Beton-Außenwänden war eine Verkleidung angebracht worden. Innen waren die Wände gestrichen, ansonsten fehlte die Innenausstattung völlig.

Die neue Chefin des JRC, Frau Dr. Engelmann, und ihre sehr kooperativen MitarbeiterInnen erklärten uns den Stand des Baus. Die Firma, die den Innenausbau durchführen sollte, hatte die Kosten erhöht, die von der EU so nicht mehr akzeptiert wurden. Der Vertrag wurde aufgelöst. Nun soll die Neuausschreibung der gesamten Inneneinrichtung des Gebäudes ‚M‘ noch im Dezember 2023 stattfinden. Die Lagerung der hochradioaktiven Stoffe im jetzigen Gebäude wird als besorgniserregend gesehen.

Das war aber nicht die einzige Überraschung für uns Mitglieder des BUND und der Anti-Atom-Initiative Karlsruhe. Unsere Kritik am JRC betraf immer vorwiegend der Forschung an ‚neuen‘ Brennstoffen für neue Atomreaktoren, die in den heißen Zellen (in diesen kann hinter dicken Bleiwänden mit radioaktiven Stoffen hantiert werden) des JRC durchgeführt wurden. Das Ergebnis sind ‚Brennstäble‘ (nur etwa 30 cm groß im Gegensatz zu echten Brennstäben von bis zu 3 m) mit einer neuen Art von Atombrennstoffen für neue Atomkraftwerke, die dann in ausländischen Atomkraftwerken zur Bestrahlung gebracht und dann weiter untersucht wurden.

Wir forderten seit vielen Jahren, diese Forschung in Karlsruhe einzustellen, weil Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen ist und somit keine Gefährdung durch radioaktive Transporte und radioaktive Emissionen von der Bevölkerung akzeptiert wird. Nun haben wir erfahren, dass die alten heißen Zellen des JRC ‚gesäubert‘ werden und vorhandenes Nuklearmaterial an die ‚Auftraggeber‘ zurückgesandt werden soll. Die Frage, ob in dem Neubau ‚M‘ neue heiße Zellen eingebaut werden und damit die Forschung an Brennstoffen fortgeführt wird, wurde von der Chefin des JRC nicht eineindeutig beantwortet. Wir hatten den Eindruck, dass die Entscheidung darüber in Brüssel noch nicht gefallen ist.

Anete Wellhöfer und Harry Block fordern die Bundes- und Landesregierung Baden-Württemberg auf, sich in Brüssel für die Einstellung dieses Forschungsbereichs in Karlsruhe einzusetzen.

Das wäre ein Gewinn für die anderen, wichtigen Forschungsbereiche des JRC am Standort Karlsruhe und vor allem ein Gewinn an Sicherheit für die Region, weil die Lagerung und Handhabung von so großen Mengen Nuklearmaterial nicht mehr notwendig wäre.

Anti-Atom-Initiative Karlsruhe, Anete Wellhöfer, www.anti-atom-ka.de, E-Mail: initiative@anti-atom-ka.de
BUND Karlsruhe, Harry Block, bund.karlsruhe@bund.net

*2011 war ein Mediationsverfahren mit unserer Beteiligung für den Flügel ‚M‘ durchgeführt worden.
Zur Erinnerung: Während dieses Mediationsverfahrens (12.9. – 21.11.2011) wurde deutlich, dass im ITU an Brennstoffen für neue Atomreaktoren (Generation IV) gearbeitet wurde. ITU-Chef Prof. Dr. Fanghänel („Nur wir können das“) wurde anschließend im JRC Brüssel Hauptberater für die Generation IV. Seine Nachfolgerin in Karlsruhe, Dr. Maria Betti, antwortete auf Nachfragen bei den Karlsruher Atomtagen lediglich: „Wir machen nur, was Brüssel sagt.“

Ansprechpartner: Harry Block, Phone: 0171 5359473, E-Mail: harryblock1@t-online.de

Dirk Seifert

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