BUND-Klage zur Stilllegung des AKW Isar 1: Abgewiesen – Teilweise erfolgreich – Sicherheitstechnisch nicht nachvollziehbar
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gegen den BUND Bayern in Sachen Atomrechtsklage zur Stilllegung des AKW Isar 1 geurteilt. Eines der Hauptthemen hatte sich bereits aufgrund der langen Fristen vor den Gerichten erledigt, nachdem der Betreiber PreussenElektra sämtliche hochradioaktiven Kernbrennstoffe aus dem Reaktor und Nasslager entfernt hatte, bevor mit Rückbaumaßnahmen begonnen wurde. Das war atomrechtlich nicht als Auflage von der Bayerischen Staatsregierung festgelegt, aber vom Betreiber umgesetzt worden. In den weiteren Klagepunkten aber fuhr der BUND Bayern eine Niederlage ein. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist hier als PDF direkt online. Der BUND hatte sich zuletzt so vor der Klage öffentlich geäußert. Die Süddeutsche hatte vor dem Urteil so berichtet. Über das Urteil berichtete der BR in dieser Weise. Allein: Die Leitsätze des Urteils sind aus Sicht von Wolfgang Neumann, der als Sachverständiger an der Klage des BUND in Bayern, vertreten durch den Anwalt Ulrich Wollenteit, beteiligt war, „aus sicherheitstechnischer Sicht nicht nachvollziehbar.“
UmweltFAIRaendern dokumentiert im Folgenden die Stellungnahme des Sachverständigen Wolfgang Neumann und ergänzt weiter unten im Text weitere sicherheitsrelevante Themen im Zusammenhang mit den AKWs bei Landshut und den hochradioaktiven Atomabfällen.
Dokumentation, hier ist der Text als PDF:
Wolfgang Neumann, Sachverständiger: Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bzgl. Stilllegung von Isar 1
Bereits die beiden Leitsätze des Urteils sind aus sicherheitstechnischer Sicht nicht
nachvollziehbar:
1. Durch den Genehmigungsvorbehalt für die Stilllegung und den Abbau einer kerntechnischen Anlage in § 7 Abs. 3 Satz 1AtG wird nicht der gesamte bei der Errichtung und Inbetriebnahme dieser Anlage angefallene Prüfungsaufwand erneut ausgelöst und die bestandskräftige Betriebsgenehmigung insgesamt in Frage gestellt.
2. Das Szenario „gezielter Flugzeugabsturz“ kann für zur vorübergehenden Lagerung von schwach- bis mittelradioaktivem Material dienende Pufferlagerflächen eines stillgelegten Kernkraftwerks dem Restrisiko zugeordnet werden (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159).
Zu 1.
Mit der Pauschalität der Feststellung wird ein erhebliches Sicherheitsrisiko provoziert. Es ist unstrittig, dass nicht der gesamte Prüfungsaufwand für die Erteilung der Betriebsgenehmigung eines Atomkraftwerkes auch für die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung erneut erforderlich ist. Aus sicherheitstechnischer Sicht ist es aber erforderlich alle Belange neu zu prüfen, für die sich die Randbedingungen durch Maßnahmen der Stilllegung oder des Abbaus verändern. Darüber hinaus muss für während Stilllegung und Abbau weiter in Betrieb befindliche Anlagenteile erneuter Prüfaufwand ausgelöst werden, wenn sich der Stand von Wissenschaft und Technik bzgl. Betriebssicherheit bzw. Störfall wesentlich geändert hat.
Letzteres muss für Isar 1 bspw. nicht bedeuten, dass die Einhaltung sicherheitstechnischer Anforderungen für den Betrieb des Reaktorlagerbeckens durch Nachrüstung auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik gebracht werden muss. Bei Nichteinhaltung ist es aber notwendig, zumindest zumutbare Nachrüstungen zur Einhaltung zu verlangen und alle stilllegungs- und abbaubedingten Tätigkeiten (z.B. Zeitpunkt, Reihenfolge) nur risikominimierend bzgl. potenzieller Strahlenbelastungen und bestimmter Störfälle zu genehmigen.
