Uranfabrik Lingen: Russland-Geschäfte zur wirtschaftlichen Rettung?

Ohne die angestrebten Geschäfte mit dem russischen Atomkonzern Rosatom könnte die Uranfabrik in Lingen möglicherweise dichtgemacht werden. Nur noch wenige Atomkraftwerke werden aus Lingen mit Uran-Brennelementen beliefert. Die zum französischen Konzern Framatome gehörende Anlage in Lingen ist schon seit vielen Jahren nicht mal mehr zur Hälfte ausgelastet. (Brennelementefertigung bei ANF Lingen, Foto Framatome.)
- Der Genehmigungsantrag der ANF Lingen für die Fertigung von VVER-Brennelementen mit Rosatom liegt beim niedersächsischen Umweltministerium zur Prüfung. Es hat im atomrechtlichen Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren tausende Einwendungen gegen diese Pläne gegeben. Sicherheitsbehörden des Bundes und das BMU sind engstens an der Prüfung beteiligt. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs gibt es erhebliche Sicherheitsbedenken: Sicherheits- und Atombehörden prüfen: Uran-Brennstoff mit russischer Unterstützung „Made in Germany“ – auf Antrag Frankreichs
- Der EDF-Anteil an Framatome beträgt seit Anfang 2024 insgesamt 80,5 Prozent. Die übrigen 19,5 Prozent verbleiben im Besitz von Mitsubishi Heavy Industries (MHI).
Frankreichs Atomprogramm unter dem Dach von EdF und Framatome ist massiv verschuldet und Teil der finanziellen Krise des Landes. Von einem Schuldenberg von ca. 50 Milliarden Euro ist immer wieder Rede. In diesem Zusammenhang ist der wirtschaftliche Betrieb der ANF Lingen derzeit sicher als eine dauerhafte Belastung anzusehen. Allein schon deshalb sind die Pläne für eine Kooperation mit Rosatom zur künftigen Fertigung von VVER-Brennelementen von großer Bedeutung für den Standort. Bereits jetzt kommen große Mengen des Urans, welches in Lingen für die herkömmliche Brennelemente-Fertigung eingesetzt wird, über Russland.
Siehe dazu:
- FR: Die Atomkraft in Frankreich ist ein finanzielles Desaster
- Nuclear-Free: Frankreich: Hohe Staatsverschuldung auch wegen Atomkraft
Geschäftsfeld Maschinenbau für Uran-Fertigung
Wichtig aber auch: In Lingen werden auch Maschinen und Komponenten zur Brennelemente-Herstellung gebaut und exportiert. In den letzten Jahren war Kasachstan einer der wichtigen Geschäftspartner. Auch dort kooperiert Framatome mit Rosatom.
- Statt Menschenrechte: Uran-Bank in Kasachstan
- Trotz Krieg: Ungestörte Urangeschäfte – Russisches Uran über emsländisches Lingen nach Kasachstan für Chinas AKW mit französischer Hilfe und deutschen Genehmigungen
Im Lagebericht teilt die ANF Lingen für das Geschäftsjahr 2023 mit: „Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 111.375 (Vorjahr: 113.400) Brennstäbe gefertigt und zu 599 (Vorjahr: 544) Brennelementen unterschiedlicher Auslegung montiert. Wie geplant wurde kein Tails-Urandioxidpulver (Vorjahr: 106 t) mehr hergestellt und nach Frankreich ausgeliefert, da die Produktion bereits in 2022 kontrolliert beendet wurde.“
Im Bericht der Wirtschaftsprüfer für den Bericht 2023 heißt es auch: „Die Produktionsmengen lagen dagegen etwas unter dem Vorjahresniveau und damit in etwa im prognostizierten Rahmen. Im Detail wurden 111.375 Brennstäbe (Vorjahr: 113.400) zu 599 Brennelementen (Vorjahr: 544) montiert.“
Uran-Brennelemente-Fertigung weiterhin nicht ausgelastet
Die Verarbeitung von Uran für Brennstoff nimmt bei der ANF Lingen seit Jahren ab und ist deutlich unter 50 Prozent der möglichen zulässigen Produktion. Um die Urangeschäfte anzukurbeln, will Frankreich gemeinsam mit Russland von Lingen aus besonders geformte Brennelementen für die russischen Reaktoren bauen, die in Osteuropa vielfach im Einsatz sind. Diese haben bereits teilweise Verträge mit Westinghouse in Schweden, aber es mangelt noch an Zulassungen für den Einsatz der eigenständig entwickelten VVER-Brennelemente, wie diese genannt werden.
