Atomforschungsreaktor TU München: Bleibt wegen Defekten abgeschaltet, unterschreibt neue Uran-Verträge mit Framatome und steht im Juni vor Gericht
#Neuartige Brennelemente von Framatome für Atomforschungsreaktor in München – Einsatz frühestens 2028 # Betrieb rechtswidrig? Am 17. Juni wird vor Gericht in München Klage des BUND Bayern auf Widerruf der Genehmigung gegen FRM2 verhandelt. # Reparaturen komplexer als gedacht: Abschluss der Arbeiten erneut verschoben – frühestens 2025 erneute Inbetriebnahme.
Ausgerechnet die bayerische „MUH“ hatte schon vor Wochen (und also auch umweltFAIRaendern) in ihrer 52. Ausgabe berichtet, dass der Atomforschungsreaktor München 2 (FRM2) der „Technischen Universität München“ (TUM) entgegen bisheriger Planungen nicht mehr in diesem, sondern frühestens im Jahr 2025 wieder in Betrieb gehen kann. Nach einem Störfall mit Freisetzung von Radioaktivität waren weitere technische Schäden entdeckt worden, die zu einem weiteren Stillstand führten und überaus anspruchsvolle Reparaturen erforderlich machten.
Das ist jetzt auch der Süddeutschen zu entnehmen, die außerdem berichtet, dass die TUM mit dem französischen Atomkonzern Framatome dieser Tage einen neuen Vertrag zur Entwicklung neuer Brennelemente unterzeichnet hat, die nicht mehr atomwaffenfähig angereichert sein sollen. Allerdings frühestens in vier Jahren – oder später – könnten diese einsatzfähig sein. Folien mit auf 19,25 angereichertem Uran235 waren im letzten Jahr aus Frankreich nach Garching geliefert worden. Im weiteren Verlauf der Entwicklungsarbeiten werden diese Folien später in Belgien bestrahlt, um zu testen, ob sie den Anforderungen genügen, die die Atomforscher in München haben wollen.
Diese bis heute fehlenden nicht atomwaffenfähigen Brennelemente in Garching sind u.a. Anlaß für eine Klage, die nunmehr am 17. Juni in München vor Gericht verhandelt wird. BUND und andere sind der Auffassung, dass der nukleare Forschungsreaktor seit Jahren rechtswidrig betrieben werde. Die USA hatten es bei der Planung und beim Betrieb des Reaktors in München damals abgelehnt, dass dort hochangereichertes Atomwaffen-Materials als Brennstoff zum Einsatz kommen sollte. Doch Bundesregierung und Bayern hielten an den Plänen fest, selbst als die USA erklären, dass sie nicht liefern würden. Daher wurde das hochangereicherte Material in Russland beschafft und in Frankreich entsprechend zu Brennstoffplatten verarbeitet.
Auszugehen ist davon, dass die Aktivitäten der TUM rund um die Entwicklung neuer Brennelemente unterhalb der Schwelle zur Atomwaffenfähigkeit unter dem Druck der Klage des BUND erfolgt. Ob es allerdings ausreichend ist, dass jetzt erst mit vielen Jahren Verspätung diese neue Brennelemente entwickelt werden, deren Einsatz vor 2028 kaum möglich sein werden, ist zumindest fraglich und dürfte auch für das Gericht relevant sein.
Eine Option, die Urananreicherung in den Brennelementen für den FRM2 schnell zu reduzieren, wird von der FUM seit Jahren ausgeschlossen oder gar ignoriert: Würden die Ansprüche an die Forschungsbreite und Intensität reduziert, könnte ein schnellerer Umstieg auf nicht mehr atomwaffenfähige Brennstoffe möglich sein. Doch davon will man offenbar nicht nur an der TUM nichts wissen.
Aus Sicht von NRW könnten die Verzögerungen in München Garching einen Vorteil haben: Weil die Produktion von neuem Atommüll dort nun seit Jahren nicht mehr stattfindet, verzögert sich auch der geplante Abtransport des hochaktiven Atommülls in Richtung Ahaus. Das Lager in Garching ist fast voll. Würde der Reaktor im Betrieb sein, hätte der Atommüll von dort per LKW in das Zwischenlager nach Ahaus bei Münster erfolgen müssen. Die Stadt Ahaus und die dortigen Bürgerinitiativen lehnen aber die Einlagerung des Atommülls aus München in Ahaus ab. Nicht zuletzt, weil das Zwischenlager in Ahaus bereits Mitte der 2030er Jahre seine Betriebsgenehmigung verliert.
