Hunderte Atomtransporte auf der Ostsee
„Über die Ostsee findet ein reger Handel mit Nuklearmaterial zwischen dem europäischen Festland sowie Skandinavien und Russland statt. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei zeigt jetzt: Seit 2011 sind mindestens 400 nukleare Güter wie frische Brennstäbe oder Uran in den Häfen Hamburg oder Rostock umgeschlagen worden. Etwa 300 Transporte wurden über Autofähren abgewickelt – häufig reguläre Ostsee-Passagierfähren. Mindestens 100 weitere wurden auf Eisenbahnfähren verschifft.“ So berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung über die Ergebnisse einer Kleiner Anfrage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE.
- Die Anworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des MdB Hubertus Zdebel (PDF)
Auch die SHZ, die Welt und andere Medien berichten über die Atomtransporte über die Ostsee.
Gegenüber der NOZ sagte Zdebel: „Zahlreiche Atomtransporte über die Ostsee und vor allem den Rostocker Hafen finden statt, damit Atomanlagen im benachbarten Ausland in Betrieb bleiben können. Auch der Hamburger Hafen ist oftmals Drehscheibe für derartige Atomtransporte. Rund die Hälfte dieser Atomtransporte geht nur im Transit über deutsche Straßen. Den deutschen Häfen den Umschlag von Atommaterialien zu sperren, wie es Bremen vorgemacht hat, sollte endlich auch in Rostock und Hamburg geprüft werden.
Für die Bundesrepublik zeigt sich bei den Atomtransporten die Bedeutung der beiden Uranfabriken in Gronau und Lingen, die bis heute vom Atomausstieg ausgenommen sind. Das internationale Urangeschäft auch über die Ostsee mit Skandinavien und Russland ist durch diese Anlagen verursacht und würde weiter auf hohem Niveau bleiben, wenn nicht endlich auch diese Anlagen stillgelegt werden.
Bedenklich stimmt mich, dass die Bundesregierung keine Informationen hat, ob bei diesen Atomtransporten über die Ostsee weiterhin auch Passagierfähren eingesetzt und Reisende, ohne es zu ahnen, nuklearen Risiken ausgesetzt werden.“
Zusammenfassung: Daten und nicht angeführte Atomtransporte:
Seit 2011 mindestens 304 Atomtransporte mit Kernbrennstoffen wie Brennelementen und angereichertes Uranoxid über Deutschlands Ostsee-Küste. Hinzu kommen ca. 94 Atomtransporte mit sonstigen radioaktiven Abfällen bzw. radioaktiven Mischabfällen, die per Bahn und über die Ostsee gegangen sind. Zahlreiche Atomtransporte mir sonstigen radioaktiven Stoffen werden aber nicht erfasst, weil diese kein angereichertes Uran enthalten. Dazu zählt z.B. Urankonzentrat und aus diesem hergestelltes Uranhexafluorid. Keine Angaben macht die Bundesregierung darüber, wieviele der radioaktiven Atomtransporte mit Passagierfähren oder Frachtfähren stattgefunden haben. Lediglich bei den Atomtransporten der Bahn (94 mal) wurden Frachtfähren eingesetzt.
Insgesamt 195 der Atomtransporte über die Ostsee durchfuhren Deutschland lediglich im Transit, hatten in Deutschland also keinen Empfänger oder Absender.
In 227 Fällen war der Rostocker Hafen vor allem mit Fähren der Scandlines und der Stena-Linie Durchgangstation für Kernbrennstofftransporte . Hinzu kommen mit der Bahn durchgeführte Atomtransporte mit sonstigen radioaktiven Stoffe bzw. Mischabfällen, die meist von deutschen Atomanlagen über die Ostsee ins schwedische Studsvik zur sogenannten Konditionierungen transportiert wurden. Im Zeitraum von 2011 bis heute sind demnach insgesamt 321 Atomtransporte über Rostock abgewickelt worden. Die Bahntransporte wurde nicht über Passagierfähren abgewickelt.
In 78 Fällen fuhren die Atomtransporte per Schiff über die Ostsee und den Nordostsee-Kanal, 77 mal war dann der Hamburger Hafen als Umschlagsort Ziel der Atomtransporte.
Während sehr viel dieser Transporte über die Ostsee nur im Transit durch Deutschland weiter rollten und z.B. zu Atomkraftwerken in Frankreich oder der Schweiz rollten, waren in 75 Fällen die Uranfabriken in Lingen (NDS) oder Gronau (NRW) Absender oder Empfänger von Kernbrennstoffen, die über die Ostsee transportiert worden.
Während in Hamburg Atomtransporte intensiv kontrolliert werden, erfolgten in Mecklenburg Vorpommern nur vereinzelt oder 2017 aus Personalmangel gar keine Kontrollen statt. Auch in Schleswig Holstein (NOK) erfolgten keine Kontrollen der radioaktiven Frachten. In Bremen, wo der Umschlag von Kernbrennstoffen seit Jahren verboten ist, wurde nur sonstige radioaktive Stoffe befördert. Zwischen 2015 und 2017 wurden 45 solcher Transporte ohne Beanstandungen kontrolliert.
Weitere nicht erfasste Atomtransporte
In den Daten der Bundesregierung fehlen in der Rubrik „sonstige radioaktive Stoffe“ Atomtransporte mit Uranzerzkonzentrat oder Uranoxid. Ebenso fehlen Atomtransporte mit Uranhexafluorid im abgereicherten bzw. natürlich Zustand. Diese Atomtransporte, bei denen der spaltbare Anteil von Uran 235 NICHT angereichert wurde, gelten nicht als Kernbrennstoffe und sind vom Bundesamt für kerntechnische Sicherheit nicht genehmigungspflichtig. Derartige Atomtransporte finden durchaus häufig statt, so dass die tatsächliche Summe der Atomtransporte über die Ostsee und den NOK seit 2011 deutlich höher anzusetzen ist. Außerdem dürften radioaktive Abfälle neben der Bahn auch per LKW und Fähre zur Konditionierung nach Studsvik stattfinden. Diese Atomtransporte werden nicht erfasst.
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