AKW-Rückbau: Ärztekammer zu gesundheitlichen Risiken durch Freimessen gering radioaktiv belasteter Abfälle
Nachdem sich die Ärztekammer Baden-Württemberg sowie die Bundesärztekammer zum Ärger vieler Atomaufsichtsbehörden gegen die Verharmlosung bei der Freimessung von gering radioaktiv belasteten Abfälle beim Rückbau der Atommeiler ausgesprochen hat, gibt es nun in den Räumen der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg ein Symposium, auf dem über den weiteren Umgang mit diesen Rückbau-Abfällen beraten werden soll. Zu Auseinandersetzungen um diese Mehrheitsbeschlüsse ist es in beiden Ärztekammern gekommen. In Baden-Württemberg hatte der Vorstand den Beschluss vorübergehend sogar aus dem Internet genommen, nachdem die dortige Atomaufsicht protestiert hatte. Bundesweit haben die AKW-Betreiber Probleme mit diesen Abfällen, weil kaum Deponien bereit sind, angesichts von Protesten diese Abfälle anzunehmen.
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- Ärztekammer Baden-Württemberg zur Freigabe radioaktiver Abfälle aus Atomkraftwerken
- Alles zum Thema Freimessen auf umweltFAIRaendern.de
- UPDATE: Nach der Veranstaltung reagiert die AG AtomErbe Neckarwestheim mit dieser PM (siehe unten im Text dokumentiert!)
Nicht nur in Baden-Württemberg gibt es zu diesem Verfahren zur Freimessung gering radioaktiver Rückbau-Abfälle Proteste. Auch in Schleswig-Holstein reagierten BürgerInnen und Abfallwirtschaft ablehnend gegen die vorgesehene Deponierung eines Teils dieser Abfälle. Weitere dieser Reststoffe können außerdem einfach wiederverwertet werden.
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Auf der Homepage der Ärztekammer Baden-Württemberg wird das folgende Programm für das Symposium am kommenden Samstag angekündigt. Die PM der AG AtomErbe Neckarwestheim befindet sich darunter.
Dokumentation: Eine Veranstaltung des Ausschusses „Prävention und Umwelt“ der Landesärztekammer Baden-Württemberg
am Samstag 03. Februar 2018
von 09:30 – 14:45 Uhr
In den Räumen der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg
Jahnstraße 7, 70597 Stuttgart-Degerloch
Die Vertreterversammlung der LÄK-BW im Herbst 2016 und der Deutsche Ärztetag 2017 hatten sich in ähnlichem Tenor gegen die Verbringung von gering radioaktivem Abraum auf wohnortnahen Deponien ausgesprochen, wie es nach geltender Gesetzgebung aktuell bereits beim Rückbau des AKW Neckarwestheim geschieht.
Die LÄK nimmt die angestoßene öffentliche Diskussion um gesundheitliche Risiken gering radioaktiver Strahlenbelastung zum Anlass die Thematik in einem Symposium vertieft zu erörtern.
In einem ersten Themenblock sollen die Problemstellungen und Bewertung der gesundheitlichen Risiken beim Abbau der AKW aus unterschiedlicher Sicht dargestellt werden. In seinem zweiten Teil befasst sich die Veranstaltung mit dem Strahlenschutzgesetz und der ärztlichen Verantwortung Risiken für Patienten und Umwelt beim Einsatz strahlenmedizinischer Verfahren gering zu halten.
Programm
Moderation
Dr. med. Christoph Ehrensperger, stellvertrender Vorsitzender des Ausschusses „Prävention und Umwelt“ der Landesärztekammer Baden-Württemberg
09:30 – 09:45
Begrüßung und Einführung/Abfolge
Dr. med. Norbert Fischer, Vorsitzender des Ausschusses „Prävention und Umwelt“ der Landesärztekammer Baden-Württemberg
Grußwort
Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg
09:45 – 10:15
Freigemessen und vergessen? Warum wir uns als Ärzte mit gering radioaktivem Müll befassen müssen!
Dr. med. Robin Maitra, Delegierter der Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg
10:15 – 10:30
Diskussion
10:30 – 11:00
Gesetzliche Vorgaben für die Abfallentsorgung beim AKW-Rückbau
Gerrit Niehaus, Leiter der Abteilung Kernenergieüberwachung und Strahlenschutz im Umweltministerium Baden-Württemberg
11:00 – 11:30
Konzept der IPPNW zum AKW-Rückbau
Dr. med. Alex Rosen, Vorsitzender internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) Berlin
11:30 – 12:00
Diskussion
12:00 – 12:45
Mittagspause
12:45 – 13:15
10 µSv-Konzept im Strahlenschutz
Prof. Dr. rer. nat. Joachim Breckow, Vorsitzender der Strahlenschutzkommission
13:15 – 13:45
Verantwortung für Mitarbeiter und Patienten bei der Anwendung strahlenmedizinischer Verfahren
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Institut für Community Medicine Universitätsmedizin Greifswald
13:45 – 14:15
Diskussion
14:15 – 14:45
Resümee durch die Ausschussvorsitzenden
Die Veranstaltung ist mit 6 Punkten auf das Fortbildungszertifikat der Landesärztekammer Baden-Württemberg anerkannt.
