Umsetzung Volksentscheid Energienetze Hamburg: Vattenfall verzögert neues Fernwärme-Kraftwerk in Wedel

Altes Kohle-Heikraftwerk in Wedel soll ersetzt werden. BürgerInnen fordern mehr Mitbestimmung. Foto: Dirk Seifert
Altes Kohle-Heikraftwerk in Wedel soll ersetzt werden. BürgerInnen fordern mehr Mitbestimmung. Foto: Dirk Seifert

Der Neubau eines Fernwärme-Kraftwerks in Wedel ist genehmigt, aber Vattenfall will mit dem Bau vorerst nicht beginnen. Der erfolgreiche Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Energienetze kommt dem Konzern nun in die Quere. Denn auch die Fernwärmeversorgung, die bislang von Vattenfall betrieben wurde, soll jetzt in die öffentliche Hand wechseln. Vattenfall bestreitet zwar, dass die Stadt Hamburg dazu auch das Recht hat und daher wird die Eigentumsfrage vor Gericht zu erklären sein. Doch eigentlich sollte am Standort Wedel das alte kohlebefeuerte Kraftwerk gegen ein neues GuD-Heizkraftwerk ersetzt werden. Das Kraftwerk ist bis heute heftig umstritten, weil es z.b. einen Alternativenvergleich nicht gegeben hat und Vattenfall lange zeit auf einen völlig überdimensionierten Neubau setzte und die BürgerInnen in keiner Weise beteiligt wurden.

Der NDR berichtet jetzt, dass Vattenfall auf die Bremse tritt und vorerst die Aufträge für den Bau nicht auf den Weg bringen will. Doch die bisherigen Absprachen zwischen der Stadt Hamburg und Vattenfall sind nach dem Volksentscheid hinfällig: “”Bevor wir nicht wissen, wieviel Energie dieses Kraftwerk überhaupt produzieren soll, können wir nicht anfangen”, sagte Wasmuth. “Auch wenn die Stadt selber Eigentümer wäre, hat sie dann weitere Ausbauziele? Hält sie an denen fest, die wir mal gemeinsam definiert haben? Will sie andere Rahmenbedingungen setzen? Das sind notwendige Informationen, um zu überlegen, was man am Standort Wedel jetzt richtigerweise tut.””

UPDATE: Wie üblich berichtet Vattenfall nur die Hälfte der Wahrheit. Die Genehmigung für den Kraftwerksbau liegt zwar vor, ist aber noch nicht rechtssicher, weil noch Widersprüche erhoben werden können. Außerdem steht die Baugenehmigung in Verbindung mit der Genehmigung für die erforderliche Gaspipeline, die in einem eigenen Verfahren läuft und noch nicht abgeschlossen ist bzw. möglicherweise noch nicht einmal beantragt ist. Und  am 23. Februar wird dann noch ein Bürgerentscheid in Wedel stattfinden, bei dem es um die Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren und den Bebauungsplan der Stadt Wedel geht. Kerstin Lueckow, Sprecherin der Bürgerinitiative „Stopp! Kein Mega-Kraftwerk in Wedel“ ist in der SHZ dazu nachzulesen. Alles Rahmenbedingungen, die ebenfalls für einen konkreten Baubeginn von größerer Bedeutung sind – die Vattenfall aber nicht anspricht und lediglich auf die Hamburger Politik verweist.

Richtig ist: Die Stadt Hamburg muss nun – ohne Vattenfall – ein Wärmekonzept entwickeln und prüfen, welche auch klimapolitisch sinnvollen Lösungen für die Fernwärme anstehen. Nicht nur, aber auch, um das alte Kohleheizkraft-Werk Wedel vom Netz nehmen zu können. Allerdings: Die Alternative muss nicht zwingend in Wedel am Standort des bisherigen Kraftwerks entstehen.

Schon vor längerer Zeit hatten Bürgerinitiativen in Wedel, aber auch die Hamburger Initiativen rund um den Volksentscheid ein Wärmekonzept von der Stadt Hamburg verlangt und eine echte Alternativen-Prüfung, um für Wedel die beste Ersatzlösung zu finden.

Kurz nach dem Volksentscheid hat der BUND Hamburg diese Forderungen erneuert:  “Überfällig ist aus Sicht des BUND ein Wärmekonzept für Hamburg. Dies hatte die SPD-Fraktion bereits vor mehr als zwei Jahren eingefordert (siehe Drucksache 20/1229). Bislang hat die zuständige Fachbehörde BSU aber nichts Entsprechendes vorgelegt. Ausgehend vom Basisgutachten zum Masterplan Klimaschutz (2010) muss die BSU die Eckpunkte für eine dezentrale und stärker auf Erneuerbare setzende Fernwärmeversorgung festschreiben. Wichtig sind zudem neue gesetzliche Rahmenbedingungen, die den zu leistenden Beitrag der Fernwärme für den Klimaschutz in der Hansestadt festlegen.”

Seit längerer Zeit widersetzt sich der SPD-Senat diesem Ansinnen, auch aus den eigenen Reihen,  weil er als Minderheitspartner voll auf Vattenfall gesetzt hat. Die Stadt hat sich mit dieser Linie der SPD einseitig dem Konzern ausgeliefert. Nun muss der SPD-Senat umfangreiche Hausaufgaben nicht nur bei der Umsetzung des Volksentscheids erledigen, sondern im Grunde eine eigene Energiepolitik für die Stadt auf die Beine stellen.

Die eigentliche Botschaft des erfolgreichen Volksentscheids ignoriert Vattenfall konsequent weiter. Mit einer massiven Werbekampagne hatte sich das Unternehmen gegen den Volksentscheid gestemmt und auf nahezu allen Werbeflächen sich als “Partner der Stadt” angebiedert. Dem hat der Volksentscheid eine Abfuhr erteilt: eine Mehrheit der HamburgerInnen hat sich gegen Vattenfall als Partner ausgesprochen und die kommunale Netze inkl. der Fernwärme plädiert. Vor diesem Hintergrund stünde es Vattenfall gut an, diese Mehrheitsentscheidung endlich zu akzeptieren, die Fernwärmeversorgung der Stadt Hamburg zu übergeben und sich zurück zu ziehen.

Außerdem dürfte für Vattenfall auch ein Problem sein, dass unklar ist, wie es mit dem Eigentum an der Fernwärme weiter geht. Vattenfall bestreitet die Gültigkeit einer  noch zwischen der alten HEW und der Stadt Hamburg vertraglichen Regelung, nach der die Fernwärme an die Stadt Hamburg in jedem Fall zurückfällt. Diese Frage muss nun gerichtlich entschieden werden: Was aber passiert, würde Vattenfall nun einfach das neue Kraftwerk in Wedel bauen und das Gericht aber entscheiden, dass die Fernwärme zurück an die Stadt Hamburg geht? Dann säße Vattenfall auf einem Kraftwerk, könnte die Wärme aber nicht in das Netz einspeisen.  Aus diesem Dilemma kommt der Konzern derzeit nicht raus.

Klar ist aber auch: Trotz der unklaren Rechtslage in Sachen Fernwärme und Rekommunalisierung braucht es aus klimapolitischen Gründen jetzt eine Debatte und Vorschläge, wie es denn in Sachen Ersatz des alten Heizkraftwerks Wedel weiter gehen soll. Das ist vor allem Sache der Stadt Hamburg und die Umweltbehörde muss nun endlich reagieren, ein Wärmekonzept vorlegen und einen echten Alternativenvergleich für den Ersatz von Wedel auf den Weg bringen.

Dirk Seifert

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