Tritium für Atomwaffen aus zivilen Atomreaktoren – Umsetzung im französischen AKW Civaux angelaufen

Die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomenergie verschwimmen zunehmend. In Frankreich bereitet der staatliche Energiekonzern EDF in seinen beiden Reaktoren des (zivilen) Atomkraftwerks Civaux aktuell Testphasen zur Herstellung von Tritium vor. Das radioaktive Isotop wird für die Produktion von thermonuklearen Sprengköpfen benötigt. Der Einsatz von Lithium-6-Absorbern in den Reaktoren bildet den Kern des sogenannten TRIDENT-Projekts. Bereits vor rund einem Jahr wurden die Pläne offiziell bekannt gemacht, jetzt beginnt Schritt für Schritt die Umsetzung. (Foto: EDF)
Hinweis: Weitere Informationen
Tritium wurde bislang in speziellen militärischen Reaktoren erzeugt. Der Atomwaffensperrvertrag (NPT) regelt die Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung. Doch diese Trennung wird zunehmend untergraben, wie auch das Beispiel USA zeigt: Dort nutzt die TVA (Tennessee Valley Authority) mit dem Reaktor Watts Bar ein ziviles AKW zur Tritiumproduktion.
Tritium hat eine Halbwertszeit von rund 12,3 Jahren und muss deshalb regelmäßig in Atomwaffen ersetzt werden. Die Produktion ist technisch anspruchsvoll und teuer. Aufgrund steigender Kosten in zivilen und militärischen Nuklearprogrammen suchen Staaten wie Frankreich oder die USA nach „Synergien“ zwischen beiden Bereichen – was jedoch die Risiken der Weiterverbreitung von Atomwaffentechnologie erhöht.
In einem Bericht der Zeitung Artikel in der „La Novelle Republik“ heißt es, dass der AKW-Chef von Civaux, Christophe Rieu, den Start der Tests für das Frühjahr und Spätsommer 2025 angekündigt habe. Vier Meter lange Lithiumstäbe sollen dann bestrahlt werden. Danach werde das Lithium „zerschnitten“ und zum CEA-Zentrum (Commissariat à l’énergie atomique) in Valduc (Côte-d’Or) transportiert. Block 2 ist seit dem 5. April dazu in Revision, Block 1 folge ab dem 13. September. Die Arbeiten sollen jeweils drei Monate dauern. Die Genehmigung für die industrielle Phase steht noch aus.
- Weitere Informationen über das AKW Civaux und die Tritium-Thematik lassen sich auch hier zum Trident-Projekt vom Oktober 2024 finden (PDF, auf Französisch). Siehe unten eine deutsche Zusammenfassung.
Das ganze Projekt, mit dem das französische Atomwaffenprogramm ab 2030 beliefert werden soll, läuft unter dem Namen „Trident“ (Transformation industrielle d’énergie nucléaire en tritium, übersetzt etwa: industrielle Umwandlung von Kernenergie in Tritium).
Laut Rieu und dem Bericht von LNR sollen die AKWs selbst frei von Militär bleiben. Die erforderlichen Tätigkeiten auf der Anlage werden von der EDF vorgenommen. Er betont aber, dass die Sicherheit der Anlage unter Kontrolle der Atomaufsichtsbehörde (ASN) bleibt und schon jetzt von Ordnungskräften streng überwacht werde.
Weiter heißt es dort: „Wir werden bereits von der Gendarmerie überwacht. Es wird natürlich eine verstärkte Überwachung geben, da die Transporte des Lithiums unter Begleitung stattfinden.“ Als Folge des militärischen Auftrags werden auf der Anlage zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, teilte der AKW-Chef mit. Gewinne erwartet er aus diesem Geschäft nicht, allerdings werden die zusätzlichen Kosten wohl von den entsprechenden militärischen Stellen in Frankreich übernommen.
Neben TRIDENT plant EDF ein weiteres Projekt zur Herstellung von Neutronenquellen für den Start neuer Reaktoren. Hierbei sollen Americium-241 und Neptunium-237 in versiegelten Kapseln bestrahlt werden. Auch diese Tests sind für Herbst 2025 angesetzt. Lauf LNR werden für die Herstellung medizinischer Produkte in den Atomkraftwerken in Civaux bereits 30 Mitarbeiter:innen beschäftigt.
UmweltFAIRaendern hat wiederholt über die Problematik der zivilen Tritium-Herstellung für militärische Zwecke berichtet. Das Büro des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (*) hatte in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre auf entsprechende Aktivitäten in den USA hingewiesen, die auch von der Tagesschau aufgegriffen wurden.
- Grenzen verschwimmen: Atomwaffen-Komponenten aus zivilen Atomkraftwerken – Frankreich folgt Beispiel der USA
- Dokumentation Tagesschau URENCO Uran Tritium US-Atomwaffen
- Zivil-Militärisch: US-Betreiber TVA weitet Tritium-Produktion für Atomwaffen aus
- Auch der Unabhängige World Nuclear Industry Status Report 2024 thematisiert die Tritium-Tätigketein in Franreich (Sdirekt hier als Auszug/PDF zu lesen.Tritium – Civaux France Auszug aus wnisr2024-v2. Siehe dort im Gesamtbericht ab Seite 337. Das entsprechende Kapitel aus dem Bericht 2024 ist direkt hier als Auszug/PDF zu lesen.
- Siehe auch hier die Informationen von Resau Sortir de Nucleaire
(*) Der Autor dieses Artikels hatte zwischen 2014 und September 2021 für den damaligen MdB Hubertus Zdebel gearbeitet. Die Homepage-Artikel im Zusammenhang mit der Atomenergie-Thematik aus diesem Zeitraum sind inzwischen in UmweltFAIRaendern.de integriert und damit weiterhin verfügbar. Sie lassen sich über den Tag Atom-BT recherchieren und sind im genannten Zeitraum meist zu erkennen, weil kein Foto verknüpft ist.
Hintergrund: Der Konflikt im Iran um die Urananreicherungstechnik ist so eine Dual-Use-Technik, bei der Atomwaffentechnik und Atomstrom miteinander verschwimmen. Denn in diese Anlagen kann ohne weiteres waffentaugliches Uran hergestellt werden. Auch Deutschland betreibt eine solche Anlage in Gronau im Eigentum von URENCO. Nur über umfangreiche Kontrollverfahren kann sichergestellt werden, dass kein Atomwaffenmaterial erzeugt wird. Allerdings lässt der Atomwaffensperrvertrag zu, dass Forschung mit hochangereicherten Material zulässig ist. Deutschland betreibt einen Atomforschungsreaktor in München Garching – den FRM II – in dem atomwaffenfähiges Uran zum Einsatz kommt. Unter anderem auf diese Aktivitäten und die Zulässigkeit im Atomwaffensperrvertrag bezieht sich der Iran, wenn er auf die eigene Urananreicherung besteht.
Zusammenfassung aus der oben genannten PDF-Info/Newsletter per ChatGPT
Die Newsletter Nr. 21 (Oktober 2024) der Commission Locale d’Information (CLI) des Kernkraftwerks Civaux informiert über zwei bedeutende Projekte, die die Rolle der Anlage erweitern:
Projekt TRIDENT – Tritiumproduktion für die nationale Verteidigung
Das Projekt TRIDENT zielt darauf ab, Tritium durch die Bestrahlung von Lithium-6 in Reaktor 2 des Kernkraftwerks Civaux zu produzieren. Die experimentelle Phase soll Mitte 2025 beginnen und über einen Reaktorbetriebszyklus von 18 Monaten laufen. Nach der Bestrahlung werden die keramischen Lithium-6-Pellets an das Commissariat à l’énergie atomique (CEA) überführt, wo das Tritium extrahiert und analysiert wird. Eine positive Bewertung könnte den Übergang zur industriellen Produktion ermöglichen. Der Projektentwurf wird im Herbst 2024 der Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) zur Genehmigung vorgelegt.
⚛️ Neues Projekt zur Produktion von Neutronenquellen
Zusätzlich zum TRIDENT-Projekt plant EDF in Zusammenarbeit mit dem Staat und dem CEA die Entwicklung eines neuen Bestrahlungsdienstes zur Herstellung von Neutronenquellen, die für den Start zukünftiger Reaktoren erforderlich sind. Dieses Projekt umfasst zwei Technologien: ([PDF] N° 21 Octobre 2024 Le projet Trident Le nouveau projet d’irradiation …)
- GSD-Projekt mit Americium-241: Americium-241, ein Nebenprodukt des Brennstoffrecyclings, wird in versiegelten Kapseln in 4 Meter langen Hüllrohren bestrahlt. (October 2024 Newsletter – Unit – FPS – APS Engage)
- FILIERE-Projekt mit Neptunium-237: Neptunium-237 wird verwendet, um Plutonium-238 zu erzeugen. Die Bestrahlung erfolgt ebenfalls in versiegelten Kapseln innerhalb von 4 Meter langen Hüllrohren.
Die experimentelle Bestrahlung für beide Projekte ist für Herbst 2025 in Reaktor 1 geplant und soll über einen Zyklus von 18 Monaten laufen. Die Ergebnisse werden vom CEA ausgewertet, um die Machbarkeit einer industriellen Produktion zu beurteilen.
🔒 Auswirkungen auf den Betrieb und die Umwelt
Die CLI betont, dass diese neuen Aktivitäten keine Auswirkungen auf die Stromproduktion haben und die bestehenden Genehmigungsgrenzen für Tritiumemissionen in die Vienne nicht überschreiten sollen.
📅 Weitere Informationen
- Verteilung von Jodtabletten: Die staatlichen Stellen informierten über die im September 2024 gestartete Kampagne zur Verteilung von Jodtabletten.
- Öffentliche Generalversammlung der CLI: Geplant für den 11. Dezember 2024 von 14:00 bis 17:00 Uhr im Festsaal von Dienné.
Für weitere Details und aktuelle Entwicklungen empfiehlt es sich, die offiziellen Dokumente der CLI de Civaux sowie der Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) zu konsultieren.