Zivile Nuklear-Aufrüstung: Anreicherung von Uran wird ausgebaut und deutlich erhöht – Stichwort HALEU

Zivile Nuklear-Aufrüstung: Anreicherung von Uran wird ausgebaut und deutlich erhöht – Stichwort HALEU

Als Folge des Krieges Russlands gegen die Ukraine wird der Weltmarkt für angereicherte Uranbrennstoffe in den westlichen Staaten ausgebaut und mit neuen Anreicherungs-Stufen hochgefahren. Hohe Bedeutung wird dabei einer Anreicherung von Uran-235 auf knapp unterhalb der Atomwaffenfähigkeit eingeräumt. HALEU (High-Assay Low-Enriched Uranium) ist der Fachbegriff für diesen besonderen Uranbrennstoff. Mit einer Anreicherung von bis zu fast 20 Prozent des spaltbaren Uran 235 erreicht dieses Hoch-Angereicherte-Niedrig-Angereicherte-Uran fast Atomwaffenfähigkeit.

Auch die teilweise deutsche URENCO mit Uranfabriken in Gronau (D), Almelo (NL), Capenhurst (UK) und in New-Mexico (USA) spielt in diesen Planungen mit. Seitens der Bundesregierung gibt es offenbar keine Bedenken gegen diese nukleare Aufrüstung. Aber auch Frankreich und die USA sind derzeit dabei, bei der Anreicherung des spaltbaren Urans 235 die Produktions-Mengen zu erhöhen und an einigen Standorten sogar neue Produktlinien für fast atomwaffenfähiges angereichertes Uran 235 knapp unterhalb 20 Prozent zu puschen. Sowohl für die Atomforschung an neuen Reaktorkonzepten als auch für nuklear angetriebene Militär-U-Boote und Schiffe braucht es dieses neuartige, als HALEU, bezeichnete Uran.

  • Das Unternehmen URENCO gehört je zu einem Drittel dem britischen Staat, den Niederlanden und Deutschland. In Deutschland gehören RWE und E.ON jeweils ein Sechstel der Anteile. Die Technik der URENCO ist in der Anlage, auch hochangereichertes Uran für Atomwaffen herzustellen. Daher unterliegt sie strengen Kontrollen der IAEO. Ihr Betrieb ist in mehreren internationalen Kontrollverträgen geregelt. Der Vertrag von Almelo ist Grundlage diese Regimes.Weitere völkerrechtlich bedeutsame Verträge neben dem Atomwaffensperrvertrag sind die Verträge von Cardiff, von Washington und von Paris.
  • Zu den Kontrollverträgen für die URENCO-Anreicherung: Die internationalen Verträge und der Super-Gau der Weiterverbreitung
  • Zur Entwicklung der Uran-Märkte siehe auch den Artikel „Uran für die Welt“  – Von Klaus Max Smolka, Almelo in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2023, Nr. 142, S. 17 (Paywall)

Ausbau statt Stilllegung: Urananreicherung Deutschland und Niederlande

Der teilweise deutsche Urankonzern URENCO ist dabei, die Herstellung von spaltbarem nuklearen Uran-Brennstoff massiv auszubauen. Im bundesdeutschen Gronau werden dazu unter Geheimhaltung neue sogenannte Ultrazentrifugen installiert, mit der die bisherige Menge  von Uran-Brennstoff für herkömmliche Atomreaktoren hochgefahren werden soll. Gegenüber Medien erklärte bereits am 23. Juni 2023 der Geschäftsführer der URENCO in Gronau, Dr. Jörg Harren: „Der Urenco geht es gut. Wir erweitern, wir bauen aus. Selbst in Deutschland tauscht man Zentrifugen aus und fügt teilweise kleine Kapazitätserweiterungen hinzu. Es gibt Investitionen im dreistelligen Millionenbereich.“ (Halterner Zeitung vom 23.06.2023, Seite 20 / Aus der Region)

URENCO liefert z.B. das angereicherte Uran für Atomreaktoren in der Ukraine oder z.B. für die Vereinigten Arabischen Emirate, die in den letzten Jahre vier Atommeiler in Betrieb genommen haben und einen weiteren Ausbau planen. Rund 10 Prozent des Weltmarkts werden vom Standort Gronau versorgt.

Auch am niederländischen Standort in Almelo soll die Produktion dieses „konventionellen“ Urans mit einer Anreicherung von 3 bis maximal 6 Prozent Uran 235 für die Herstellungen von Brennstoff zum Einsatz in herkömmlichen Leichtwasserreaktoren erhöht werden. Die diese Mengen-Erhöhung braucht braucht es in Almelo und Gronau derzeit noch keine neuen Genehmigungen. Beide Anlagen hatten nach dem Super-Gau in Fukushima, dem Atomausstieg in einigen Ländern und aufgrund der Stilllegung von Reaktoren die Produktion in den letzten Jahren runterfahren müssen.