Framatome will mit russischer Hilfe einerseits preiswerte VVER-Brennelemente anbieten, die außerdem noch mit russischer Hilfe über alle erforderlichen Genehmigungen zum Einsatz in den Reaktoren verfügen. Scheitert dieses Geschäft, weil angesichts des Krieges in der Ukraine solche Atomgeschäft zu viele Sicherheitsrisiken bedeuten?
Als Antwort auf eine schriftliche Anfrage eines grünen Abgeordneten (Harald Ebner, siehe dazu unten) hat die alte Bundesregierung Zahlen genannt, wie schlecht die Auslastung der Uranfabrik in Lingen ist. Zuletzt hatte ein Abgeordneter der Linken solche Daten abgefragt.
- Krise Uranfabrik Lingen: Nicht mal mehr auf halber Leistung
- Alles über VVER oder WWER Brennelemente auf umweltFAIRaendern.de
Daten zur Brennelemente-Fertigung veröffentlicht Framatome für den Standort in den Betriebsberichten.
- Juli 2025: 10 Brennelemente mit 4,588 tU
- Juni 2025: Es wurden 18 Brennelemente mit 8,259 tU ausgeliefert
- Mai 2025: Es wurden 36 Brennelemente mit 19,252 tU ausgeliefert
- April 2025: Im April 2025 wurden 34 Brennelemente mit 17,425 tU ausgeliefert
- März 2025: Im März 2025 wurden 59 Brennelemente mit 20,401 tU ausgeliefert
- Februar 2025: Im Februar 2025 wurden 100 BE mit 27,845 tU ausgeliefert.
- Januar: Keine Angaben – nicht online.
In der Summe – ohne die Daten von Januar: Von Februar bis Julia August 2025 wurden bei der ANF Lingen 257 Brennelemente hergestellt und dabei 97,770 Tonnen Uran ausgeliefert.
Die dafür durchgeführten Atomtransporte zu den jeweiligen Empfängern sind über die Exportgenehmigungen zur Ausfuhr von Kernbrennstoffen bei der BAFA bzw. dem BMU einzusehen. Eine Liste mit den durchgeführten Atomtransporten und dem Absender (und Empfänger) ANF Lingen ist beim BASE online verfügt. Kernbrennstoffe werden überwacht. In ihnen ist das spaltbare Uran235 per Urananreicherung für die Nutzung im Reaktor von ca. 0,7 Prozent im Naturzustand auf 3 – 6 Prozent erhöht worden, um die Kettenreaktion zu ermöglichen.
Dokumentation über die Daten zur Auslastung der BE-Fertigung in Lingen in den letzten Jahren:
Drucksache 20/10863 – 80 – Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode
124. Abgeordneter Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), (PDF)

Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Auslastung der Uran-Brennelementefabrik der Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) in Lingen jeweils in den Jahren 2020 bis 2024 gemessen an der Kapazität der Anlage und bezogen auf das Jahr 2010, und an welche Atomkraftwerke sind im Jahr 2022 und 2023 von Lingen aus frische Brennelemente geliefert worden?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Jan-Niclas Gesenhues vom 27. März 2024
Die Angaben der atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsbehörde (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz) zur Auslastung der Brennelementfertigung der Brennelementfertigungsanlage Lingen können für die Jahre 2020 bis 2023 der nachfolgenden Tabelle entnommen werden (die zugrundeliegenden Daten sind für die Jahre 2020 bis 2022 öffentlich zugänglich, siehe https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Nuclear_energy_statistics#Production_of_fresh_fuel_assemblies, Excel-Tabelle unter „Source data for tables and graphs“). Für das Jahr 2024 liegen noch keine Angaben vor.
Jahr
Tabelle
Jahr – Uranmasse der hergestellten Brennelemente (Megagramm) – Auslastung bezogen auf genehmigte Kapazität (Prozent) – Auslastung bezogen auf 2010 (Prozent)
2020 193,0 30 42
2021 185,0 28 41
2022 169,3 26 37
2023 178,1 27 39
Neben Brennelementen wurden weitere Produkte wie Uranoxidpulver und Brennstäbe ausgeliefert, die signifikante Fertigungskapazitäten banden.
In den Jahren 2022 und 2023 wurden folgende Atomkraftwerke mit frischen Brennelementen beliefert:
– Beznau, Schweiz
– Blayais, Frankreich
– Borssele, Niederlande
– Dampierre, Frankreich
– Doel, Belgien
– Forsmark, Schweden
– Gösgen, Schweiz
– Leibstadt, Schweiz
– Olkiluoto, Finnland
– Ringhals, Schweden
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