Bereits am ersten von zwei geplanten Verhandlungstagen hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der Stadt Ahaus und eines privaten Klägers abgewiesen. Nicht einmal eine Revision gegen das Urteil wurde zugelassen. Weder technische Sicherheitsfragen seien von der Genehmigungsbeörde falsch ermittelt worden noch gäbe es Mängel bei den Anti-Terrormaßen, so das Gericht. Dabei unterliegen derartige Maßnahmen sogar gegenüber dem Gericht einer Geheimhaltung. Damit bestätigt das OVG eine 2016 erteilte Einlagerungsgenehmigung durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), nach der 152 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll aus dem Prototypreaktor AVR Jülich in Ahaus aufbewahrt werden dürfen. Eine Genehmigung für entsprechenden Atomtransporte von Jülich nach Ahaus steht noch aus und wird in diesem Jahr nicht mehr erwartet. Der BUND NRW hat Klage angekündigt.
Ein wichtiges Problem bei der Bewertung der oberirdischen Lagerung hochradioaktiver Atomabfälle sind nicht nur Fragen im Zusammenhang mit der technischen Integrität der Behälter und dem Inhalt. Auch Folgen von Klimaereignissen und Unfällen, denen die Behälter ausgesetzt sein könnten, sind relevant. Von großer Bedeutung sind aber inzwischen auch Terrorangriffe und die dabei zum Einsatz kommenden Waffen (von Panzerfäusten bis hin zu Flugzeugen, die möglicherweise Sprengstoffe mit sich führen, Drohnen, IT-Sicherheit).
Nach dem in Brunsbüttel dem Zwischenlager vom OVG Schleswig die Genehmigung entzogen worden ist, hat der Bundestag auf Drängen der Behörden das Atomgesetz verschärft, die Rechte für Richter und Bürger:innen geschwächt und die Behörden im Bereich Geheimschutz deutlich gestärkt. Diese Änderungen erfolgten mit der 17. Atomgesetznovelle.
Auch wenn die Einlagerung in Ahaus möglicherweise nun rechtlich bestätigt ist, gibt es Zweifel, ob damit am Ende tatsächlich ein Sicherheitsgewinn erreicht wird. Einerseits sind wichtige Aspekte, die zu der Räumungsanordnung in Jülich führen, inzwischen ausgeräumt (Erdbebenschutz). Andererseits sind bis zu 152 Atomtransporte mit hoch aktivem Material, welches außerdem noch atomwaffenfähiges Material in einer Grafit-Matrix verpackt ist, nicht eben unproblematisch. Auch hier spielen Unfallgefahren wegen hoher Brücken etc. eine Rolle. Aber auch Terrorangriffe stellen eine enormen Gefahr beim Transport dar. Daher wurden spezielle über 130 Tonnen schweren gepanzerte Fahrzeuge entwickelt worden, die in begrenztem Maß auch Waffenbeschuss aushalten sollen. Einzelheiten sind geheim.
Daher könnte es immer noch dazu kommen, dass die Verantwortlichen in Jülich und die Landesregierung in NRW den Neubau eines Zwischenlagers in Jülich anordnet. Ein entsprechender Antrag, eine Interims-Genehmigung für neun Jahre zu erteilen, um den Neubau fertigzustellen, liegt vor und soll noch in diesem Jahr vom Betrieber JEN ergänzt werden. Kaum zu erwarten ist, dass Atomtransport vor den Bundestagswahlen im Februar durchgeführt werden könnten.
Weitere Hinweise auf umweltFAIRaendern zu jüngeren Urteilen im Zusammenhang mit hochradioaktiven Materialien:
Dokumentationen – 1. PM des OVG Münster und 2. darunter die PM von BASE.
Nach heutiger mündlicher Verhandlung hat das Oberverwaltungsgericht Klagen der Stadt Ahaus und eines dort wohnenden Bürgers gegen eine Aufbewahrungsgenehmigung abgewiesen, die den Betreibern des Atommüllzwischenlagers Ahaus für noch in Jülich lagernde Castor-Behälter erteilt worden ist.