Diese Maßnahmen sind Reaktionen auf den Angriff Russlands gegen die Ukraine. Urenco Gronau hatte direkt nach dem Angriff als freiwillige Maßnahmen erklärt, kein angereichertes Uran mehr aus Russland beziehen zu wollen Ein Boykott im Rahmen der EU-Sanktionen gegen Russland für Uran-Lieferungen aus Russland erfolgt derzeit nicht. Diese und weitere Maßnahmen westlicher Staaten sollen aber in den nächsten Jahren die Abhängigkeit von russischem angereichertem Uran reduzieren.

Teilweise deutsche URENCO: Erweiterung mit LEU+ in den USA

In den USA hat die dortige URENCO-Anlage laut einer Mitteilung des Unternehmens vom März einen grundsätzlichen positiven Bescheid von  den dortigen Behörden erhalten, künftig die Herstellung von nuklearem Brennstoff mit einem Anteil von Uran235 von bislang 5 (5,5) Prozent auf bis zu 10 Prozent zu erhöhen. Diese Bereich der Anreicherung mit Uran235 wird als LEU+ bezeichnet, weil er über dem herkömmlichen Anreicherungsgrad von bisheriger Leichtwasserreaktoren liegt. Eine endgültige Genehmigung, die Anlage entsprechend aufzurüsten würde laut URENCO zum Ende 2024 erwartet.

Wörtlich heißt es: NRC Accepts Urenco USA’s License Amendment Request for LEU+ – „On March 8, 2024, the Nuclear Regulatory Commission (NRC) accepted Urenco USA’s License Amendment Request (LAR) to increase enrichment levels from 5.5% to 10% (Low Enriched Uranium+ or LEU+). The NRC has agreed to review our request and expects to make a final decision by the end of 2024. “This marks a positive milestone for Urenco USA and the industry. We remain dedicated to advancing sustainable energy by supporting this strategic effort to supply advanced fuels for current and future nuclear reactors,” stated Paul Lorskulsint, Chief Nuclear Officer and LEU+ Executive Sponsor.“

USA bauen nationale Anreicherung und HALEU-Herstellung auf.

Unabhängig von den URENCO-Planungen für die LEU+-Anreicherung sind die USA dabei, eine eigene Anreicherungstechnik neu zu entwickeln und marktfähig zu machen. Dazu wird mit massiver Unterstützung der US-Regierung ein Eigenentwicklung von Ultragaszentrifugen entwickelt. Im ersten Schritt hat die Regierung mit Centrus Energy eine Pilot- bzw. Testanlage mit 19 Zentrifugen zur Anreicherung von HALEU auf den Weg gebracht.

Bei WNN heißt es dazu: „Die USA entwickeln auch ein inländisches Angebot an HALEU. Im November letzten Jahres lieferte Centrus Energy die erste HALEU, die in ihrer American Centrifuge Plant in Piketon, Ohio, produziert wurde, an das US-Energieministerium (DOE). Der Bau der 16-Khütten-Demonstrations-Kaskade-Anlage begann 2019 unter Vertrag mit der DOE. Die Lieferung von mehr als 20 Kilogramm HALEU an die DOE durch Centrus bedeutet, dass die erste Phase des Vertrages nun abgeschlossen ist und Centrus mit der zweiten Phase vorangehen kann: ein ganzes Jahr der HALEU-Produktion in der 900 Kilogramm pro Jahr Werk.“

Diese Planungen reichen in den USA schon einige Jahre zurück, nachdem Anfang der 2000er Jahre die bisherige Anreicherungstechnik in den US, die Gasdiffusion, aus Kostengründen endgültig stillgelegt worden ist. Die Regierung Trump hatte schließlich mit wichtigen Initiativen und Gesetzen eine massiver nationale Erneuerung der Uranwirtschaft vorbereitet und auf den Weg gebracht, die von den Demokraten unter Biden nahtlos weitere verfolgt wird.

