Linksfraktion Antrag im Bundestag: Uranfabriken Gronau und Lingen stilllegen – Uranexporte verbieten
Hubertus Zdebel und die Fraktion DIE LINKE beantragen im Deutschen Bundestag, die Uranfabriken in Gronau (Nordrhein-Westfalen) und Lingen (Niedersachsen) stillzulegen. Darüber hinaus fordern sie ein Exportverbot für Kernbrennstoffe. Der Antrag, der am kommenden Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird, soll zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss überwiesen werden (siehe dazu hier auf der Seite des Bundestages).
- Siehe auch Antrag vom März 2017: Uranfabriken Gronau und Lingen stilllegen – Uranexporte für störanfällige AKWs im Ausland stoppen – Euratom-Vertrag beenden!
Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE: „Ziel des Antrags ist es, die bislang vom Atomausstieg ausgenommenen Uranfabriken in Gronau und Lingen endlich einzubeziehen. Beide Anlagen sorgen mit ihrer Produktion von Uranbrennstoff dafür, dass weltweit AKWs weiterhin Atomstrom, Super-GAU-Risiken und hochradioaktiven Atommüll erzeugen. Eine weitere deutsche Beteiligung an der Atomenergienutzung darf es nicht mehr geben. Außerdem soll erreicht werden, dass Exporte von Uranbrennstoffen aus diesen beiden Anlagen in besonders riskante Atommeiler verboten werden können. Die Uranfabriken beliefern u.a. die maroden Meiler in Tihange und Doel oder auch französische Uralt-AKWs.“
Dokumentation: Der Antrag „Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lingen – Exportverbot für Kernbrennstoffe“ (Antrag) im Wortlaut:
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Lorenz Gösta Beutin, Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Jörg Cézanne, Sylvia Gabelmann, Kerstin Kassner, Caren Lay,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Amira Mohamed Ali, Niema
Movassat, Alexander Neu, Victor Perli, Ingrid Remmers, Dr. Kirsten Tackmann,
Kathrin Vogler, Andreas Wagner, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.
Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lingen – Exportverbot für Kernbrennstoffe
Der Bundestag wolle beschließen:
- Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach der mehrfachen Atomkatastrophe von Fukushima hat der Bundestag den Ausstieg aus der Atomenergienutzung beschlossen und einen Fahrplan zur schrittweisen Abschaltung aller noch in Betrieb befindlichen bundesdeutschen Atomkraftwerke bis zum Ende des Jahres 2022 im Atomgesetz festgeschrieben. In den noch am Netz befindlichen Atomkraftwerken (AKWs) besteht weiterhin die Gefahr eines katastrophalen Störfalls bis hin zur Kernschmelze. Nur die sofortige Abschaltung kann dieses Risiko entscheidend reduzieren.
Bislang vom Atomausstieg ausgenommen sind die Uranfabriken zur Brennstoffversorgung von Atommeilern in Gronau und Lingen. Die Urananreicherungsanlage der URENCO in Gronau sowie die Brennelementefabrik der EDF/Framatome (ehem. AREVA) in Lingen versorgen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit Atomkraftwerke mit dem für den Betrieb erforderlichen Brennstoff. Dadurch tragen beide Uranfabriken dazu bei, dass die unverantwortlichen Risiken der Atomenergienutzung zur Stromerzeugung international fortbestehen und Atomkatastrophen möglich bleiben.
Nicht zuletzt die Katastrophe von Tschernobyl hat deutlich gemacht, dass die radioaktiven Auswirkungen auch in großer Entfernung Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in Deutschland zur Folge haben können. Die Katastrophe von Fukushima hat außerdem gezeigt, dass Evakuierungen von Menschen noch in Entfernungen von bis zu 170 Kilometern vom Unfallort entfernt erforderlich sein können. Deshalb darf auch der Atomausstieg nicht an deutschen Grenzen halt machen.
Die beiden Uranfabriken in Gronau und Lingen versorgen auch marode Atomkraftwerke wie beispielsweise Tihange und Doel (Belgien) oder Cattenom und Fessenheim (Frankreich) im grenznahen Ausland mit Uranbrennstoff. Ab Herbst 2017 wurde auch der immer noch im Bau befindliche finnische Reaktor Olkiluoto 3 mit frischen Brennelementen versorgt. Der Reaktor sorgte in den letzten Jahren durch gravierende Bauskandale schon vor Inbetriebnahme für erhebliche Sicherheitsbedenken. Die URENCO liefert zudem angereichertes Uran für Brennelemente, die in der Ukraine eingesetzt werden. Damit tragen beide deutschen Uranfabriken in unverantwortbarer Weise direkt zur Gefährdung auch der bundesdeutschen Bevölkerung bei.
Mit der Stilllegung der beiden Uranfabriken in Gronau und Lingen wird sichergestellt, dass die Bundesrepublik ihre Politik zum Ausstieg aus der Atomenergienutzung konsequent und glaubwürdig fortsetzt. Außerdem wird sichergestellt, dass aus der Bundesrepublik Atomkraftwerke im Ausland nicht mehr mit Uranbrennstoff beliefert werden.
Bis zu einer Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen ist es zum Schutz der Bevölkerung in der Bundesrepublik außerdem erforderlich, rechtlich zweifelsfrei zu regeln, dass Exporte von Uranbrennstoff in Atomkraftwerke untersagt sind.
- Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, …
- in Verbindung mit der anstehenden 18. Atomgesetznovelle einen Gesetzentwurf zur Stilllegung von Anlagen zur Kernbrennstoffversorgung, insbesondere der Urananlagen in Gronau und Lingen, vorzulegen, um den Atomausstieg in Deutschland umfassend zu machen.
- in dem Gesetzentwurf auch eine Regelung aufzunehmen, die es ermöglicht, Exporte von Uranbrennstoff (Kernbrennstoff) für Atomreaktoren im Ausland rechtlich zweifelsfrei zu untersagen.
Berlin, den …
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Begründung
Die Uranfabriken in Gronau und Lingen sind bislang vom Atomausstieg ausgenommen und verfügen über unbefristete Genehmigungen. Diese Uranfabriken beliefern Atomkraftwerke in aller Welt und stellen damit deren Weiterbetrieb sicher. Zu den Kunden gehören auch AKWs, die besonders hohe Risiken bergen und deren Folgen im Falle eines gravierenden Störfalls unmittelbar auch die Bevölkerung in der Bundesrepublik bedrohen.
Deshalb ist es zwingend, diese Uranfabriken in den Atomausstieg einzubeziehen und die atomrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Außerdem ist rechtlich der Export von Kernbrennstoffen zu untersagen, wenn deren Einsatz mit einer Gefährdung der bundesdeutschen Bevölkerung verbunden ist.
In einem Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) von Juli 2016 hat die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm dargelegt, dass die Bundesregierung zumindest die Lieferungen von Kernbrennstoffen in Form von angereichertem Uran bzw. als frische Brennelemente unterbinden kann, indem sie die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen nicht erteilt (www.ippnw.de, siehe: „Anordnung eines Exportstopps für Brennelemente aus der Brennelementefabrik Lingen in die Atomkraftwerke Doel (Belgien), Fessenheim und Cattenom (beide Frankreich)).
Weitere Anregungen dazu hatte die internationale Ärzteorganisation IPPNW in einem weiteren Rechtsgutachten im April 2017 vorgelegt (www.ippnw.de, Stellungnahme zu der vom BMUB beauftragten „Rechtlichen Begutachtung der Genehmigung nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 AtG für die Ausfuhr von Kernbrennstoffen nach Belgien und Frankreich“). Im Mai 2017 legte die Umweltschutzorganisation Greenpeace zudem eine Stellungnahme vor, in der die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein „Phase-Out“ der beiden Uranfabriken Lingen und Gronau dargestellt wurden (www.greenpeace.de, Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit: Kurzgutachterliche Stellungnahme zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Phase-Out-Gesetzgebung für die Urananreicherung und Brennelementproduktion in Deutschland).
Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im März 2017 beauftragten und im November 2017 vorgelegten Rechtsgutachten (http://www.bmub.bund.de/, siehe URENCO-Gutachten) zeigen auf, dass unter Beachtung einiger Rahmenbedingungen eine atomrechtliche Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen grundsätzlich verfassungskonform möglich und auch verhältnismäßig wäre.
Zur Begründung einer solchen Stilllegung der Uranfabriken heißt es in dem vom BMUB bei Prof. Dr. Wolfgang Ewer und Dr. Tobias Thienel beauftragten Gutachten u.a.: Die atomrechtliche Stilllegung „wäre insbesondere verhältnismäßig, weil der hochrangige Schutz des menschlichen Lebens, der menschlichen Gesundheit und der natürlichen Umwelt vor dem Restrisiko der Kerntechnik gegenüber der Beeinträchtigung des Eigentums – insbesondere – der betroffenen Betreiberinnen abstrakt und im konkreten Einzelfall Vorrang genießt. Das Eigentum an Anlagen zur Urananreicherung oder zur Brennelementefertigung weist einen besonders ausgeprägten sozialen Bezug auf. Außerdem bedeutet die in Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG niedergelegte Kompetenz des Gesetzgebers, die Grundsatzentscheidung für oder gegen die Zulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu treffen, dass die Betreiberinnen zu jeder Zeit einem Risiko der Neubewertung des unvermeidlichen Restrisikos der Kerntechnik durch den Gesetzgeber ausgesetzt waren.“ (www.bmub.bund.de, Seite 232, Ewer, Thienel: Rechtsgutachten zur Möglichkeit einer Beendigung der Urananreicherung und der Brennelementefertigung durch den Bundesgesetzgeber)
Auch das vorgelegte Gutachten von Dr. Sabine Konrad mit besonderem Blick auf völkerrechtliche Aspekte einer atomrechtlichen Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen bestätigt im Wesentlichen diese Möglichkeit. (www.bmub.bund.de, Konrad: Rechtsgutachten zur Möglichkeit einer Beendigung der Urananreicherung und der Brennelementefertigung durch den Bundesgesetzgeber)
Das BMUB stellt in Verbindung mit der Veröffentlichung der genannten Gutachten auf seiner Homepage fest: „Eine Beendigung der Brennelemente-Fertigung in Deutschland würde zu einer konsistenteren Linie in der deutschen Atomausstiegspolitik führen. Es bleibt der politischen Willensbildung innerhalb der Bundesregierung überlassen, ob sie diesen Weg gehen will.“ (www.bmub.bund.de).
Bis Ende Juni 2018 muss der Deutsche Bundestag als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2016 zum Atomausstieg nach Fukushima eine Anpassung des Atomgesetzes vornehmen (www.bundesverfassungsgericht.de, Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016.).
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