Weitere Informationen, Programm und Anmeldung:
Landesärztekammer Baden-Württemberg
Abteilung Fortbildung und Qualitätssicherung
Jahnstr. 40, 70597 Stuttgart
Frau Hagdorn
Tel.: 0711/76 989-830
Fax: 0711/76 989-82
E-Mail
UPDATE: DOKUMENTATION der PM der AG AtomErbe Neckarwestheim NACH der Veranstaltung:
Nach politischem Druck aus dem grünen Umweltministerium in Stuttgart distanzierten sich leider sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene die Vorstände von den Mehrheitsbeschlüssen.
Ein Symposium der Landesärztekammer Baden-Württemberg am heutigen Samstag 3.2.18 sollte nun Raum für eine vertiefte Diskussion sowohl zum strahlenden AKW-Schutt als auch zum Strahlenschutz in der Medizin geben und wurde diesem Anspruch auch gerecht, dank des großen Engagements der Referenten und der zahlreichen Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet. Bei allen Referaten, gleich ob von den Vertretern der Ärzteinitiativen und der IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges), ob vom Umweltministerium und der Strahlenschutzkommission, oder vom Strahlen-Epidemiologen, wurde klar: die Freisetzung von gering radioaktivem Material aus dem AKW-Rückbau setzt die Bevölkerung einer gewissen zusätzlichen Strahlung aus.
Unterschiedlich war die Bewertung dieser zusätzlichen Strahlendosis: diese ging von „vernachlässigbar“ über „tolerierbar“ bis „kritisch ernst zu nehmen“. Auch unterschiedlich war die Meinung zur Frage, ob man die Bürgerschaft wie bisher ungefragt mit dieser Strahlung belasten dürfe, und ebenso zur Frage, ob überhaupt Maßnahmen zur Minimierung der Strahlenbelastung erforderlich seien.
Einig war man sich dagegen in der Forderung, dass die Anstrengungen zur Verringerung der aus Röntgen und Computertomographie stammenden Strahlenbelastung von Patienten und Beschäftigten nicht nachlassen dürfen. Es wurde aber auch die Forderung laut, Politik und Atomaufsicht sollten endlich aktiv werden zum Schutz der Bevölkerung vor vermeidbarer Strahlenbelastung z.B. aus Baustoffen, Phosphatdünger und Radon.
Als einer derjenigen teilnehmenden Ärzte, welche zugleich in der IPPNW als auch der AG AtomErbe Neckarwestheim engagiert sind, fasst F. Wagner deren Forderungen zusammen:
„Das Minimierungsgebot des Strahlenschutzes darf beim AKW-Abriss nicht außer Kraft gesetzt bleiben. Die schon begonnene Freisetzung von gering radioaktivem Material aus den AKWs in die Umwelt, auf Siedlungsmüll-Deponien und in die allgemeine Wiederverwendung verstößt gegen das Vorsorgeprinzip.
Wir haben belegt, dass die Verringerung der Strahlenbelastung für Beschäftigte, Umwelt und Bevölkerung durch eine gesicherte Langzeitaufbewahrung des AKW-Schutts an den Standorten möglich ist. Die übliche Freisetzung muss beendet und durch diese bewachte Lagerung ersetzt werden.
Wir danken dem Ausschuss „Prävention und Umwelt“ der Landesärztekammer für die Organisation des Symposiums und sind gespannt auf dessen weitere Beratungen.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass zu allererst die noch laufenden AKWs abgeschaltet werden müssen, die das Atommüllproblem täglich weiter vergrößern.
Deshalb rufen wir auch zur Demonstration zum AKW Neckarwestheim am Sonntag 11.3.18 auf, dem 7. Jahrestags des Beginns der Fukushima-Katastrophe.“
Infos zur Demonstration am So. 11.3.2018: www.Endlich-abschalten.de
Ein Gedanke zu “AKW-Rückbau: Ärztekammer zu gesundheitlichen Risiken durch Freimessen gering radioaktiv belasteter Abfälle”