Kein Atommüll für Schacht Konrad: „Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis“ nicht anwendbar – Inbetriebnahme nur mit Schönrechnen?

Kein Atommüll für Schacht Konrad: „Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis“ nicht anwendbar – Inbetriebnahme nur mit Schönrechnen?

Die Serie von Katastrophen-Meldungen im Zusammenhang mit dem geplanten Atommüllendlager für leicht- und mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad in Salzgitter reißen nicht ab. Längst sollte das in den 1980er Jahren auf den Weg gebrachte Endlager in Betrieb sein. Doch immer wieder kam und kommt es zu Verzögerungen beim Ausbau. Derzeit wird über eine Inbetriebnahme nach 2030 spekuliert. Jetzt aber meldet die Entsorgungskommission (ESK) der Bundesregierung eine weitere Art von Mayday. Obwohl sich der leicht- und mittelradioaktive Atommüll an den zahlreichen AKW-Standorten auftürmt, gibt es immer noch keine befüllten „Konrad-Behälter“, die den Einlagerungsanforderungen für Konrad entsprechen. Selbst wenn Konrad also in Betrieb wäre, könnte keine einzige Tonne Atommüll eingelagert werden: „Als Ergebnis der im Anhang zusammengefassten Anhörungen wird festgestellt, dass mit derzeitigem Stand der Bereitstellung von Abfallgebinden keine Einlagerung in das Endlager Konrad nach der geplanten Inbetriebnahme erfolgen kann“ (S. 7)  heißt es in dem Papier der Entsorgungskommission. Die mögliche Folge: Noch mehr Zwischenlager für diese Abfälle müssten an den vielen AKW-Standorten neu gebaut werden und würden den Rückbau weiter verzögern.

„Seit 2007 arbeitet die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) bzw. inzwischen die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) am Um- und Ausbau des Endlagers Konrad, um ab der Inbetriebnahme die radioaktiven Abfälle unter Tage einzulagern. Nach mehreren Verschiebungen des Termins der Inbetriebnahme hat die BGE 2024 mitgeteilt, dass die Einlagerung zu Beginn der 2030er Jahre beginnen soll. Der auslegungsgemäße Betrieb des Endlagers Konrad sieht eine jährliche Einlagerungskapazität in der Größenordnung von 10.000 m3 pro Jahr vor. Aktuell gibt es keine Gebinde, die die Anforderungen aus den derzeit gültigen Endlagerungsbedingungen sowie den gemäß der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis (GwE) weiter zu berücksichtigenden Regelwerken vollumfänglich erfüllen und damit im Endlager Konrad eingelagert werden können.“

Eines der Probleme ist derzeit die Bauartprüfung für die jeweils zum Einsatz kommenden Behälter zur Einlagerung im Endlager. Wesentlich bedeutsamer sind aber die Probleme im Zusammenhang mit der „Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis“ (GwE), die mit dem Planungsfeststellungsbeschluss, der Genehmigung für den Schacht Konrad, verbunden ist. Dieser Anhang 4 ist eine von vier wasserrechtlichen Erlaubnissen, die dem Planfeststellungsbeschluss (PFB) angefügt sind. Natürlich muss in einem Atommülllager sichergestellt werden, dass die eingelagerten radioaktiven Abfälle nicht mit Wasser in Kontakt kommen und sich Wege an die Oberfläche suchen können. Die in den Genehmigungsanhängen festgelegten Vorgaben können die Abfallerzeuger, zunächst die AKW-Betreiber oder Betreiber staatlicher Forschungsanlagen derzeit nicht erfüllen.

Nach Prüfungen und Anhörungen beklagt die ESK nun, dass viele Aspekte damals falsch und unzureichend ermittelt und festgelegt worden sind: „Die Bewertung der zur Einlagerung vorgesehenen Massen hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des oberflächennahen Grundwassers erfolgte – gegenüber der Bewertung der einzubringenden Radionuklide in der Langzeitsicherheitsanalyse – nach einem sehr vereinfachten außerordentlich konservativen Modell“, heißt es denn auch auf Seite 4 der Stellungnahme. Auch in einem weiteren Punkt ist die ESK mit den Regelungen offenbar unzufrieden: „Die aus den Abfällen in das Grundwasser eingebrachte Masse an wassergefährdenden Stoffen wird gemäß GwE durch die o. g. genannten Konservativitäten überschätzt. Im Rahmen der Antragsunterlage des BfS [10] wird dargestellt, dass dieser außerordentlich konservative Ansatz eine vertrauensbildende Maßnahme darstellt
und zur Erhöhung der Akzeptanz beiträgt.“ (Seite 5)

So oder so: Die ESK erklärt im Grundsatz, dass man damals aus unterschiedlichen Gründen viel zu hohe Sicherheitsanforderungen festgelegt habe, die es eigentlich gar nicht braucht – auch weil viele Dinge nicht beachtet worden seien. Sie verweist außerdem auf die Problematik der Finanzierung beim Umgang mit dem Atommüll und der Endlagerung und verweist auf die „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs“ (KFK) von 2015. Problempunkt offenbar: Die AKW-Betreiber können sich erst von der Kostenverantwortung bei den leicht- und mittelaktiven Abfällen verabschieden, wenn diese endlagerfähig verpackt an die dann zuständige Bundesgesellschaft für Zwischenlager (BGZ) übergeben sind. Ist nichts einlagerungsfähig, bleibt der Atommüll und die Kosten bei den AKW-Betreibern.

