Am Ende: Entria – Ein Atommüll-Forschungsprojekt zieht Bilanz

Am Ende: Entria – Ein Atommüll-Forschungsprojekt zieht Bilanz

Wie können wir mit dem Atommüll weiter umgehen? Darüber hat die staatlich finanzierte Forschungsplattforum „Entria“ fünf Jahre lang gearbeitet und zahlreiche Projekte durchgeführt. Nicht nur technisch-naturwissenschaftliche Fragen waren dabei relevant, sondern auch gesellschaftliche bzw. sozialwissenschaftliche Probleme und Herausforderungen waren Forschungsgegenstand. Zwischen dem 26. und 30. September wird das Entria-Projekt nun in Braunschweig seine Ergebnisse vorstellen und diskutieren. Das überwiegend englisch-sprachige Programm (PDF) ist über 20 Seiten stark. Besondere Aufmerksamkeit auch für ein breiteres Publikum verdienen die Veranstaltungen vor allem am Freitag Abend und am Samstag im Haus der Wissenschaft. (Siehe unten die ins deutsche übersetzte „Einführung“ zur Tagung)

Während das Entria-Programm die Publikums-Veranstaltung am Samstag (Radioaktiver Abfall – was nun? Befragen Sie ENTRIA!) als besonderen öffentlichkeitswirksamen Teil der Tagung bewirbt, dürfte insbesondere die Debatte am Freitag Abend über die Optionen für die „Endlagerung“ hochradioaktiver Abfälle von Bedeutung sein. „Plädoyers für jede der drei wichtigen Entsorgungsoptionen und Gegenrede“ heißt die Veranstaltung, in der jeweils mit Gegenrede die Themen unterirdische Endlagerung mit und ohne Rückholbarkeit sowie ein „Plädoyer für die „Öberflächenlagerung““ vorgestellt und diskutiert werden sollen.

Während Entria seine Forschungsergebnisse jetzt auch in dieser Frage vorstellt, ist eine Entscheidung dazu vorerst vom Bundestag und Bundesrat mit dem Standortauswahlgesetz bereits getroffen. Zuvor hatte zwei Jahre lang eine „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ mit gesellschaftlichen VertreterInnen Empfehlungen für ein zu findendes „Endlager“ und die Anforderungen entwickelt. Unterirdisch mit der Option einer Rückholbarkeit für 500 Jahre sollen es nach der geltenden Gesetzeslage werden.

Die Frage wird also sein: Werden die Entria-Ergebnisse hier noch einmal zu neuen Betrachtungen führen? Jüngst hatte z.B. Greenpeace dafür plädiert, diese Optionen noch einmal gründlicher zu debattieren und vorerst die bestehenden Zwischenlager sicherheitstechnisch für eine ohnehin anstehende deutlich verlängerte Betriebszeit umfassend zu verbessern und damit einen Rahmen zu schaffen, um ergebnisoffen die Probleme weiter diskutieren und entscheiden zu können.

Dokumentation in deutscher Übersetzung aus dem Entria Programm (Übersetzung mit Hilfe von https://www.deepl.com/)

„Abschluss-ENTRIA-Konferenz – nur noch ein weiteres Symposium zur nuklearen Entsorgung? Definitiv nicht. Deutschland blickt auf jahrzehntelange, eher erfolglose Versuche zur Lösung des Atommüllproblems zurück. Die Prozesse waren festgefahren, wegen inkompatibler Positionen und Forderungen der Politik, Interessengruppen, NGOs und anderen beteiligten Gruppen.

Es wurde deutlich, dass dieses „böse Problem“ nicht allein durch die Entwicklung technischer Lösungen, die von den klassischen Regierungsformen in Angriff genommen wurden, gelöst werden konnte. Ebenso offensichtlich war aber auch, dass es in Deutschland wenig Erfahrung mit alternativen Ansätzen gab, die Herausforderungen technischer Großprojekte wie den Bau eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle und moderne Beteiligungsformen miteinander zu verbinden.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die beiden niedersächsischen Ministerien für Wissenschaft und Kultur (MWK) sowie für Umwelt und Klimaschutz (MU) 2012 vorgeschlagen, dieses Thema in einem interdisziplinären Forschungsprojekt mit Natur-, Ingenieur-, Kunst-, Rechts- und Sozialwissenschaftlern zu bearbeiten – ENTRIA war geboren.

Kurz darauf wurde von der deutschen Politik ein so genannter „Neuanfang“ proklamiert, der zur Einführung des „Standortauswahlgesetzes“, zur Einrichtung der Kommission „Lagerung hochradioaktiver Strahlungsabfälle“ und zur Neustrukturierung und Umsetzung neuen Regulierungsgremien, insbesondere BfE und BGE, geschaffen. Die parallele Bearbeitung des gleichen Themas, eine von der wissenschaftlichen „langsamen“ akademischen Seite, die andere von den Notwendigkeiten der Tagespolitik beeinflusst, war eine spannende Erfahrung. Interaktion und Austausch untereinander, Umgang mit persönlichen Verflechtungen und flexible Anpassung der Arbeitsprogramme prägten die Arbeit von ENTRIA in den vergangenen fünf Jahren.

Während der abschließenden ENTRIA-Konferenz werden alle Aspekte dieser Arbeit vorgestellt und diskutiert. Angefangen vom anfänglichen Kampf, wie man über Disziplinargrenzen hinweg miteinander reden kann. Wie man eine gemeinsame Sprache findet. Die fruchtbaren Ergebnisse der gegenseitigen Vermittlung von Grundlagen aller beteiligten Disziplinen bilden die Grundlage echter interdisziplinärer Arbeit, die oft von Teams mit Autoren verschiedener Disziplinen durchgeführt wird. Eine Herausforderung des interdisziplinären Arbeitens, z. B. für Doktorarbeiten, interdisziplinäre Aspekten zu verbinden und zu echten interdisziplinären Supervisionen zu kommen. Auch der Austausch mit Politik, NGOs und der interessierten Öffentlichkeit war Teil der Arbeit von ENTRIA. Ein guter Grund, die Konferenz nicht nur in englischer Sprache als „Expertentreffen“, sondern um den Freitagabend und Samstag zu widmen, um mit der deutschen Öffentlichkeit zu interagieren: „Radioaktiver Abfall – war Nonne? Befragen Sie ENTRIA!“

ENTRIA ist kein geschlossener akademischer Kreis. ENTRIA-Teams arbeiten mit vielen Akteuren im In- und Ausland zusammen. Daher wurde die abschließende ENTRIA-Konferenz ganz bewusst für internationale Wissenschaftler geöffnet, um ihr Fachwissen mit ENTRIA zu teilen und ihre unvoreingenommenen Ansichten und Perspektiven über die Arbeit von ENTRIA zu vermitteln. ENTRIA begrüßt warmherzig alle Teilnehmer „von außen“.

Dieser Abschluss stellt die Vielfalt der Themen und Ansätze von ENTRIA-Mitgliedern und Wissenschaftlern aus aller Welt vor. ENTRIA freut sich auf eine fruchtbare Tagung in Braunschweig und fünf Tage mit lebhaften und fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch und wertvolle Diskussionen.

Hannover, September 2017
Clemens Walther, (Konferenzkoordinator)“

 

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “Am Ende: Entria – Ein Atommüll-Forschungsprojekt zieht Bilanz

  1. Wenn ich es richtig sehe, dreht sich auch ENTRIA nur um die Endlagerung, als ob es keine anderen Lösungen für den Umgang mit Atom»müll« gäbe. Das Mindeste wäre, sich über Alternativen zur Endlagerung bzw. über Atommüll-Recycling zu informieren. Russland ist hier führend, gewinnt mit dem BN-800-Reaktor Strom aus Atommüll und arbeitet an weiteren Lösungen. Das sollte man wissen.

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