Anders als vom Bundesverwaltungsgericht ausgeführt ist es z.B. ein Unterschied, ob das Reaktorlagerbecken während des Betriebes eines Reaktors oder während des im Abbau befindlichen Reaktordruckbehälters geleert wird. Auch kann die Sicherheitsbetrachtung für ein Gebäude, in dem nach einer neuen Genehmigung (hier Abbaugenehmigung) nachhaltige bauliche Veränderungen vorgenommen werden, nicht durch eine alte Sicherheitsbetrachtung abgedeckt sein, in der der alte Bestand des Gebäudes betrachtet wurde.
Zu 2.
Der Leitsatz ist sicherheitstechnisch in der Form unhaltbar. Wenn die Auswirkungen des Flugzeugabsturzes ausschließlich durch die auf Pufferlagerflächen befindlichen radioaktiven Reststoffe verursacht würden, könnte wegen des im Vergleich zu anderen Anlagenorten relativ geringen Radioaktivitätsinventars über den Leitsatz diskutiert werden. Der Absturz eines Großraumflugzeuges wird aber niemals nur die Pufferflächen betreffen, sondern auch an anderer Stelle befindliche Radioaktivitätsinventare. Freisetzungen können damit umfangreicher sein als die für die Einordnung als Restrisiko berücksichtigte Radioaktivität.
Die gerichtliche Interpretation des geringen Symbolwertes von Pufferlagern für einen gezielten Flugzeugabsturz verkennt die nicht rationale Handlungsweise von Terroristen. Auch kann ein gezielter Absturz zwar die Atomanlage als solche genau treffen, ob aber das Maschinenhaus mit Pufferlagerflächen oder das Reaktorgebäude (in dem sich übrigens auch Pufferlagerflächen befinden) getroffen wird, ist nicht zwingend bestimmbar.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt im Urteil sogar ausdrücklich fest, dass der gezielte Absturz auf das Reaktorgebäude nicht dem Restrisiko zuzuordnen sei. Die Widersprüchlichkeit im Urteil lässt sich nur durch mangelndes Verständnis des Gerichtes bzgl. der sicherheitstechnischen Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes erklären.
Fazit
1. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bedeutet eine verminderte gerichtliche Überprüfbarkeit der Gewährleistung der nach Atomgesetz erforderlichen Vorsorge.
2. Der dynamische Grundrechtsschutz wird durch mangelnde Würdigung des Standes von Wissenschaft und Technik ausgehebelt.
3. Die vom Gericht vorgenommene Einordnung der Stilllegungs- als quasi Änderungsgenehmigung der Betriebsgenehmigung ist genehmigungstechnisch und aus sicherheitstechnischer Sicht nicht nachvollziehbar.
Berlin, 5.04.2021
Wolfgang Neumann
Noch mehr hochradioaktiver Atommüll
Zusätzlich zu den am AKW Isar 1 und 2 erzeugten radioaktiven Abfällen sollen künftig auch weitere Atommüllbehälter aus der Wiederaufarbeitung von bestrahlten Brennelementen aus dem Ausland in der Zwischenlager am Standort in der Nähe von Landshut zurücktransport werden. Das Genehmigungsverfahren für die Einlagerung dieser besonderen in Glas eingeschweißten radioaktiven plutoniumhaltigen Abfälle ist noch nicht abgeschlossen. Ein erster Transport solcher Abfälle, die früher in das Zwischenlager nach Gorleben verschoben wurden und im Rahmen eines Kompromisses bei der Endlagersuche gestoppt wurden, war Ende 2020 von Sellafield in England nach Biblis durchgeführt worden. Weitere Atommülltransporte Sellafield und auch aus La Hague in Frankreich sollen noch nach Brokdorf und nach Philippsburg transportiert werden. Gegen die Einlagerungsgenehmigung dieser speziellen und im Vergleich zu den bislang in Castoren eingelagerten Brennelementen andersartigen Abfälle hat der BUND in Hessen klage erhoben. Zu diesen Themen hat umweltFAIRaendern vielen Informationen online, einfach die Stichwortsuche z.B. mit „Castor“ oder „Atomtransporte“ oder den jeweiligen Standorten nutzen.
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Dokumentation: Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Klage des BUND Naturschutz gegen die Abrissgenehmigung des AKW Isar 1