Rechtswidriger Atommüll-Export – Umweltministerin muss Genehmigung für Atommüll-Export von Vattenfall nach Schweden zurückziehen
Trotz erst im letzten Jahr verschärfter Regelungen zum Export-Verbot für hoch radioaktiven Atommüll darf Vattenfall solchen Atommüll in Form von 13 defekten Brennstäben aus dem AKW Brunsbüttel nach Schweden exportieren. Dafür liegen Genehmigungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA, Export) und des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE, Transport innerhalb Deutschlands) vor. Der Atommüll soll in Schweden zur dauerhaften Lagerung verbleiben. Der Vorbereitung für diesen Atommüll-Export zu „Forschungszwecken“ hat auch die Kieler Atomaufsicht unter dem Grünen Umweltminister Robert Habeck zugestimmt. Entscheidend bei diesem Atommüll-Deal ist dabei das Votum des Bundesumweltministerium (BMUB), welches gegenüber der BAFA die Fachaufsicht hat. In einer Presseerklärung sagt BUND-Atomexperte Thorben Becker: „Der geplante Atommüll-Export verstößt gegen geltendes Recht. Im Standortauswahlgesetz ist der Grundsatz der Inlandsentsorgung und damit ein umfassendes Exportverbot für hochradioaktiven Atommüll geregelt. Ausnahmen gibt es nur für Atommüll aus Forschungsreaktoren, diese gelten nicht für den Atommüll aus dem AKW Brunsbüttel. Die Zustimmung des BMUB zu diesem Export ist nicht nachzuvollziehen.“ Der Abtransport aus Brunsbüttel soll bis spätestens Ende August 2018 erfolgt sein. Auch in anderen Atommeilern gibt es derartige defekte Brennstäbe, deren Zwischenlagerung in Castor-Behältern derzeit nicht möglich ist.
- Über diesen Vorgang berichten mit Bezug auf die PM der Atomaufsicht in Kiel auch der NDR, das Hamburger Abendblatt sowie die Kieler Nachrichten. Über die Vorwürfe, dieser Deal sei rechtswidrig, berichtet die taz hier.
Der BUND kritisiert in seiner Stellungnahme zu dem Atommülldeal vor allem das Bundesumweltministerium, das gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrgenehmigungen diesem Atommüll-Export zugestimmt hat. Thorben Becker, Leiter Atompolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Es geht bei dem angekündigten Transport zwar nur um eine sehr kleine Menge Atommüll und die Forschung an den defekten Brennstäben ist grundsätzlich sinnvoll, dennoch ist und bleibt er gesetzeswidrig. Mit dieser Entscheidung wird das Exportverbot unzulässig ausgehebelt. Es ist außerdem zu befürchten, dass dies der Türöffner für weitere Exporte dieser Art sein könnte. Wir fordern Umweltministerin Barbara Hendricks deshalb auf, ihre Zustimmung zu diesem Export zurückzuziehen. Der BUND prüft rechtliche Schritte gegen die Genehmigung.“
- Anmerkung: Pikant am Rande, dass in Schweden die Planungen für ein Atommüll-Endlager gerade ins Stocken geraten sind, wie vor einigen Tagen u.a. die taz berichtete. Reinhard Wolff schreibt dort einleitend: „Schwedens Atomindustrie hat einen Rückschlag erlitten. Ihr Konzept für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll sei nicht genehmigungsfähig, hat nun das zuständige Umweltgericht in Nacka entschieden. Nach siebenjähriger Prüfung sahen die Richter „bedeutende Unsicherheiten“, ob die vorgesehene Technik den Strahlenmüll auf längere Sicht sicher einschließen könne.„
Mit der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes im Frühjahr 2017 sind die bestehenden Regelungen zum Atommüll-Export im Paragraf 1 Absatz 2 verschärft worden. (Mit Blick auf Forschungsreaktoren (!) hat es im Atomgesetz §3 Nr. 6 im Zusammenhang mit der Novellierung des Standortauswahlgesetzes ebenfalls eine Verschärfung der Ausfuhrbestimmungen gegeben.) Die dauerhafte Lagerung hoch radioaktiver Atomabfälle müsse in Deutschland erfolgen und könne nicht auf andere Staaten abgewälzt werden, hieß es dazu auch in der Endlager-Kommission. Der damalige Co-Vorsitzene Michael Müller sprach von einem Gebot der Inlandsentsorgung.