- In der MUH 52 berichtet Karl Amannsberger über den letzten bayerischen Atomreaktor zu Forschungszwecken, der dieser Tage 20 Jahre Betrieb mit hochangereichertem atomwaffenfähigen Uran „Made in Russia“ und Frankreich feiert. Eine „Kurzfassung“ dazu hatte umweltFAIRaendern.de im März 2024 veröffentlicht: Der schlafende Riese: 20 Jahre Forschungsreaktor FRM 2 in Garching – ein Atommeiler im Stillstand
- Über die neuen Verträge zur Herstellung neuartige Brennelemente für den Betrieb des Forschungsreaktors mit dem französischen Atomkonzern Framatome berichtet die Süddeutsche hier und die TUM hier per Presseerklärung auf ihrer Homepage.
- Auch das Schweizer Nuclear-Forum berichtet über die BE-Entwicklung in Garching.
- Atomforschungsreaktor FRM II in Garching: Neue und alte Brennelemente
- Atomforschungsreaktor München Garching: Neuer Uranbrennstoff unterhalb der Atomwaffenfähigkeit in der Entwicklung
- Atomforschungsreaktor Garching: Medizinischer Nutzen war ein billiger Propaganda-Trick
Zur Klage des BUND Bayern gegen den weiteren Betrieb siehe hier: Atomforschungsreaktor Garching illegal – BUND klagt auf Stilllegung – FRM2 TUM hat sich hier geäußert (siehe auch unten als Dokumentation): https://www.frm2.tum.de/frm2/ueber-uns/aktuelles-medien/newsartikel/article/gutachten-zur-rechtmaessigkeit-des-betriebs-des-frm-ii-mit-hochangereichertem-uran-heu/
Alles zum Thema Garching und Forschungsreaktor FRM 2 auf umwelfFAIRaendern.
Dokumentation: PM FRM2 der TUM:
Startschuss für Industrialisierung des niedrig angereicherten Brennstoffs
Umrüstung, Aktuell, Pressemitteilung |
Bereits seit 2019 kooperiert der FRM II an der Technischen Universität München mit Framatome, um einen Brennstoff für die Umrüstung der Forschungs-Neutronenquelle vorzubereiten. “Wir haben gemeinsam mit Framatome einen Fertigungsprozess auf Pilot-Level entwickelt und bei Framatome in Frankreich eine entsprechende Test-Produktionslinie installiert. Damit werden derzeit bereits erste Brennstoffplatten gefertigt”, Dr. Bruno Baumeister, Projektleiter der Umrüstung von hochangereichertem (HEU) auf niedrig angereichertes Uran (LEU) am FRM II.
Im neu unterzeichneten Vertrag investiert der FRM II einen zweistelligen Millionenbetrag in die weitere Optimierung und Vor-Industrialisierung des Fertigungsprozesses. Außerdem unterstützt Framatome den FRM II bei der Entwicklung des neuen Brennelements: Vom Design bis hin zu abschließenden Prüfungen.
“Unsere Teams haben sich der Herausforderung gestellt, einen einzigartigen Hightech-Brennstoff zu entwickeln, der den Anforderungen von Forschungsreaktoren entspricht und deren Nachhaltigkeit gewährleistet. Wir sind nun bereit, diesen innovativen Brennstoff herzustellen”, ergänzt François Gauché, Vize-Präsident von CERCA bei Framatome.
“Der FRM II und Framatome arbeiten seit 2019 am Aufbau einer europäischen Produktionslinie für monolithische U-Mo-Brennstoffe”, sagt der Wissenschaftliche Direktor des FRM II Prof. Dr. Christian Pfleiderer. “Die harte Arbeit unserer Teams hat sich ausgezahlt. Dieser neue Brennstoff ist die Garantie für eine zuverlässige und nachhaltige Versorgung mit Neutronen für Forschung und Innovation.”
Die hohe Uran-Dichte des innovativen monolithischen U-Mo-Brennstoffs ermöglicht es dem FRM II, sein hohes Leistungsniveau auch mit einer Anreicherung von maximal 19,75% Uran-235 (eng. low enriched uranium, LEU) aufrechtzuerhalten. Die ersten U-Mo-Folien aus LEU wurden im Jahr 2022 erfolgreich bei CERCA hergestellt. Die erstmalige Bestrahlung von monolithischen U-Mo-Brennstoffplatten aus dieser 100% europäischen Fertigung ist für Ende 2024 geplant.
Das 2019 eingeweihte Framatome CERCA’s Research & Innovation Laboratory mit Sitz in Romans-sur-Isère in Frankreich widmet sich der Entwicklung von Brennstoff auf Uranbasis für die internationale Forschung in den Bereichen Physik und Nuklearmedizin.
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