URENCO in Großbritannien: Massiver Aufbau einer HALEU-Produktion geplant

Nach übereinstimmenden Meldungen finanziert die britische Regierung als Miteigentümer von URENCO mit fast 200 Millionen Pfund am Standort Capenhurst (UK) künftig die Herstellung von neuartigem Uranbrennstoff, sogenanntem HALEU. Mit einer Anreicherung des spaltbaren Uran235 von bis zu 19,75 Prozent liegt dieser nur noch knapp unterhalb der Atomwaffenfähigkeit und kann sowohl für neuartige Reaktorkonzepte (Stichwort SMR) als auch für nukleare Antriebe von militärischen Schiffen und U-Booten verwendet werden. WNN berichtet wörtlich: „196 Millionen GBP (245 Millionen US-Dollar) für den Bau einer Urananreicherungsanlage mit der Kapazität, bis 2031 bis zu 10 Tonnen hochassays niedrig angereichertes Uran (HALEU) pro Jahr zu produzieren.“

Diese Maßnahme wird von höchster politischer Ebene angekündigt: „Der britische Premierminister Rishi Sunak sagte, dass der Bau der Urananreicherungsanlage für die Gewährleistung der nuklearen und energiepolitischen Sicherheit des Landes unerlässlich sei.“ Großbrittanien ist Atomwaffenstaat und seit einigen Jahren dabei, dass erforderliche Know-How auch mit Maßnahmen im vermeintlich zivilen Atombereich zu erhalten bzw. auszubauen. Unter anderem der Bau des völlig überteuerten AKW Hinkley Point wird in diesem Zusammenhang genannt.

Frankreich erweitert ebenfalls und setzt auf HALEU

Auch Frankreich ist dabei, seine Uran-Anreicherung aufzurüsten und strebt dabei auch die Herstellung von HALEU an. Frankreichs Urananreicherung basiert inzwischen vollständig auf der Technik der Ultrazentrifugen von URENCO. Mitte der 2000er Jahre war dazu mit dem genannten Vertrag von Paris die Kooperation zwischen Frankreich (Orano) und der URENCO-Tochter ETC vereinbart worden.

WNN: „Im September (2023) enthüllte Orano Pläne, die Anreicherungskapazität in seiner Urananreicherungsanlage Georges Besse II (GB-II) in Frankreich zu erweitern, und sagte, dass es den Regulierungsprozess zur Herstellung von HALEU dort begonnen habe.“

Frankreich ist auf höher angereichertes Uran im Bereich LEU+ bzw. HALEU auch für sein militärische Atomprogramm abhängig. Dort werden z.B. die Atom-U-Boot-Antriebe mit Uran235 unterhalb von 20 Prozent betrieben. Der Ankündigung zufolge lässt sich annehmen, dass Uran 235 in der auf URENCO-Technik basierenden Anlage GB-II bis zu 19,75 Prozent angereichert werden soll. Damit wäre die Schwelle zur Atomwaffenfähig zwar knapp unterschritten, aber solche Uran aus GB-II könnte damit auch künftig in Atom-U-Booten landen.

Ist Produktion von HALEU und LEU+ rechtlich für URENCO zulässig?

Ob diese Nutzung der zivilen Uranfabriken zur Anreicherung von LEU+ und HALEU zulässig ist, ist zumindest eine kritische Debatte wert. Dazu wären die Verträge von Almelo etc. zu analysieren. (Siehe oben)

URENCO hatte vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Lieferung von herkömmlich angereichertem Uran für US-Atomreaktoren der TVO in Watts-Bar keine rechtlichen Probleme gesehen. In den US-Reaktoren in Watts-Bar wird von den USA Tritium für den Einsatz in Atomsprengköpfen hergestellt. Tritium ist eine Art Booster und verstärkt die Wirkung von Atomwaffen um ein Vielfaches. Zwar produzieren die Reaktoren auch Strom, aber die Fahrweise der Anlagen weicht von der betriebsweise üblicher Reaktoren deutlich ab, um ein mögliches Optimum von Tritium in den eingesetzten Lithium-Absorbern zu erreichen. URENCO sah natürlich keine Probleme, diese Reaktoren mit Uran zu beliefern, obwohl diese Reaktoren zwingender Bestandteil des US-Atomwaffenprogramms sind.

Die US-Regierung entschied sich jedoch gegen die Lieferung von URENCO, weil ihnen das Risiko zu hoch war, dass dies als militärische Nutzung ziviler Atomenergie-Technik von Nicht-Atomwaffen-Staaten (Deutschland, Niederlande) ausgelegt hätte werden können. Ein wichtiger Grund für diese Entscheidung dürfte aber auch gespielt haben, dass mit der Ablehnung von URENCO-Lieferungen die finanziellen Mittel für den Aufbau einer neuen US-Anreicherungstechnik leichter zu begründen waren. Amercia First.

Einige der genutzten Quellen:

<https://urencousa.com/news/sustainability/2024/nrc-accepts-uusas-license-amendment-request-for-leu>

<https://www.urenco.com/news/global/2024/advanced-fuels-announcement>

<https://www.world-nuclear-news.org/Articles/UK-aims-for-Urenco-built-HALEU-facility-by-2031>

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “Zivile Nuklear-Aufrüstung: Anreicherung von Uran wird ausgebaut und deutlich erhöht – Stichwort HALEU

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert