Fusionstechnologien sind vielversprechend für die Zukunft, der Ausbau der Technologie sollte den Ausbau erneuerbarer Energien jedoch nicht bremsen. Dies haben Sachverständige bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch, 27. September 2023, betont. Grundlage war ein Antrag (20/6907) der CDU/CSU-Fraktion zur „Stärkung der Fusionsforschung auf Weltklasseniveau“. Die Union hatte in dem Antrag unter anderem von der Bundesregierung gefordert, auf Fusionstechnologie zu setzten, um die Energiewende voranzutreiben und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.
„Industrielle, technologische und personelle Basis“
Zustimmung zum Antrag kam von Prof. Dr. Thomas Klinger, dem Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Er wies darauf hin, dass Fusion die einzige noch nicht primär von der Menschheit genutzte Energiequelle und ferner eine CO2-neurale Technologie sei. Somit sprächen alle Gründe dafür, an Fusion weiterzuforschen, sagte der auf Vorschlag der SPD eingeladene Sachverständige.
Zwar sei die Technologie nuklear, jedoch gebe es in der Bundesrepublik bereits gute Gesetze zum Strahlenschutz. Um Fusion aber tatsächlich in Deutschland nutzbar zu machen, brauche es eine „industrielle, technologische und personelle Basis“.
Sachverständige sehen noch einen langen Weg
Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz Sprind, betonte, dass nicht nur, weil „Atom“ in der Fusionstechnologie vorkomme, Fusionskraftwerke auch so reguliert werden sollten wie Atomspaltungswerke. Beides seien komplett unterschiedliche Technologien. Auch wies der auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingeladene Sachverständige darauf hin, dass es noch rund 15 bis 20 Jahre dauern werde, bis Fusionskraftwerke betrieben werden könnten. So lange müsse die Weiterentwicklung und Nutzung von erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Solar und Geothermie vorangetrieben werden.
Prof. Dr. Mario Ragwitz von der Fraunhofer Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG betonte ebenfalls, dass der Weg bis zur technischen Nutzung des Fusionsprinzips für die Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk noch weit sei und etliche Risiken bürge. So dürften nicht alle Hoffnungen auf die Fusionsforschung gesetzt werden, sagte der auf Vorschlag der Fraktion Die Linke eingeladene Sachverständige. Die Transformation des Energiesystems werde sich in den kommenden zwei Jahrzehnten auf weitgehend bekannte Technologien, die erneuerbaren Energien, stützen. So müsse der aktuell eingeschlagene Weg fortgesetzt werden.
Langfristiges Potenzial zur Energiegewinnung
Prof. Dr. Rüdiger Quay, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik, sprach sich deutlich für die Förderung der Fusionsforschung durch die Bundesregierung aus. So böte die Fusionsforschung ein langfristiges Potenzial zur Energiegewinnung aus der Kernfusion. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche Deutschland aber ein „Innovationsökosystem für die Fusionsforschung“.
Dazu gehöre ein starkes wissenschaftliches Programm, offene Forschungsinfrastrukturen, die Beteiligung einer kompetenten Industrie sowie die internationale Zusammenarbeit zur Nutzung der knappen Ressourcen, sagte der auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladene Sachverständige.
Internationaler Wettlauf um Fusionstechnologien
International sei bereits erkennbar, dass ein Rennen um Fusionstechnologien begonnen habe, sagte der auf Vorschlag der CDU/CSU eingeladene Sachverständige Prof. Dr. Markus Roth, Arbeitsgruppenleiter Laser und Kernphysik an der Technischen Universität Darmstadt und Chief Science Officer der Focused Energy GmbH. Daher müssten Schlüsseltechnologien, bei denen Deutschland Wettbewerbsvorteile habe, weiter ausgebaut werden. Nur so könne die deutsche Industrie auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.
Forschung und Aufbau von Fusionszentren sollten in enger Zusammenarbeit mit Start-up-Unternehmen und der Industrie erfolgen. So könnten staatliche Mittel und private Investitionen kombiniert werden.
Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft
Prof. Dr. Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik verwies auf fehlende Fachkräfte in den Fusionstechnologien. Daher appellierte er, dass künftig mehr Menschen in den Disziplinen ausgebildet werden sollten, die in der Fusionsforschung benötigt werden. Außerdem sei eine enge Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft im Bereich der Fusionstechnologien nötig.
Der auf Vorschlag der AfD eingeladene Sachverständige betonte, dass neben der Industrie auch die Grundlagenforschung weiter gestärkt werden müsse.
Antrag der Union
Um die Energiewende voranzutreiben und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss die Bundesregierung aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion auf Fusionstechnologie setzen. Die Abgeordneten fordern von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Fusionsenergie. Außerdem solle sie den Bau von zwei Fusionsreaktoren mit konkurrierender Technik beauftragen.
Prognosen zufolge werde der Strombedarf in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2050 auf das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zum Jahr 2020 ansteigen, schreiben die Antragsteller. Gemessen an diesem zusätzlichen Energiebedarf könne die Fusionstechnologie zum „Gamechanger“ werden, da sie große Menschen Strom erzeugen könne und mit ihr gleichzeitig keine „direkten CO2-Emissionen, kein Langzeit-radioaktiver Müll und kein Explosionsrisiko“ einhergehen würde. (cha/des/27.09.2023)
Zeit: Mittwoch, 27. September 2023, 9.30 Uhr bis 11.20 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal Sitzungssaal 4.300
Ein Gedanke zu “Atom-Fusionsforschung im Bundestag – Anhörung”