Diskussion mit Atombehörde BASE: Transparenz, Sicherheit, Atomstaat oder Gerichte? „Öffentliches Interesse“ – Muss atomwaffenfähiger Strahlenmüll wirklich aus Jülich nach Ahaus?

Diskussion mit Atombehörde BASE: Transparenz, Sicherheit, Atomstaat oder Gerichte? „Öffentliches Interesse“ – Muss atomwaffenfähiger Strahlenmüll wirklich aus Jülich nach Ahaus?

Mindestens 40, möglicherweise aber auch über 150 Atomtransporte mit hochradioaktivem und atomwaffenfähigem Uran sollen nach Planungen der Betreiber und der zuständigen Bundes- und Landesbehörden per gepanzerten LKWs quer durch Nordrhein-Westfalen von Jülich nach Ahaus in das dortige Bundes-Zwischenlager rollen. Eine hochgefährliche Unternehmung. Noch stehen letzte Genehmigungen aus oder sind beklagt. Für die Durchführung der Atomtransporte werden vermutlich mehrere tausend Polizist:innen und Sicherheitsdienstleute zum Einsatz kommen. Abermals eine extreme Anforderung.  Wann soll das passieren? Das wird derzeit noch verhandelt. Dienstag diskutiert der Chef der zuständigen Genehmigungsbehörde für die Atomtransporte, Christian Kühn, mit Vertreter:innen aus Anti-Atom-Organisationen über diese hochbrisanten und eigentlich unnötigen Gefahren-Transporte. Kühn ist außerdem mit seiner Behörde für Genehmigungen zur Einlagerung im Zwischenlager Ahaus zuständig. Gegenüber umweltFAIRandern.de bestätigte die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass Anfang Dezember die mündliche Verhandlung zur Klage der Stadt Ahaus gegen die Einlagerungsgenehmigung für den Atommüll aus Jülich in das dortige Zwischenlager auf der Tagesordnung steht.

Die Planungen bei Verantwortlichen laufen, Sicherungskonzepte werden verhandelt, aber schon seit Ende 2023 hängt das Verfahren. Nicht nur ein Höchstmaß technischer Anforderungen an Fahrzeuge, Behälter und Streckenverhältnissen spielen bei den überaus gefährlichen Strahlen-Transporten eine entscheidende Rolle, damit es bei einem Unfall nicht zur Freisetzung von Radioaktivität kommt. Aber: Nachdem Terroranschläge zu erhöhten Anforderungen bei Atomanlagen und -Transporten führten, haben neuere Waffenentwicklungen (auch Drohnen) und die Kriege in der Ukraine und in Verbindung mit der Politik der Bundesregierung im Krieg im Nahen Osten die Gefahrenlage deutlich erhöht. Das alles hat die Schutz-Anforderungen für die Durchführung der Atomtransporte maximal erhöht.

Zur Durchführung der Atomtransporte müsste jetzt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) auf Antrag des französischen Atomkonzerns Orano (Abteilung Transporte mit Sitz in Hanau) im Auftrag der staatlichen Jülicher Entsorgungsanlagen GmbH (JEN) einen Antrag genehmigen. Dazu gehört inzwischen auch der Antrag auf den Sofortvollzug, mit dem die Möglichkeit eröffnet wird, Fakten zu schaffen, bevor die erteilte Genehmigung der Einlagerung dieser besonderen Atomabfälle im Zwischenlager Ahaus rechtssicher ist.

Die Stadt Ahaus hatte – wie oben erwähnt – gegen die ebenfalls vom Bundesamt für die Sicherheit in der nuklearen Entsorgung (BASE) erteilte Einlagerungsgenehmigung in das Zwischenlager geklagt und wartet auf den Termin der mündlichen Verhandlung. Auf Anfrage von umweltFAIRaendern.de teilte die Pressestelle des OVG Münster mit, dass die mündliche Verhandlung in dieser Sache am 3. und 4. Dezember, jeweils ab 10 Uhr, stattfinden wird.

Das ganze Projekt im Zusammenhang mit dem brisanten Ewigkeits-Müll ist ein heftiges Gerangel zwischen unterschiedlichen Interessen nicht nur auf Seiten der Wissenschaft, sondern auch zwischen Landesregierung NRW und Bundesministerien. Die Verantwortlichen bewegen sich allesamt auf dünnem Eis. Die ehemalige Begründung, warum das radioaktive Material aus Jülich besser gesichert hätte werden müssen, war 2013/4 ein Problem mit dem fehlenden Sicherheitsnachweis bei Erdbeben. Inzwischen ist das Thema zwischen Behörden (BASE) und Betreiber JEN klar: Das Problem ist abgeräumt, die Sicherheit auch gegen Erdbeben ist inzwischen eigentlich nachgewiesen, aber: Komischerweise scheinen beide Seiten kein Interesse an dieser guten Nachricht zu haben. Bis heute fehlt eine entsprechende Neu-Genehmigung. Es gibt auch Defizite bei der Sicherung der Anlage in Jülich, aber die gibt es derzeit an vielen bundesdeutschen Atomanlagen. Sonst müsste man auch schnellstens hoch radioaktiven Atommüll aus Lubmin und aus Brunsbüttel herausholen und an besser gesicherte Standorte verlagern. Das aber wollen Verantwortliche nicht.

Das Atommülllager in Ahaus verliert Mitte der 2030er Jahre seine Betriebsgenehmigung und muss ein komplett neues Genehmigungsverfahren nach Stand von Wissenschaft und Technik durchlaufen. Wie das angesichts erheblicher baulicher Defizite selbst gegenüber den nicht ausreichend gesicherten Zwischenlagern Marke Brunsbüttel deutlich besseren baulichen Schutzkomponenten gelingen soll, bleibt das Geheimnis der Atombehörden. (Die Genehmigung für Brunsbüttel hatte das OVG Schleswig aufgehoben, bis heute gibt es keine neue Genehmigung.) Denn tatsächlich sind die entsprechenden Sicherungsgenehmigungen Staatsgeheimnis und selbst für Gerichte nicht einsehbar. Wie sinnvoll es ist, für diese kurze Zeit Atommüll nach Ahaus zu bringen, ist wenig „einleuchtend“.

Weitere Unsicherheiten: Schon seit über zehn Jahren wird der Neubau eines verbesserten Zwischenlagers in Jülich verhindert oder zerredet. Zunächst hat der Betreiber in Jülich vor allem einen Export des Atommülls in die USA angestrebt. Der Grund: Das atomwaffenfähige Uran, inzwischen hoch radioaktiv in dem Atommüll verpackt, stammte ehemals aus den USA. Aber dort hätte man auch nichts mit dem Müll machen können, als es rumzulagern. Daher wurde der Unsinn schließlich abgeblasen.

Fast zehn Jahre hat diese vermeintliche Option alle andere Maßnahmen blockiert. Ein weiteres Argument, sind die Kosten, die aber bislang niemand konkret und öffentlich nachvollziehbar, aufgezeigt hat. Der Bund ist mit 70 Prozent beteiligt, dass Land NRW mit 30 Prozent. Ohne konkrete Kosten zu nennen, hatte dann der Haushaltsausschuss die Durchführung der Transporte nach Ahaus präferiert und gedroht: NRW müsste die Mehrkosten tragen, wenn der Transport von Jülich nach Ahaus als vermeintlich billigere Variante unterbleiben würde. Gutachten der Bundes- oder Landesbehörden, wie denn die Kostenrechnung für die jeweiligen Modelle aussähe (Sicherheit, Sicherung und Kostenträger), liegen bis jetzt nicht vor. Die erwarteten Kosten für Sicherung der über 40 bis 150 Atomtransporte, Polizei etc. wurden bislang ebenfalls nicht beziffert.

  • Noch andere Atomtransporte mit hochaktivem Atommüll aus der französischen Plutoniumfabrik in LaHague mit Castor-Behältern nach Philippsburg in Baden-Württemberg sollen noch in diesem Jahr auf die nukleare Reise gehen. Ein enormes Risiko für alles Orte und Regionen, durch die dieser Atommüll rollen wird. Unfallrisiken beim Bahntransport oder auch Angriffsziel: Für Sicherheitsdienste und Polizei auf beiden Seiten der Grenze eine Art Ausnahmezustand. Eigentlich sollte so ein Zeug nicht bewegt werden. Aber: gegen jede Vernunft haben frühere Regierungen und Unternehmen mit ihren Entscheidungen dafür gesorgt, dass aus deutschen Atommeilern der verbrauchte hochaktive Uranbrennstoff ins Ausland transportiert wurde. Das Versprechen: das Plutonium und den zusätzlich entstandenen Atommüll nimmt Deutschland zurück. Das Plutonium ist längst zurück und Atommüll. Und nun kommt noch der Atommüll vom Atommüll. Das nannte sich „Entsorgung“. Aber tatsächlich wurde noch mehr Abfall erzeugt und das atomwaffenfähige Plutonium separiert. Weitgehend geheime Staatsverträge haben seinerzeit diese Geschäfte Siehe: Hochradioaktiver Atommüll aus Frankreich kehrt zurück – Castortransporte nach Philippsburg genehmigt

 

Dirk Seifert

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