Das Zwischenlager Ahaus wurde in den 1980er Jahren errichtet. Dort lagern bereits mit entsprechenden Genehmigungen u. a. abgebrannte Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren sowie bestrahlte Kugel-Brennelemente aus einem ehemaligen Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR). Die von den Klägern angefochtene Aufbewahrungsgenehmigung, die den Betreibern des Lagers (Beigeladene im Verfahren) von der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland, nunmehr vertreten durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, BASE) im Jahr 2016 nach dem Atomgesetz erteilt worden ist, gestattet die Aufbewahrung von 152 Lagerbehältern des Typs CASTOR THTR/AVR mit knapp 290.000 abgebrannten kugelförmigen Brennelementen aus dem Versuchsreaktor der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) in Jülich. Die Behälter lagern derzeit noch in Jülich. Eine für einen Transport der Behälter nach Ahaus erforderliche Genehmigung ist noch nicht erteilt.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der 21. Senat im Wesentlichen aus:
Die von den Klägern gerügten Ermittlungsdefizite der Genehmigungsbehörde liegen nicht vor. Für die Genehmigungserteilung wesentliche Angaben der Beigeladenen hat die Genehmigungsbehörde nicht ungeprüft übernommen, sondern durch ein im Genehmigungsverfahren eingeholtes Gutachten des TÜV Nord, das als Anlage Bestandteil der Genehmigung ist, überprüfen lassen. Insbesondere hat die Genehmigungsbehörde nicht verkannt, dass die Radioaktivität der abgebrannten Brennelemente im Wesentlichen von bei der Kernspaltung entstandenen Spaltprodukten ausgeht. Im Weiteren hat die Genehmigungsbehörde auf der Grundlage entsprechender Messungen zutreffend ermittelt, welche Radioaktivität freigesetzt werden kann, wenn ein Lagerbehälter etwa aufgrund eines Flugzeugabsturzes auf das Lager undicht wird. Die gegebenenfalls die Bevölkerung treffende radioaktive Strahlung überschreitet den von der Genehmigungsbehörde zutreffend herangezogenen Grenzwert (Eingreifrichtwert für Evakuierungen) nicht. Die Einhaltung von Eingreifrichtwerten für Umsiedlungen war nicht zu prüfen. Die Lagerkonstruktion als solche ist bestandskräftig genehmigt und musste anlässlich der hier streitigen Aufbewahrungsgenehmigung nicht erneut überprüft werden. Etwaige Anschläge auf das Lager mittels Drohnen hat die Genehmigungsbehörde zutreffend berücksichtigt. Das Vorbringen der Kläger, das Szenario eines Beschusses der Lagerbehälter mit einer panzerbrechenden Waffe sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, ist zum einen verspätet. Zum anderen hat die Genehmigungsbehörde dieses Szenario berücksichtigt und als Ergebnis der u. a. mit der 7. Änderungsgenehmigung getroffenen Schutzmaßnahmen als ausgeschlossen angesehen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 21 D 98/17.AK
Dokumentation 2- Pressemitteilung des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung
OVG NRW gibt Bundesamt Recht: Aufbewahrung der Jülicher Brennelemente im Zwischenlager Ahaus rechtmäßig
Das Oberverwaltungsgericht in Münster (OVG NRW) hat mit seinem Urteil vom heutigen Tag eine Klage der Stadt Ahaus und einer Privatperson abgewiesen. Die Kläger hatten versucht, die Einlagerung von CASTOR-Behältern mit Inventar aus dem Betrieb des gasgekühlten Jülicher AVR zu verhindern. Das damals zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte 2016 die Einlagerung genehmigt.
„Das heutige Urteil bestätigt, dass das BASE als Genehmigungsbehörde intensiv Sorge trägt für die sichere Zwischenlagerung von Atomabfällen. Die Bewertung der Sicherheit und Sicherung des Zwischenlagers entspricht den hohen Anforderungen des Atomgesetzes. Das BASE wird weiterhin seinem Auftrag für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung und damit für Mensch und Umwelt nachdrücklich nachkommen“, sagt BASE-Präsident Christian Kühn.
Die Kläger hatten Zweifel am Sicherheitskonzept des Zwischenlagers geäußert. Das Gericht stellte klar, dass das genehmigte Reparaturkonzept der Behälter den hohen Anforderungen des Atomrechts genügt. Auch die Prüfungen eines zufälligen Absturzes einer schnell fliegenden Militärmaschine hat das OVG NRW nicht beanstandet. Dies gilt ebenso für die Prüfung von terroristischen Angriffen gegen das Zwischenlager wie etwa mit Drohnen oder dem gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturz. Die Genehmigungsbehörde hat hinreichend konservative Annahmen getroffen und einzelne von den Klägern aufgeworfene Szenarien zu Recht als praktisch ausgeschlossen eingeordnet. Einzelheiten der behördlichen Sicherheitsbewertung unterliegen der Geheimhaltung, um Tätern keine Hinweise zur Optimierung ihrer Anschlagspläne zu liefern. Das OVG NRW hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen ist das Rechtsmittel der Beschwerde möglich.
Hintergrund:
Am 21. Juli 2016 hat das Bundesamt für Strahlenschutz als damals zuständige Genehmigungsbehörde die 8. Änderungsgenehmigung zur Aufbewahrungsgenehmigung für das Zwischenlager in Ahaus erteilt. Diese gestattet die Aufbewahrung von 152 Transport- und Lagerbehältern der Bauart CASTOR THTR/AVR mit Kernbrennstoffen in Form von bestrahlten kugelförmigen Brennelementen und Betriebselementen aus dem ehemaligen Betrieb des gasgekühlten AVR der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich (AVR-Inventar). Seit Mitte 2014 besteht eine Räumungsanordnung der Atomaufsicht NRW für das Zwischenlager in Jülich. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung hat kurz nach Erteilung der 8. Änderungsgenehmigung die Zuständigkeit vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen.
