Hochradioaktiv vor Gericht: OVG Münster verhandelt Klage der Stadt Ahaus über Einlagerung von Jülicher Atommüll. BUND NRW bereitet Klage gegen Transporte vor

Hochradioaktiv vor Gericht: OVG Münster verhandelt Klage der Stadt Ahaus über Einlagerung von Jülicher Atommüll. BUND NRW bereitet Klage gegen Transporte vor

Darf der in über 150 Castor-Behälter verpackte hoch radioaktive Atommüll aus Jülich im Zwischenlager Ahaus eingelagert werden, wie es eine entsprechende Genehmigung vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) aus dem Jahr 2016 vorsieht? Vor dem OVG Münster wird darüber ab dem 3. Dezember verhandelt. Das Urteil wird möglicherweise noch unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung erwartet. Für den Fall, dass das Gericht der Klage der Stadt Ahaus und einer Privatperson folgt, dürfte der bereits beantragte Neubau für ein verbessertes Zwischenlager in Jülich als Alternative an Bedeutung gewinnen. Bestätigt das Gericht die erteilte Genehmigung, dann fehlt noch eine ebenfalls von BASE zu erteilende Atomtransportegenehmigung, bevor die Transporte durchgeführt werden könnten. Damit wird nicht mehr in 2024 gerechnet. Aber auch im Falle, dass die Genehmigung zur Einlagerung in Ahaus bestätigt wird: Ein Neubau eines verbesserten Zwischenlagers in Jülich ist offenbar noch immer nicht vom Tisch.

Bedeutsam für die Verhandlung sind insbesondere auch Fragen des Terrorschutzes, dem sogenannten Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstiger Einwirkungen Dritter (SEWD). Nachdem ein Gericht dem Zwischenlager in Brunsbüttel die Genehmigung entzogen hatte, weil relevante Nachweise über die staatlichen Schutzmaßnahmen aus vermeintlichen Geheimschutzgründen nicht vorgelegt werden konnten, wurden mit der 17. Atomgesetzänderung die Kontrollrechte für Gerichte und Kläger:innen eingeschränkt. Im Falle von Geheimschutzmaßnahmen müssen auch die Gerichte nun den Behörden glauben, dürfen aber keine Prüfungen vornehmen. Derartige Maßnahmen spielen auch im Falle des derzeitigen Lagers in Jülich eine Rolle. Wie aber auch bei anderen Atommüll-Zwischenlagern auch, können diese durch sogenannte temporäre Maßnahmen sichergestellt werden. Seit vielen Jahren werden solche temporären Maßnahmen auch z.B. in Brunsbüttel, in Lubmin bei Greifswald oder in Gorleben gegen Terrorangriffe in Anwendung, bis bauliche Nachrüstungen, sogenannte Härtungen umgesetzt sind.

Einer der Gründe, die vor rund 10 Jahren zu einer Räumungsanordnung durch das Land NRW als Atomaufsicht gegen die Betreiber der ehemaligen Atomforschungsanlagen in Jülich verhängte, waren fehlenden Sicherheitsnachweise beim Erdbebenschutz. Die sind inzwischen ausgeräumt, bestätigt auch das BASE.

Bis zu 152 Atomtransporte per LKW mit einem Gesamtgewicht von rund 140 Tonnen und jeweils einem Großaufgebot von Polizei gesichert sind erforderlich, um den Atommüll im Zweifelsfalls von Jülich nach Ahaus zu verfrachten. Ein entsprechender Antrag der Transportfirma Orano, die für die Jülicher Entsorgungsgesellschaft JEN aktiv ist, liegt der Genehmigungsbehörde BASE vor, ist aber noch nicht entschieden. Auch ein Antrag auf Sofortvollzug für die Transportgenehmigung liegt BASE vor. Der BUND NRW hat angekündigt, eine Transportgenehmigung gerichtlich zu prüfen. Eine solche Klage hätte aufschiebende Wirkung, wenn der Sofort-Vollzug nicht erteilt würde.

Nach derzeitiger Lage ist kaum davon auszugehen, dass es noch vor den Bundestagswahlen im Februar 2025 zu Atomtranporten kommen dürfte.

Politisch stellt sich allemal die Frage, was einen Sofort-Vollzug im Falle einer Transportgenehmigung rechtfertigen könnte, wenn man bedenkt, dass der Atommüll in Jülich nun seit über 10 Jahren politisch, rechtlich und sachlich umstritten ist und zuletzt akute Sicherheitsrisiken in Jülich offenbar nicht mehr im Raum stehen. Jülich hätte gegenüber Ahaus sogar noch einen wichtigen Vorteil. Sollten Behälter defekt werden, könnte in Jülich noch eine Reparatur in der dort vorhandenen Heißen Zelle durchgeführt werden. In Ahaus gibt es eine solche Vorrichtung nicht.

Insgesamt verfügen die Betreiber über vier speziell entwickelte und gepanzerte Fahrzeuge, mit denen diese brisanten LKW-Atomtransporte durchgeführt werden können. Konstruktion und Bau gehen dabei an maximale technische Grenzen, hieß es seitens der Beteiligten. Einzelheiten über die Fahrzeuge, die auch gegen bewaffnete Angriffe geschützt sein sollen, unterliegen strengster Geheimhaltung. Bei Probetransporten vor einem Jahr ist es dabei zu massiven Pannen gekommen. Dabei hatte der polizeiliche Begleitschutz kurzzeitig sogar den Kontakt zum Transportfahrzeug verloren, nachdem der eine andere Route genommen hatte, als vorgesehen.

Probleme könnten insgesamt die nicht immer idealen Zustände der möglichen Transportrouten bei der Durchführung bereiten. Eine der Autobahnbrücken, die für die Durchführung vorgesehen waren, ist inzwischen gesperrt worden. Siehe hier.

Zum Hintergrund und den Risiken des Atommülls und der Atomtransporte siehe auch:

Dirk Seifert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert