Atommüll – alles anders, alles sicher und wie weiter? Eine Fachtagung

Atommüll – alles anders, alles sicher und wie weiter? Eine Fachtagung

Die Suche nach einem unterirdischen Endlager für hochradioaktiven Atommüll wird jahrzehnte länger brauchen, als im entsprechenden Gesetz anvisiert. Damit verlängert sich die oberirdische, vermeintliche Zwischenlagerung dieser Abfälle, die nach Kriterien der Internationalen AtomEnergie-Organisation zu einer Langfristlagerung (Long Term Storage) mutiert. Schon bisher war klar: Noch bevor ein Endlager nach den alten Pläne in den 2050er Jahren in Betrieb gehen würde, wären die bisherigen Sicherheitskonzepte zu überprüfen und die Genehmigungen zur oberirdischen Zwischenlagerung an über 15 Standorten komplett zu erneuern. Welche Sicherheit aber braucht es, wenn die Langfristlagerung zum Standardmodell wird? Der Atommüllreport, eine unabhängige Einrichtung atomkritischer Organisationen, wird dazu im Juni eine Fachtagung durchführen. (Foto: BGZ, Zwischenlager Brokdorf)

Die gesellschaftliche Debatte über den weiteren Umgang mit dem Atommüll ist dringend notwendig und wird von vielen Medien weitgehend ausgeblendet, wenn es um Atomdebatte in Deutschland geht. Neue Atommeiler gern und überall, aber mit den Atommüll will keiner haben. Da lässt man sich gern den Unsinn erzählen, denn Atommüll können man wiederaufarbeiten, dann wäre es Hokus-Pokus fast verschwunden und nicht eine Million sondern nur ein paar Hundert Jahre „problematisch“. Und wenn es anders ist, muss man Technologieoffen nur ordentlich weiter forschen. Mit Realität hat das nichts zu tun, bestenfalls mit Interessen.

Ein Problem, das in den letzten Jahren neben den technischen Sicherheitsfragen immer größere Bedeutung erlangte, hat mit dem Krieg in der Ukraine eine neue Dimension erreicht: Terrorangriffe auf Nuklearanlagen und jetzt gar Krieg rund um einen der größten Atomkomplexe der Welt in Saporischschja. Die IEAO warnt immer massiver vor den Risiken einer Katastrophe und wirft der Staatengemeinschaft vor, nicht ausreichend verantwortlich zu handeln. In Deutschland und vielen anderen Staaten wurden wegen der Gefahren von Terrorangriffen spätestens seit den 2010er Jahren die Sicherungsmaßnahmen verschärft. Im Geheimen. Das gilt auch für die Zwischenlager. Aber, so hatte zuletzt das zuständige Bundeamt Base eingeräumt: Gegen Kriegsgefahren ist keine einzige Atomanlage ausreichend gesichert. Was, wenn die Stabilität in Europa anders verläuft, als es für Atomanlagen sinnvoll wäre?

Nicht nur die Probleme der Lagerung hochradioaktiver Abfälle werden mit der angekündigten Verzögerung bei der Suche nach einem Endlager größer. Auch die Frage der Endlagerung leicht- und mittelradioaktiver Atomabfälle steht damit erneut auf der Tagesordnung – unabhängig von den Problemen, die im Zusammenhang mit dem als Endlager geplanten Schacht Konrad in Salzgitter und einem dazu angeblich benötigten Logistikzentrum für die Konrad-Abfälle in Würgassen bestehen.

Im havarierten Atommülllager ASSE wird daran gearbeitet, den Atommüll herauszuholen. Bei der Uranverarbeitung in Gronau fällt im großen Still radioaktives Uran an, dass unter Umständen zu Atommüll erklärt werden könnte. Für diese  und noch einige andere spezielle Atomabfälle kommt der Schacht Konrad ohnehin nicht in Frage. Daher hatten Bundesregierung und Bundestag für die rund 300.000 Kubikmeter leicht- und mittelaktiver Abfälle – die nicht für Konrad sind – geregelt, dass diese Abfälle möglicherweise dort versenkt werden sollten, wo das Endlager für hochradioaktiven Atommüll entstehen soll, wenn es denn gefunden wird und wenn es denn möglich ist.

Schon das war eine waghalsige Konstruktion, die Anti-Atom-Verbände am Rande der entsprechenden Bundestagskommission und bei den Beratungen zur Novelle des Standordauswahlgesetzes 2017 massiv kritisiert hatten. Verschiebt sich nun aber die Suche nach einem Endlager für die hockaktiven Abfälle, dann verschiebt sich auch die Suche nach einem Endlager für die Abfälle aus ASSE, Gronau und anderswo in eine unbestimmte Zukunft. Mit anderen Worten: Eigentlich ist am Ende der Atomstromerzeugung in Deutschland immer noch unklar, wie genau es nun mit dem atomaren Erbe weiter gehen soll. Es sei denn, man fragt Söder und die CSU und die AfD und vielleicht auch die FDP?

