Atomforschungsreaktor Garching: Umweltverband setzt Klage fort – Inbetriebnahme verzögert sich abermals

Atomforschungsreaktor Garching: Umweltverband setzt Klage fort – Inbetriebnahme verzögert sich abermals

Der BUND Naturschutz geht gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum weiteren Betrieb des mit atomwaffenfähigem Uran genehmigten Atomforschungsreaktor München Garching vor. Das berichtet die Taz online in einem Artikel von Karl Amannsberger. Außerdem teilt der Betreiber des Reaktors mit, dass es weitere Verzögerungen bei der laufenden Reparatur des Zentralkanals gibt. Dieses Kernstück, in dem der Brennstoff eingelagert wird, ist defekt und muss ausgetauscht werden. Immer neue Probleme bei der Neubeschaffung und Konstruktionen führen immer wieder zu Verzögerungen.

Der BUND Naturschutz ist weiterhin der Auffassung, dass der weitere Betrieb des Forschungsreaktors mit dem aus Russland stammenden und in Frankreich verarbeiteten atomwaffenfähigem Uranbrennstoff aufgrund von klaren Genehmigungsinhalten nicht zulässig wäre und längst auf einen weniger brisanten Brennstoff umgerüstet hätte werden müssen. Da dies nicht erfolgt ist, müsse der Reaktor abgeschaltet werden. „Der Umweltverband legte Ende vergangener Woche eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Im Juni hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München eine Klage des BN auf Stilllegung abgewiesen und keine Revision zugelassen. Die aktuelle Klage hat zwar keine aufschiebende Wirkung, eröffnet aber im Erfolgsfall den Weg zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig“, schreibt Amannsberger in der Taz hier. Weiter heißt es: „„Das Urteil ist falsch“, sagte Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit, der den BN vertritt, der taz. Das vom Gericht unterstellte Verständnis, die Genehmigungsbehörde habe eine flexible Regelung gewollt, sei willkürlich. Das Urteil des VGH war auch von den Grünen im Bayerischen Landtag und den „Internationalen Ärz­t:in­nen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärz­t:in­nen in sozialer Verantwortung (IPPNW)“ scharf kritisiert worden.“

Der Reaktor FRM II verfügt zwar nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof über eine Genehmigung, steht aber seit rund fünf Jahren still. Der Grund sind Störfälle und Reparaturen sowie Probleme während der Corona-Zeit. In diese Phase wurden gründliche Untersuchungen der Anlage durchgeführt, wobei dann auch der Schaden am Zentralkanal festgestellt wurde. Dieser Kanals ist das Herzstück des Forschungsreaktors, weil in ihm die hoch radioaktiven Uranbrennelemente eingebaut sind. Das Bauteil ist derart komplex und anspruchsvoll, dass es zunächst massive Probleme gab, ob die Fertigung eines neuen Kanals überhaupt möglich sein würde. Nur mühselig war es dann gelungen, Unternehmen zu finden, die sich an die Herstellung eines solchen einzigartigen Bauteils wagten. Und immer wieder kommt es offenbar zu Problemen und Verzögerungen. Nun teilt die Pressestelle des FRM II mit, dass sich die Inbetriebnahme abermals verschieben wird und frühestens 2025 möglich sein könnte.

Dokumentation: FRM II 17.09.2024

Die Fertigung des Zentralkanals wird mit höchster Priorität vorangetrieben. Trotz einiger Fortschritte verschiebt sich die Lieferung auf das Jahr 2025.

Das unterste Stück des insgesamt ca. 3,5 Meter langen Zentralkanals ist in seiner Rohform fertig gestellt: Der sogenannte Befestigungsflansch mit eingeschweißtem Stopfen. Eine der noch ungelösten Herausforderungen beim Fertigen des Zentralkanals ist es jedoch, eine geeignete Wärmebehandlung zu finden, um die vorgeschriebene Gleichmaßdehnung der Schweißnaht des Kompensators zu erreichen. Der Technische Direktor, Dr. Axel Pichlmaier ist dennoch optimistisch: „Zusammen mit unseren Partnerfirmen und unter Prüfung der Sachverständigen haben wir spezielle Verfahren entwickelt, so dass die Fertigstellung des Kompensators endlich in Sicht ist.“

Mehr als ein Dutzend Firmen an Fertigung beteiligt

Nur wenn dies alles erfüllt und erledigt ist, kann mit der Herstellung des restlichen Zentralkanals begonnen werden. An der Fertigung sind mehr als ein Dutzend Firmen beteiligt. Das Projekt koordinieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FRM II, wobei der unabhängige Sachverständige der Atomaufsichtsbehörde stets eingebunden ist.

Schaden 2022 entdeckt

Bei Wartungsarbeiten war 2022 ein Schaden am Kompensator des Zentralkanals festgestellt worden. Der Zentralkanal ist das zentralste Bauteil des FRM II. Er befindet sich senkrecht im Moderatortank und trägt das Brennelement. Er trennt den primären Kühlkreislauf vom schweren Wasser im Moderatortank. Da eine Reparatur nicht möglich ist, muss dieser durch ein Neuteil ersetzt werden. Die mit der Herstellung des Ersatzteils beauftragte Firma sah sich im Verlauf der Fertigung gezwungen, wesentliche Herstellungsschritte an weitere Projektpartner auszulagern, die aber ihrerseits erst durch den FRM II zertifiziert werden mussten. Fertigungstechniken wurden von Grund auf in der erforderlichen Qualität neu entwickelt.

Viele kleine Verzögerungen

„Leider haben sich trotz beträchtlicher Fortschritte in allen Bereichen des Projekts verschiedene kleine Verzögerungen derart angehäuft, dass wir jetzt davon ausgehen müssen, dass die Lieferung des Zentralkanals im Jahr 2025 erfolgen wird“, sagt Pichlmaier. Nach der Auslieferung wird es etwa sechs Monate dauern, bis der wissenschaftliche Betrieb wiederaufgenommen werden kann.

Fachkräftemangel und Know-How-Verlust 

Als Gründe für die Verzögerung sieht Pichlmaier: „Die Fertigung des Zentralkanals erfordert eine intensive administrative Unterstützung durch den FRM II, da die Industriepartner nicht mehr mit den nuklearen Vorschriften vertraut sind. Darüber hinaus leidet der FRM II und dieser Beschaffungsvorgang, wie die gesamte deutsche Industrie, unter einem immer stärker werdenden Fachkräftemangel.“ Die Fertigung eines Einzelstücks, Prototypen, sei für die Herstellerfirmen zumeist wirtschaftlich wenig interessant.

Weitere Modernisierungsarbeiten

Darüber hinaus haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FRM II wesentliche Fortschritte bei den Vorarbeiten erzielt, die eine Voraussetzung für den Betrieb des FRM II sind. Die Kräne in der Experimentierhalle und Reaktorhalle, die für den Wechsel des Zentralkanals und die Beladung des Castors mit abgebrannten Brennelementen erforderlich sind, wurden zudem umgebaut. Weitere Modernisierungsarbeiten sind in vollem Gange. Dazu gehören die Reinigungsstraßen des Primärkreises, Teile des Tertiärkreises, Bestrahlungsanlagen zur Radioisotopenproduktion, experimentelle Einrichtungen, Brandschutzsysteme und lüftungstechnische Komponenten.


Dirk Seifert

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