Deutsch-Brasilianscher Atomvertrag bleibt in Kraft

Deutsch-Brasilianscher Atomvertrag bleibt in Kraft

Ein Atomabkommen zwischen Deutschland und Brasilien über die atomare Zusammenarbeit bleibt weiterhin in Kraft. Das Abkommen stammt aus den 1970er Jahren und kann seit dem alle fünf Jahre gekündigt werden.  Doch keine Bundesregierung – auch keine mit grüner Beteiligung – hat die mögliche Kündigung als Beitrag zum Atomausstieg umgesetzt, auch wenn es dazu immer wieder Forderungen der Opposition im Bundestag gab. Auch jetzt haben die grünen Ministerien für Umwelt, für Wirtschaft und im Auswärtigen Amt die Frist erneut verstreichen lassen und den Atomvertrag nicht gekündigt. Angeblich, weil das Bundeskanzleramt gegen eine Kündigung war.

Auch die taz berichtet über den Atomdeal. In einem offenen Brief an die Bundesregierung (hier und hier als PDF) hatten Umweltverbände und Anti-Atom-Gruppen die Kündigung des Vertrages gefordert. Andere Initiativen haben auf dem Weg einer Petition versucht, dieses Ziel zu erreichen. Eine Untersuchung zu dem Thema ist 2016 vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags hier als PDF veröffentlicht worden.

Mit einer PM von 2014 hatte u.a. die Organisation urgewald darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die Verträge nicht gekündigt hatte:

Atomabkommen zwischen Deutschland und Brasilien wieder nicht gekündigt

Pressemitteilung der Menschenrechts- und Umweltorganisation urgewald.
| von Urgewald

Berlin (17.11.2014) Morgen läuft die Frist zur Kündigung des deutsch-brasilianischen Atomvertrages aus. Alle fünf Jahre besteht die Möglichkeit, das 1975 unterzeichnete Abkommen turnusgemäß per diplomatischer Note zu beenden. Bei einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten könnte so der Atomvertrag zwischen Deutschland und Brasilien zum 18. November 2015 auslaufen. Die schwarz-rote Bundesregierung will diese Chance jedoch nicht nutzen, sondern weiter am bilateralen Atomabkommen mit Brasilien festhalten.

“40 Jahre Atomkooperation sind mehr als genug”, erklärt Barbara Happe von der Umweltorganisation urgewald. “Es ist nicht nachvollziehbar, warum Deutschland im eigenen Land wegen der damit verbundenen nicht beherrschbaren Risiken aus der Atomkraft aussteigt, gleichzeitig aber daran festhält, andere Länder aktiv beim Ausbau der Atomkraft zu unterstützen”.

Der im Juni 2014 erhoffte konsequente Kurswechsel der Bundesregierung beim Thema Atomexporte ist ausgeblieben. Damals hatte sie das unter Rot-Grün schon mal geltende Kriterium, keine Hermesbürgschaften für den Neubau von Atomanlagen zu gewähren, wieder eingeführt und somit die seit Jahren schwelende Debatte um eine deutsche Hermesbürgschaft für das im Bau befindliche Atomkraftwerk Angra 3 in Brasilien beendet. Umweltorganisationen hatten die Entscheidung der Großen Koalition damals sehr begrüßt und zeigen sich jetzt enttäuscht, dass sie dennoch am Atomkooperationsvertrag festhält.

In einer Debatte im Deutschen Bundestag vergangene Woche führten CDU-Politiker v.a. Sicherheitsaspekte für das Fortbestehen der Atomkooperation ins Feld. Deutschland könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Atomanlagen weltweit sicherer zu machen, hieß es.

Die vorgetragenen Sicherheitsargumente überzeugen die Gegner des bilateralen Abkommens nicht. Schließlich bauen die Brasilianer aktuell mit deutschem know-how das Atomkraftwerk Angra 3, das schon beim Bau technisch veraltet ist und dem Niveau von Atomkraftwerken entspricht, die in Deutschland gerade abgeschaltet werden. Außerdem steht das Projekt massiv in der Kritik, weil es in einem Erdrutschgebiet an der Atlantikküste, nur knapp 100 km entfernt von Rio de Janeiro, liegt, und zudem über nur rudimentäre Notfallpläne verfügt. Der einzige Fluchtweg, die Küstenstraße BR 101, wird in der Regenzeit immer wieder durch massive Erdrutsche beeinträchtigt.
„Letztlich geht es beim Ja zum Atomvertrag wohl vor allem darum, der hiesigen Atomwirtschaft weiter Geschäfte im Ausland zu ermöglichen“, erörtert Happe die Motivlage der Regierung.

Dies war auch vor zehn Jahren unter Rot-Grün die Begründung gewesen, mit der sich Wirtschaftspolitiker der SPD durchgesetzt hatten, um die von Zivilgesellschaft und grünen Politikern vorangetriebene turnusgemäße Kündigung der Atomkooperation in letzter Sekunde zu verhindern.

Die automatische Verlängerung der Atomkooperation schwächt ferner die Bemühungen der Umweltorganisationen in Brasilien, die für eine sichere und atomfreie Energieversorgung im eigenen Land streiten. In einem Brief hatten Dutzende von Organisationen sich in der vergangenen Woche nochmals an Bundestag und -regierung gewandt und die Kündigung dieses extrem unzeitgemäßen Abkommens eingefordert.

“Der bilaterale Atomvertrag trägt bis heute dazu bei, die ‚Atomträume‘ in Brasilien am Leben zu erhalten. Seine Kündigung würde der brasilianischen Gesellschaft zeigen, dass sich international was verändert und energiepolitisch andere Prioritäten gesetzt werden. Statt weiter auf den Atomvertrag zu setzen, sollte die deutsche Regierung alle Energie darauf verwenden, den 2008 unterzeichneten bilateralen Vertrag zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien endlich mit höchster Priorität zu implementieren”, fordert Chico Whitaker von der brasilianischen NRO-Koalition für ein Brasilien ohne Atomkraftwerke.

Dem Umgang mit dem Brasilienvertrag kommt eine hohe Bedeutung für zahlreiche andere Länder zu, weil es noch Dutzende weiterer bilateraler Atomverträge gibt, die einen ganz ähnlichen Charakter wie der mit Brasilien haben.

 

Dirk Seifert

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