Die für Long Term Storage zuständige Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hat ein Forschungsprogramm aufgelegt, um künftige Forschungs- und Sicherheitsanforderungen zu klären. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist dabei, neue Pläne und Möglichkeiten zu prüfen, wie es die weiteren Aufgaben effizienter und dennoch sicher angehen kann und die zuständige Kontrolle beim Bundesamt BASE bilanziert und versucht Verfahrenswege zu optimieren. Dahinter steht das Bundesumweltministerium als der große Player im Atommüllbereich. Alles unter Kontrolle – auch wenn alles verdammt unklar ist.

Einen Teil der vielen Fragen, die hier angesprochen wurden, wird auf der Tagung des Atommüllreports im am 23. Juni in Hannover auf der Agenda stehen. Dazu kommen noch andere, die hier gar nicht angesprochen wurden. Z.B. anstehende Atomtransporte per Castor von München und Jülich nach Ahaus, von Sellafield nach Isar/Niederbayern und von Frankreich nach Philippsburg. Atommüll auf Geisterfahrt.

Dokumentation:

Zwischen. Sicher? Ende? Fachtagung Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle 

23. Juni 2023, 11.00 – 16.30 Uhr Raschplatzpavillion Hannover

Spätestens seit der offiziellen Bekanntgabe, dass die Standortsuche für ein tiefengeologisches Lager mehrere Jahrzehnte länger dauern wird, ist offensichtlich, dass eine sichere Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle und bestrahlten Brennelemente für viele weitere Jahrzehnte gewährleistet werden muss. Es muss sichergestellt werden, dass auch im Jahr 2100 eine sichere Lagerung und eine sichere Handhabung der Abfälle möglich ist.

Bei einem so langen Zeitraum hilft es nicht weiter, mit besseren Rechenmethoden eine etwas längere Haltbarkeit der Castor-Behälter nachzuweisen, so zu tun, als würde Schacht KONRAD die Probleme mit den schwach– und mittelradioaktiven Abfällen lösen können oder über Anordnungen den Verbleib der radioaktiven Abfälle in Zwischenlagern ohne Genehmigung zu regeln.

Stattdessen muss jetzt ein Konzept für die offensichtlich notwendige Langzeit-Zwischenlagerung erarbeitet werden.

Mit der Fachtagung Zwischenlagerung möchte der Atommüllreport einen Beitrag zur Diskussion leisten.

Programm

(Stand 20.04.2023)

11.00 – 11.15 Begrüßung und politische Einführung

11.15 – 12.00 Aktuelle Probleme bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle und Anforderungen an eine risikoarme Lagerung für die nächsten Jahrzehnte 
Oda Becker, Physikerin Hannover

12.00 – 12.45 Was machen andere? Zwischenlagerkonzepte international
Marcos Buser, Geologe und Sozialwissenschaftler, Schweiz

12.45 – 13.45 Mittagspause

13.45 – 14.45 15-Minuten-Schlaglichter:

  • Kosten der Langzeit-Zwischenlagerung und verlängerten Standortsuche, 
    Prof. Dr. Wolfgang Irrek, Energiemanagement und EnergiedienstleistungenHochschule Ruhr-West,
  • Geplante Zwischenlagerung der Brennelemente aus Garchig und Jülich in Ahaus
    Dr. Hauke Doerk, Physiker, Umweltinstitut München
  • Konzeptionslosigkeit bei der Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle, 
    Ursula Schönberger, Politologin, Atommüllreport

14.45 – 15.15 Kaffeepause

15.15 – 16.15 Gesprächsrunde mit Referent*innen und Vertreter*innen von Behörden (angefragt)

16.15 – 16.30 Wie geht es weiter? Ausblick auf den weiteren politischen und wissenschaftlichen Prozess.

Teilnahmebeitrag

  30.– Euro für Privatpersonen

  10.– Euro für Studierende, Auszubildende,
Erwerbslose, o.ä.

100.– Euro für Vertreter*nnen von Behörden,
Institutionen und Firmen

Im Beitrag enthalten sind Essen und Getränke.

Anmeldung unter: info@atommuellreport.de

Veranstaltungsort: Raschplatzpavillion Hannover, 5 Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof https://pavillon-hannover.de/

Dirk Seifert

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