- Auszug Standortauswahlgesetz §1 (2) … „Zur Erreichung dieses Ziels werden zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten keine Abkommen geschlossen, mit denen nach den Bestimmungen der Richtlinie 2011/70/EURATOM des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (ABl. L 199 vom 2.8.2011, S. 48) eine Verbringung radioaktiver Abfälle einschließlich abgebrannter Brennelemente zum Zweck der Endlagerung außerhalb Deutschlands ermöglicht würde.“
Offenbar soll der Atommüll-Deal mit Schweden jetzt unter dem Mantel der Forschung betrieben werden. Vorgesehen ist, dass nach den vermeintlichen Forschungsarbeiten, die auf vier Jahre angelegt sind, eine Rücknahme des Atommülls von Vattenfall bzw. Deutschland nicht erfolgen soll. So wollen offenbar die Genehmigungsbehörden bei dem Deal die Regelung umgehen, die zum „Zweck der Endlagerung“ solche Exporte nicht zulassen.
In der PM der Kieler Atomaufsicht (unten vollständig dokumentiert) heißt es dazu: „Diese Brennstäbe werden in dem Forschungsvorhaben „zerstörend“ untersucht. Die radioaktiven Abfälle verbleiben anschließend bei der schwedischen Forschungseinrichtung, die auch die Verantwortung für die Entsorgung dieser Abfälle übernehmen wird. Mit Übernahme der Brennstäbe geht die nukleare Verantwortung von der Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks Brunsbüttel auf Studsvik Nuclear AB über.“
Der NDR berichtet zu den Atomtransporten: „Vattenfall plant nach eigenen Angaben insgesamt drei Transporte, will aber weder die genauen Termine noch die Route nennen. Ob die Brennstäbe per Lkw, mit der Bahn oder auf dem Seeweg nach Schweden gebracht werden, teilte der Konzern ebenfalls nicht mit.“
In Brunsbüttel läuft das Verfahren, mit dem Vattenfall den Rückbau des abgeschalteten Atommeilers, der seit 2007 wegen zahlreicher Mängel keinen Atomstrom mehr produziert hat, beginnen will. Das Atommüll-Zwischenlager für hoch radioaktiven Abfall verfügt derzeit nicht mehr über die erforderliche atomrechtliche Genehmigung. Diese wurde vom Oberverwaltungsgericht Schleswig für ungültig erklärt, weil Nachweise zur Sicherheit gegen Anschläge von der zuständigen Genehmigungsbehörde seinerzeit nicht oder falsch erbracht worden sind. Dennoch hatte das Habeck-Ministerium in Kiel mit Ausnahmeanordnungen dafür gesorgt, dass weitere Castor-Behälter trotz fehlender Genehmigung eingelagert werden durften. Greenpeace hat von Rechtsbruch des Ministers gesprochen.
- Hochradioaktiver Atommüll in Brunsbüttel: Greenpeace warnt Schleswig-Holsteins Atomminister Habeck – Zustimmung wäre strafbar
- Widerspruch: Hochradioaktiver Atommüll – Atomaufsicht Schleswig-Holstein handelt grob rechtswidrig
Aus dem AKW Krümmel plant Vattenfall, kontaminierte Uranbrennelemente in die USA zu liefern, um sie dort reinigen zu lassen und den Brennstoff später für die Herstellung neuer Brennstäbe verkaufen zu können. In Krümmel lagern außerdem noch hochradioaktive Sonder-Brennstäbe:
Es folgen als Dokumentation die Presseerklärung des BUND und darunter die der Atomaufsicht Schleswig-Holstein:
++ BMUB billigt rechtswidrigen Export von hochradioaktivem Atommüll ++
Vattenfall als Betreiber des stillgelegten Atomkraftwerks (AKW) Brunsbüttel plant, 13 defekte Brennstäbe aus dem Betrieb des AKW nach Schweden zu transportieren. Die Verbringungsgenehmigung hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit Zustimmung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) erteilt. Die schwedische Forschungseinrichtung Studsvik Nuclear AB, die die Brennstäbe „zerstörend“ untersuchen soll, soll diese auch entsorgen. Thorben Becker, Leiter Atompolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), kommentiert:
„Der geplante Atommüll-Export verstößt gegen geltendes Recht. Im Standortauswahlgesetz ist der Grundsatz der Inlandsentsorgung und damit ein umfassendes Exportverbot für hochradioaktiven Atommüll geregelt. Ausnahmen gibt es nur für Atommüll aus Forschungsreaktoren, diese gelten nicht für den Atommüll aus dem AKW Brunsbüttel. Die Zustimmung des BMUB zu diesem Export ist nicht nachzuvollziehen. Es geht bei dem angekündigten Transport zwar nur um eine sehr kleine Menge Atommüll und die Forschung an den defekten Brennstäben ist grundsätzlich sinnvoll, dennoch ist und bleibt er gesetzeswidrig. Mit dieser Entscheidung wird das Exportverbot unzulässig ausgehebelt. Es ist außerdem zu befürchten, dass dies der Türöffner für weitere Exporte dieser Art sein könnte. Wir fordern Umweltministerin Barbara Hendricks deshalb auf, ihre Zustimmung zu diesem Export zurückzuziehen. Der BUND prüft rechtliche Schritte gegen die Genehmigung.“
Dokumentantion PM der Atomaufsicht Schleswig-Holstein: Kernkraftwerk Brunsbüttel: Defekte Brennstäbe sollen erforscht werden – Atomaufsicht stimmt Transportvorbereitung zu, Datum 30.01.2018
KIEL. Der Betreiber des Kernkraftwerks Brunsbüttel plant, die 13 defekten Brennstäbe aus dem Reaktorbetrieb des Kernkraftwerks Brunsbüttel in einer kerntechnischen Einrichtung in Schweden (Studsvik Nuclear AB) erforschen zu lassen, um Erkenntnisse auf die Langzeitsicherheit in der Zwischenlagerung zu erhalten. Für das Vorhaben sind Genehmigungen verschiedener staatlicher Stellen erforderlich, auf deutscher Seite insbesondere solche des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Darüber hinaus ist das Energiewendeministerium Schleswig-Holstein als Aufsichtsbehörde für den Umgang mit den Brennstäben auf dem Anlagengelände zuständig. Auf Antrag von Vattenfall hat es gestern (29. Januar) die erforderlichen Zustimmungen erteilt, um die Brennstäbe für den Transport vorzubereiten.
Alle Genehmigungen liegen vor
Für das Vorhaben liegen damit inzwischen alle behördlichen Genehmigungen und Zustimmungen vor. Atomrechtlich von zentraler Bedeutung ist die sogenannte Verbringungsgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Außerdem wurden Beförderungsgenehmigungen der zuständigen Behörden aus Deutschland, Dänemark und Schweden erteilt. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) befristet seine Beförderungsgenehmigung bis Ende August 2018.
13 Defektstäbe werden untersucht
Bei den 13 Brennstäben handelt es sich um sogenannte Defektstäbe – einzelne Brennstäbe, die im Laufe der Betriebszeit seit den 1970er-Jahren wegen festgestellter Schäden aus dem zugehörigen Brennelement entnommen wurden. Diese Brennstäbe werden in dem Forschungsvorhaben „zerstörend“ untersucht. Die radioaktiven Abfälle verbleiben anschließend bei der schwedischen Forschungseinrichtung, die auch die Verantwortung für die Entsorgung dieser Abfälle übernehmen wird. Mit Übernahme der Brennstäbe geht die nukleare Verantwortung von der Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks Brunsbüttel auf Studsvik Nuclear AB über.
Hintergrund
An den meisten deutschen Kernkraftwerksstandorten befinden sich Zwischenlager für Kernbrennstoff. Jedes dieser Standort-Zwischenlager hat eine Betriebsgenehmigung von 40 Jahren ab erster Einlagerung. Der Kernbrennstoff soll später in ein Bundesendlager überführt und dort dauerhaft aufbewahrt werden. Im Standort-Zwischenlager Brunsbüttel befinden sich 20 Behälter mit 965 Brennelementen aus dem Betrieb des Kernkraftwerks. Je nach Brennelementtyp enthält jedes dieser Brennelemente mehrere hundert Brennstäbe mit abgebranntem Kernbrennstoff.
Grundsätzlich ist für Defektstäbe (die sich nicht mehr im Verbund eines Brennelements befinden) vorgesehen, dass diese in besonderen Gestellen („Köchern“) ebenfalls in Lagerbehälter eingebracht und wie die Brennelemente in den Standort-Zwischenlagern aufbewahrt werden
Die Erkenntnisse aus dem von Vattenfall initiierten Forschungsvorhaben könnten damit auch anderen Betreibergesellschaften zugutekommen, die defekte Stäbe zu lagern haben. Die Defektstäbe aus Brunsbüttel bieten sich für das Forschungsvorhaben besonders an, da es sich um unterschiedliche Fabrikate mit unterschiedlichen Arten von Defekten handelt.
Das Kernkraftwerk Brunsbüttel hat 2011 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren und befindet sich seitdem im sogenannten Nachbetrieb. Die Betreibergesellschaft beantragte 2012 die Stilllegung und den Abbau. Bis auf diese 13 Defektstäbe befindet sich im Kernkraftwerk kein Kernbrennstoff mehr.
Medien-Information vom 30. Januar 2018 zum Herunterladen (PDF 123KB, Datei ist nicht barrierefrei)
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Welch Tiefschlag für die Vertrauenswürdigkeit und den Transparenzanspruch der begonnenen Endlagersuche. Wenn nun das Verbot der Entsorgung im Ausland gekippt wird, welche weiteren Zusagen und Versprechungen werden bei der Endlagersuche noch gebrochen werden.