Mit Blick auf die Bauartzulassungen kommt die ESK in der Folge dann zu dieser Aussage: „Somit empfiehlt die ESK, die Verfahren der Bauartzulassung auf die wesentlichen sicherheitsrelevanten Fragestellungen zu fokussieren (Gewährleistung der sicheren Einlagerung und Schutzzielorientierung) und formale Sachverhalte und nebensächliche Anforderungen zügig abzuarbeiten.“ Fokussieren auf die wesentlichen! sicherheitsrelevanten! Fragestellungen. Wo fängt der Abbau von Sicherheit an?

Und dann kommt nach weiteren Ausführungen der durchaus komplexen Sachverhalte dieses Fazit: „Von allen Ablieferungspflichtigen (inklusive BGZ) sowie der BGE wurde die „nicht-anwendbare“ Umsetzung der GwE neben den Verzögerungen der Bauartprüfungen als der Hauptgrund für die fehlenden endlagerfähigen Abfallgebinde genannt. Dies führt in den nächsten Jahren

  • zu Kapazitätsengpässen in den bestehenden Zwischenlagern,
  • zur Neubeantragung und Errichtung von weiteren Zwischenlagern und
  • zur Verzögerung des Rückbaus der kerntechnischen Anlagen oder Einrichtungen.

Außerdem führt es bei der Inbetriebnahme des Endlagers dazu, dass der Einlagerungsbetrieb nicht aufgenommen und die Zwischenlager nicht geleert werden können.“ (Seite 10)

Update/Dokumentation: Als Reaktion auf die Berichterstattung hier auf umweltFAIRaendern hat die AG Schacht Konrad diese PM auf den Weg gebracht:

(Presseerklärung 28.11.2024) In ihrer Stellungnahme vom 24./25. Oktober 2024 stellt die Entsorgungskommission (ESK), ein Beratungsorgan des Bundesumweltministeriums, fest: „Aktuell gibt es keine Gebinde, die die Anforderungen aus den derzeit gültigen Endlagerungsbedingungen sowie den gemäß der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis (GwE) weiter zu berücksichtigenden Regelwerken vollumfänglich erfüllen und damit im Endlager Konrad eingelagert werden können.“

So weit, so richtig, doch die Konsequenzen, die die Entsorgungskommission daraus zieht, sind skandalös. Sie beklagt die häufigen Aktualisierungen des wasserrechtlichen Regelwerks, die „die Einlagerung von Abfallgebinden in das Endlager Konrad verhindern“ wird. Deshalb empfiehlt sie, die Verschärfungen zum Schutz von Grund- und Trinkwasser, die nach 2011 erlassen worden sind, auf das Atommülllager Schacht KONRAD einfach gar nicht anzuwenden. Weil eine sichere Zwischenlagerung der strahlenden Abfälle in den Zwischenlagern laut Entsorgungskommission zu teuer werden würde, soll der Müll bei KONRAD an geltendem Regelwerk und dem Trinkwasserschutz vorbei unter die Erde geschafft werden.

„Es kann doch nicht sein, dass ich als Landwirt, die aktuellen Grund- und Trinkwasserverordnungen einhalten muss, ein Atommüllendlager aber nicht“, erklärt Ludwig Wasmus, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD. „Es ist schon beeindruckend, wie rücksichtslos bei Schacht KONRAD ein Endlager errichtet werden soll, das weder den aktuellen Anforderungen an eine sichere Endlagerung noch dem aktuellen Grund- und Trinkwasserschutz genügt. Umso wichtiger ist die Klage für die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, die jetzt eingereicht worden ist. Nur so können wir die nächste atomare Katastrophe nach der ASSE II in der Region verhindern.“

Die Entsorgungskommission schlägt folgenden Trick vor: Die Berechnungen zur Langzeitsicherheit von Schacht KONRAD aus den 1980er Jahren beruhen auf wenigen geologischen Daten und sehr unzureichenden Rechenprogrammen. Dies führte an vielen Stellen zu großen Unsicherheiten über die tatsächlichen Entwicklungen in dem Endlager. Um trotzdem eine Langzeitsicherheit nachweisen zu können, wurden konservative Annahmen getroffen, z.B. über die tatsächlich enthaltenen Inhaltsstoffe in den Gebinden. Diese konservativen Annahmen will die Entsorgungskommission jetzt abbauen – ohne allerdings neue Naturdaten zur erheben und eine neue Langzeitsicherheitsberechnung vorzunehmen. Dass damit das gesamte damalige Konstrukt des Langzeitsicherheitsnachweises hinfällig werden würde soll einfach ignoriert werden.

Für Rückfragen: Ludwig Wasmus Tel. 05341 63123

Dirk Seifert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert