Atomrecht – reloaded: Neuauflage des Atomrechtskommentars von Frenz

Atomrecht – reloaded: Neuauflage des Atomrechtskommentars von Frenz

Ein Beitrag von Karl Amannsberger: Mit dem Erscheinen der beiden Kommentare zum Atomrecht von Frenz sowie Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner (HMPS „Atomgesetz mit Pariser Haftungsübereinkommen“), schien verbunden mit dem Ende der Atomstromerzeugung in Deutschland auch die Auseinandersetzung mit dem Atomgesetz (AtG) – zumindest in dicken Wälzern – beendet. Nun aber legte Frenz kürzlich mit einer 2. Auflage seines – man kann inzwischen schon sagen – Standardwerkes nach. (Foto: Karl Amannsberger. RA Wolltenteit, Peter Rottner (BN Bayern) und der Atomrechts-Kommentar)

In der Neuauflage des NomosKommentars „Atomrecht“ werden die 17. bis 19. AtG-Novelle berücksichtigt. Sie ist damit beim tatsächlichen und verfassungskonformen Ende der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung angekommen, nachdem in der 19. AtG-Novelle unerwartet die Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar/Ohu 2 noch einmal um 3 ½ Monate bis zum 15. April 2023 verlängert wurden. Ungeachtet dieses tatsächlichen Endes führen CDU/CSU, FDP und AfD einen Kulturkampf um die Atomenergie, der keinerlei materielle Grundlage hat und lediglich ideologisch motiviert ist. Schon allein aus technischen Gründen ist eine Wiederinbetriebnahme der drei AKWs unmöglich.

Auch die 18. AtG-Novelle wird ausführlich kommentiert, ist aber angesichts ihres Inhalts (Entschädigungsregelungen für die Stromversorgungsunternehmen) weitgehend Geschichte.

Ganz anders die 17. AtG-Novelle. Von der Öffentlichkeit zu wenig beachtet, ist im neu eingefügten § 44 AtG der sog. Funktionsvorbehalt der Exekutive geregelt. Im Alltagsdeutsch heißt das: Die Genehmigungsbehörde legt allein Umfang und Ergebnis der behördlichen Prüfung z.B. des Schutzes gegen Terrormaßnahmen (SEWD -Sonstige Einwirkungen Dritter) fest. Das Ergebnis ist nur noch sehr eingeschränkt gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Hintergrund dieser Novelle war das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig zum Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente Brunsbüttel 2013. Das Gericht sah hier ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit des damals genehmigenden Bundesamtes für Strahlenschutz BfS (heute: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung BASE), weil dieses wegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit entsprechende Nachweise nicht vorlegte. Das OVG hob deshalb die § 6-Genehmigung auf. Eine mögliche Lösung – die Einführung des sog. In-Camera-Verfahrens, bei dem ein Fachsenat des Gerichts die geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen auch materiell prüfen könnte, wurde später nicht eingeführt, obwohl dies seinerzeit zwischen den Koalitionsparteien vereinbart worden war. Die damit verbundene massive Aushöhlung des Rechtsschutzbedürfnisses der Bürgerinnen und Bürger war in Fachkreisen seinerzeit sehr umstritten – und bleibt es bis heute.

Dies sieht auch der Bearbeiter des § 44 AtG „Funktionsvorbehalt“ im NomosKommentar so: „Die Regelung ist freilich verfassungsrechtlich umstritten“. Ungeachtet dessen kommt er wenige Seiten später zum Ergebnis, dass es sich um eine „verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung“ handele. Dazu ist es vielleicht hilfreich zu wissen, dass der Bearbeiter Tobias Leidinger in den Genehmigungsverfahren zu den Zwischenlagern an den Kernkraftwerken des Stromversorgers RWE für eben diesen tätig war.

Diese Frage bleibt für rechtliche Auseinandersetzungen etwa um den Neubau des Zwischenlagers Lubmin aktuell, aber vor allem auch für die durch die Verzögerungen bei der Endlagersuche notwendig gewordene Langzeitzwischenlagerung (zuerst laufen die Genehmigungen für das ZWL Gorleben 1934 und Ahaus 1936 aus).

Eine andere Thematik im Zusammenhang mit dem § 7 AtG bleibt ebenfalls aktuell. Zwar gibt es in Deutschland keine Neugenehmigungen für Atomkraftwerke mehr, aber durchaus noch kerntechnische Anlagen. Das nächste Genehmigungsverfahren, bei dem das Versagungsermessen eine Rolle spielen wird, ist das zur Erweiterung der Brennelementfabrik der Framatome-Tochter ANF GmbH, die zusammen mit der russischen Rosatom in Lingen Brennelemente für Reaktoren sowjetischer bzw. russischer Bauart fertigen will.

Auch beim jüngsten Atomprozess zur Stilllegung des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München im Juni 2024 (evtl. Link) lag die 2. Auflage des „Frenz“ demonstrativ auf dem Tisch des Klägeranwalts Ulrich Wollenteit, der auch zu den Bearbeitern des Kommentars zählt. Freilich sind Forschungsreaktoren vom sog. Atomausstieg ausgenommen, weil sie zwar auch Neutronen, aber keinen Strom erzeugen. Vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) München ging es um so diffizile juristische Fachfragen wie den Unterschied zwischen einer Inhaltsbestimmung und einer Auflage in der Genehmigung – nur etwas für Freund:innen rechtlicher Leckerbissen.

Foto: Karl Amannsberger

Dirk Seifert

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