Atomwaffenfähiges Plutonium auf geheimer Auslands-Reise – Gescheiterte Plutonium-Wirtschaft und nukleare Risiken

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Atomtransporte mit waffenfähigem Plutonium aus Deutschland und der Schweiz. Mit gepanzerten Spezialfahrzeugen der Firma DAHER-Transkem und unter hohem Sicherheitsaufwand wurden auch mehr als 500 Gramm Plutonium über Nordenham in die USA verschifft. Foto: Transkem

Unter höchster Sicherheitsstufe ist ein Gemisch aus hochangereichertem Uran und Plutonium (MOX) aus Deutschland und der Schweiz in die USA transportiert worden. Der Anreicherungsgrad des Urans beträgt dabei mehr als 20 Prozent des spaltbaren Anteils Uran 235. Insgesamt sollen über 500 Gramm Plutonium enthalten gewesen sein. In drei gepanzerten Spezialfahrzeugen unter massivem Polizeischutz war das als Pulver und als Pellets vorliegende Uran-Plutonium-Gemisch am 25.1.2016 über Nordenham in die USA verschifft worden. Das bestätigt das Bundesumweltministerium auf Anfrage. Zu den Einzelheiten will das Ministerium derzeit keine weiteren Angaben machen, da die USA um entsprechende Geheimhaltung gebeten haben. Hintergrund ist ein Proliferationsabkommen, nachdem die USA (hochangereicherte) Kernbrennstoffe aufnehmen, um einem militärischen Missbrauch vorzubeugen.

Obwohl das Bundesumweltministerium und auch das Bundesamt für Strahlenschutz derzeit keine Angaben zum konkreten Herkunftsort dieses brisanten Uran-Plutonium-Gemisches machen wollen (lediglich über die Herkunftsländer und den Transporttermin berichtet das BfS – siehe in den angegebenen Links), kommen eigentlich nur zwei Absender in Frage: Das Institut für Transurane am ehemaligen Atomforschungszentrum in Karlsruhe und das so genannte Paul-Scherer-Institut in der Schweiz.

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OceanicPintaildeparting Charleston, South Carolina – Der britische Atomtransporter-Frachter Oceanic Pintail im US-Hafen Charleston, South Carolina. ©Savannah River SiteWatch

UPDATE: Die us-amerikanische Umweltorganisation „Savannah River Site Watch“ berichtet per PM (PDF) die Ankunft des Transports aus dem Hafen Nordenham in Charleston, South Carolina. Für den Transport wurde das speziell für Atomtransporte umgebaute britische Schiff Oceanic Pintail eingesetzt. Weitere Einzelheiten in der PM.

Waffen-Plutonium als nukleare Energiequelle – US-Programm in der Krise

Die Transporte des Plutonium-Uran-Gemisches fanden im Rahmen eines gemeinsamen internationalen Programms der USA und Russland statt, mit dem atomwaffenfähiges Material von den beiden Staaten zurück genommen wird. Zuvor hatten die beiden Staaten sich darauf verständigt, Plutonium aus den jeweiligen Atomwaffen zu „reduzieren“. Insgesamt 34 Tonnen Waffen-Plutonium wurden aus dem militärischen Bereich abgezogen und für die Energieerzeugung eingesetzt. Megatons to MegaWatts (World-Nuclear) war der Name dieses Programms.

Seit 2010 gibt es außerdem die Nuclear Security Summit (NSS), eine internationale Konferenz zur Nuklear-Sicherheit. Auf der letzten Sitzung in Den Haag im Jahr 2014 ging es unter anderem auch um sogenannte „schmutzige“ Atomwaffen und Nuklear-Terrorismus (eine Übersicht der Konferenzen hier auf der Homepage der US-Regierung). Die nächste NSS wird am 31. März 2016 in Washington stattfinden. Ziel dieser Konferenz ist es, aus möglichst vielen Ländern waffenfähiges Material unter Kontrolle zu bringen, indem es an die USA oder Russland übergeben wird. So sollen die wachsenden Gefahren eines  Nuklear-Terrorismus eingeschränkt werden.

Das US-Programm zur „Zivilisierung“ der enormen Plutoniumbestände hat derzeit allerdings schwere Schlagseite. Das Waffen-Plutonium soll in Form von Mischoxid-Brennelementen (MOX) in kommerziellen Atomreaktoren eingesetzt werden. Danach ist es in einer hochradioaktiven Abfall-Matrix – bestrahlten Brennelementen – als Atommüll gebunden und könnte nur unter hohem technischen Aufwand wieder extrahiert werden.

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Im Bau befindliche Plutonium-Fabrik in den USA gerät zum Desaster. Foto: ©High Flyer, special to SRS Watch

Doch der Bau einer solchen Plutonium-MOX-Fabrik gerät in den USA inzwischen zum finanziellen Desaster. Bereits jetzt sind für die im Bau befindliche Anlage laut New York Times schon 4,6 Mrd. US-Dollar ausgegeben worden. Aktuelle Kostenschätzungen gehen davon aus, dass die Kosten bis zur Fertigstellung mindestens 9,4 Mrd. Dollar betragen werden und das Projekt insgesamt noch auf Kosten von 21 bis zu 30 Mrd. US-Dollar ansteigen kann.

Auch die Umweltorganisation „Savannah River Site Watch“ (SRS) setzt sich auf ihrer Homepage intensiv mit den Entwicklungen um den Bau der MOX-Fabrik auseinander. Dort wird sogar von Baukosten in Höhe von rund 12 Mrd. US-Dollar berichtet und von 51 Mrd. Dollar für das Gesamtprogramm. Die Organisation fordert das sofortige Aus für diese Pläne.

  • Für den Bau der MOX-Anlage ist der französische Atomkonzern AREVA verantwortlich, der auch in Frankreich für das gesamte Plutonium-Programm verantwortlich ist und dort eine entsprechende Fertigungsanlage betreibt. Auch AREVA hat große wirtschaftliche Probleme: AREVA am Ende: Milliarden Subventionen und EDF

Daher findet in den USA derzeit eine Debatte statt, den Bau der MOX-Fabrik einzustellen. Stattdessen könnte das Plutonium zusammen mit hochradioaktiven Abfällen vermischt „endgelagert“ werden. Der Haken daran: Auch ein solches Lager für hochradioaktive Abfälle gibt es in den USA nicht.

Die New York Times berichtete vor wenigen Tagen in einem ausführlichen Artikel über die massiven Probleme des US-amerikanischen Plutonium-Programms und dem Tauziehen um den Weiterbau oder die Beendigung der Bauarbeiten an der MOX-Fabrik.

Eine Entscheidung über die Zukunft der MOX-Anlage ist jüngst bei den Haushaltsberatungen in den USA erneut von der Obama-Regierung und dem zuständigen Department of Energy (DOE) vertagt worden, berichtet SRS-Watch auf der genannten Homepage.

Ein weiteres Problem der MOX-Planungen: Die AKW-Betreiber in den USA haben keinerlei Interesse an dem Einsatz dieser Brennelemente, da sie den Betrieb der Anlagen komplizierter machen und außerdem zu deutlich erhöhtem Sicherheitsaufwand führen.

Deutsche Plutonium-Wirtschaft gescheitert – MOX als Notlösung

Das jetzt aus Deutschland in die USA geliefert Plutonium-Uran-Gemisch dürfte – auch wenn die Behörden das weder bestätigen noch dementieren – aus dem Institut für Transuran der ehemaligen Kernforschungsanlage Karlsruhe stammen. Dort ist jahrelang an den sogenannten MOX-Brennelementen geforscht worden. Gegenüber herkömmlichen reinen Uran-Brennelementen sind diese erheblich komplexer sowohl in der Herstellung als auch im Einsatz. Diese besonderen Brennelemente sind in zahlreichen bundesdeutschen Atomkraftwerken zum Einsatz gekommen, nachdem in den Wiederaufarbeitungsfabriken in Frankreich (La Hague) und England (Sellafield) abgebrannte Uranbrennelemente aufgearbeitet wurden. Dabei fiel im Tonnen-Maßstab als vermeintlicher „Wertstoff“ Plutonium an.

Ehemals vorgesehen war, dieses Plutonium in so genannten Schnellen Brütern zur Stromerzeugung einzusetzen. In Deutschland war ein entsprechender Reaktor in Kalkar im Bau. In Hanau sollten von Siemens die MOX-Brennelemente mit Uran und Plutonium hergestellt werden. Eine Pilotanlage gab es bereits, eine größere Anlage war im Bau. Um unabhängig vom Ausland zu sein, sollte eine Wiederaufarbeitungsanlage im bayerischen Wackersdorf entstehen.

Gegen alle diese Atomanlagen im Plutonium-Zweig gab es massive Proteste. Nicht nur, weil Plutonium als Ultra-Gift mit noch einmal deutlich erhöhten Risiken in der Atomspirale verbunden ist, sondern weil dieser Stoff direkt für den Einsatz in Atomwaffen geeignet ist. Sämtliche Anlagen der „Plutonium-Wirtschaft“ – der Schnelle Brüter von Kalkar, die MOX-Anlagen von Siemens in Hanau samt eines Plutonium-Bunkers, sowie die WAA Wackersdorf wurden Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre in Deutschland entweder stillgelegt oder verhindert.

Die Wiederaufarbeitung im Ausland allerdings sorgte für wachsende Plutoniumberge, für die es im Grunde keine Verwendung gab. Aus diesem Grund wurden die Mischoxid-Brennelemente „erfunden“, die in normalen Atomkraftwerken eingesetzt werden konnten.

  • Hintergrund dieser absurden Vorgehensweise waren rechtliche Regelungen zum Betrieb der Atomkraftwerke. Um ein AKW betreiben zu können, brauchte es nach einem Urteil aus dem Ende der 70er Jahre (zum Baustopp des AKW Brokdorf) einen Nachweis, wie denn der anfallende Atommüll „entsorgt“ werden könnte. Die damals von Helmut Schmidt (SPD) geführte Bundesregierung sorgte daher gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) für die Entscheidung, dass in Gorleben an einem vermeintlichen „Endlager“ geforscht werden sollte. Bis zu dessen Inbetriebnahme wurden die hochradioaktiven Brennelemente aus deutschen Reaktoren zur „Wiederverwertung“ nach Frankreich und später auch nach England geschickt. Diese Kombination aus Endlager-Forschung in Gorleben und Wiederaufarbeitung als „Warteschleife“ erfüllten die von den Gerichten geforderten Nachweise für die „Entsorgung“ der radioaktiven Abfälle und ermöglichten so den Weiterbetrieb der Atommeiler. Das Ergebnis: Tonnenweise Plutonium, das nun zum Nachweis der „Wiederverwertung“ in teure und technologisch gefährliche Uran-Plutonium-Brennelemente für den Einsatz in normalen AKWs verarbeitet werden musste.

Da die gesamte Radio-Chemie solcher MOX-Brennelemente sich von den herkömmlichen Uran-Brennelementen deutlich unterschied, musste intensiv geforscht werden. Einer der Orte: Das damalige Kernforschungszentrum Karlsruhe. Dort gab es bereits auch eine Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung abgebrannter Uran-Brennelemente, die von 1971 bis 1990 betrieben und nach dem Aus von Wackersdorf stillgelegt wurde (Übersicht hier). Für dessen hochradioaktive Abfälle musste eigenes eine besondere Atommüll-Fabrik zur Verglasung dieser Abfälle errichtet werden. Der Abfall aus der WAK lagert heute in Lubmin bei Greifswald bei den EnergieWerken-Nord (siehe dazu hier).

Spurensuche: Auferstanden aus Verbrechen – Deutsche Atomschmiede in Karlsruhe und ein Whistleblower

Dirk Seifert

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