Dokumentation 3 – Die PM der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung, BGZ
AHAUS – Das Oberverwaltungsgericht Münster hat Klagen gegen die Aufbewahrung der Jülicher Brennelemente im Zwischenlager Ahaus abgewiesen und eine Revision nicht zugelassen. Die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) plant, die Brennelemente in 152 CASTOR-Behältern per LKW nach Ahaus bringen zu lassen. Die dazu erforderliche atomrechtliche Beförderungsgenehmigung steht allerdings noch aus.
„Die BGZ kann die CASTOR-Behälter aus Jülich sicher im Zwischenlager Ahaus aufbewahren“, erklärt Dr. Matthias Heck, Bereichsleiter Genehmigungen bei der BGZ. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) habe dies bereits mit Erteilung der Aufbewahrungsgenehmigung im Jahr 2016 bestätigt. „Das Oberverwaltungsgericht Münster hat nun geurteilt, dass diese Genehmigung rechtmäßig ist.“
Im Zwischenlager Ahaus werden seit über 30 Jahren baugleiche Behälter des Typs THTR/AVR nach einem bewährten Konzept aufbewahrt. Im vergangenen Jahr hatte die BGZ die Annahme eines leeren CASTOR-Behälters aus Jülich erprobt. Dieser Probelauf verlief reibungslos, das haben unabhängige Sachverständige bestätigt.
Bevor die CASTOR-Behälter in das Zwischenlager Ahaus transportiert werden können, muss das BASE eine Beförderungsgenehmigung erteilen, die ein Logistikunternehmen im Auftrag der JEN beantragt hatte. Diese Genehmigung steht noch aus.
Hintergrund:
Das Zwischenlager in Jülich muss aufgrund einer Anordnung der NRW-Atomaufsicht geräumt werden. Die JEN verfolgt deshalb zwei Optionen: Den Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich und den Transport der Brennelemente in das Zwischenlager Ahaus. Die JEN entscheidet in enger Abstimmung mit der NRW-Atomaufsicht darüber, welche Option umgesetzt wird. Die BGZ bereitet sich auf eine mögliche Einlagerung vor, weil sie dazu vertraglich verpflichtet ist.
Dokumentation 4 PM der Stadt Ahaus
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW
Mit Bedauern hat die Stadt Ahaus das gestrige Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW zur Kenntnis genommen. Die 152 Castorbehälter aus Jülich dürfen demnach in Ahaus im Brennelemente-Zwischenlager (BZA) eingelagert werden. Das Gericht wies mit seinem Urteil die seit 2017 anhängige Klage der Stadt Ahaus und eines Ahauser Bürgers gegen die vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) verantwortete Aufbewahrungsgenehmigung für das BZA nach dem Atomgesetz ab. Die Genehmigung gestattet den Lagerbetreibern des BZA die Aufbewahrung der Behälter mit knapp 290.000 abgebrannten kugelförmigen Brennelementen aus dem stillgelegten Versuchsreaktor Jülich.
Nach dem Urteil zeigte sich Bürgermeisterin Karola Voß von der Entscheidung des Gerichts enttäuscht. „Natürlich stehen wir zu unserer Verantwortung, in unserer Stadt befindliche radioaktive Brennelemente im BZA zwischenzulagern. Wir wollen hier in Ahaus aber keine weiteren hochradioaktiven Abfälle haben. Die Zwischenlagerung in unserer Stadt muss zeitlich begrenzt bleiben und darf nicht zur Dauerlösung, also faktisch zu einem Endlager, werden. Transporte von Castoren bergen unnötige Risiken.“
Ob und wenn ja, welche weiteren rechtlichen Schritte die Stadt Ahaus nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts gehen wird, bleibt noch offen. „Für eine solche Entscheidung müssen und werden wir uns zunächst die Urteilsbegründung genau ansehen“, so Karola Voß. „Bis die Beurteilung vorliegt, kann es noch einige Wochen dauern.“
Die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle ist in Deutschland auf 40 Jahre ab Beginn der ersten Einlagerung eines Behälters befristet; die Genehmigung für das Zwischenlager in Ahaus läuft im Jahr 2036 aus. Aktuell befinden sich 329 Castoren im Ahauser Zwischenlager. Eine erforderliche Genehmigung für den Transport der Castoren von Jülich nach Ahaus hat das BASE noch nicht erteilt, wird jedoch in den nächsten Wochen erwartet.
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