Nukleartourismus: Atommüllmüll aus Plutoniumfabrik Sellafield unterwegs über die Nordsee nach Nordenham – Ziel Bayern

Nukleartourismus: Atommüllmüll aus Plutoniumfabrik Sellafield unterwegs über die Nordsee nach Nordenham – Ziel Bayern

Sieben Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll aus der Plutoniumfabrik im nordenglischen Sellafield sind per Schiff über die Nordsee unterwegs nach Deutschland. Das haben Recherchen verschiedener Anti-Atom-Organisationen ergeben. Der extrem gefährliche Transport findet unter höchsten Sicherungsmaßnahmen in Sachen Terror- und Gefahrenabwehr statt. Die Gesellschaft für Nuklar-Service (GNS) in Hanau ist für die Abwicklung im Auftrag von PreußenElektra zuständig und hat inzwischen bestätigt, dass der Transport auf geheimen Routen gestartet ist. Von dem Transporten gehen enorme Risiken im Fall von Unfällen oder Terrorangriffen aus. Daher gelten höchste Sicherungsanfordungen.

Castor-Umschlag von Schiff auf Schiene in Nordenham. Foto: GNS/GRS

Auch in Deutschland wird nach der in Nordenham für Anfang der Woche geplanten Umladung der Behälter vom Schiff auf spezielle Bahnwaggons ein Großaufgebot von Polizei und Sicherheitskräften bundesweit im Einsatz sein. Die Radioaktivität in den Behältern ist in Glaskokillen eingegossen. Allein die Spezialbehälter wiegen über 100 Tonnen. Der Atommüll ist bei der Plutoniumabtrennung von verbrauchten Uranbrennelementen entstanden. Bis 2005 gehörte das zum sogenannten Entsorgungskonzept der Bundesrepublik. Während das abgetrennte Plutonium in den bundesdeutschen Reaktoren unter Inkaufnahme extrem unwirtschaftlicher Bedingungen eingesetzt wurde (Stichwort MOX), kommt der dabei entstandene Atommüll aus Sellafield nun entsprechend der internationalen Verträge zurück zum Verursacher.

  • Die Grünen in Bayern nehmen die gefährlichen Atomtransporte zum Anlass, um auf die Risiken der Zwischenlagerung hochaktiver Atomabfälle hinzuweisen. In einer PM warnen sie, dass endlich über die Nachrüstung der Zwischenlager an den jeweiligen Standorten offen und transparent gesprochen werden muss.
  • Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hat auf ihren Seiten einen Bericht über die Strahlenmessungen der beladenen Behälter veröffentlicht. Ob es bei der Beladung und beim Verschließen der Behälter Probleme gegeben hat, geht aus den anschließenden Messungen nicht hervor.

Ehemals gingen diese Atomabfälle in das oberirdische Zwischenlager nach Gorleben, weil die Verantwortlichen politisch entschieden hatten, den Atommüll in Gorleben, an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenzen in einem Salzstock tief unter der Erde verbuddeln zu lassen. Doch der bundesweite Widerstand und Protest gegen die Nutzung der Atomenergie und die geplante Lagerung an einem völlig ungeeigneten Standort allein begründet durch politische und wirtschaftliche Macht trug dazu bei, dass der Atomausstieg in Deutschland nach den Katastrophen von Tschernobyl und schließlich in Fukushima schließlich zur Kehrtwende auch der CDU/CSU und FDP kam, nachdem SPD, Grüne und dann auch die LINKE den Atomausstieg längst zum Primat erhoben hatten, um Atomgefahren zu reduzieren und die Erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung massiv auszubauen.

Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Regierung Merkel nach Fukushima kam es auch zu einem Neustart bei bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle. Als wichtiger gesellschaftlicher Kompromiß wurde dabei zwischen Bundesregierung und Ländern auch vereinbart, dass nicht mehr nur Niedersachsen die Lasten des hochaktiven Atommülls tragen dürfe. Daher wurden die Rückstransporte  von Atommüll aus den Plutoniumfabrik nicht mehr nur nach Gorleben, sondern im Rahmen einer neuen Vereinbarung auch nach Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein (zusätzlich zu Niedersachsen) vereinbart. Transporte nach Hessen und Baden-Württemberg haben bereits stattgefunden. Der Transport aus Sellafiled nach Brokdorf in Schleswig-Holstein wird für 2026 erwartet.

Die GNS bestätigt per PM:

Rücktransport deutscher Wiederaufarbeitungsabfälle aus England zum Zwischenlager Isar hat begonnen

27.03.2025

Am gestrigen Abend hat die „Pacific Grebe“, ein Spezialschiff für den Transport radioaktiver Materialien, im englischen Hafen Barrow-in-Furness abgelegt. An Bord befinden sich sieben Behälter mit radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im englischen Sellafield. Zuvor waren die Behälter vom Typ CASTOR® HAW28M auf der Schiene von der Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield zum rund 65 km entfernten Hafen gebracht und dort auf das Schiff verladen worden. Nach Ankunft an einem deutschen Seehafen werden die Behälter auf Eisenbahnwaggons verladen und auf der Schiene zum staatlichen Zwischenlager Isar (BZI) in Niederaichbach bei Landshut gebracht.  Für den Transport hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) am 20. Dezember 2024 die erforderliche Transportgenehmigung gemäß § 4 AtG erteilt.

Die Aufbewahrungsgenehmigung gemäß § 6 AtG zur Einlagerung der verglasten Wiederaufarbeitungsabfälle hatte die bundeseigene BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH, die das Zwischenlager Isar betreibt, bereits im April 2023 vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) erhalten.

Die Kernkraftwerksbetreiber haben sich zur Rücknahme der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung ihrer Brennelemente im Ausland vertraglich verpflichtet. Als zentralen Dienstleister für die Abwicklung der Rückführung haben sie die GNS Gesellschaft für Nuklear-Service beauftragt. Darüber hinaus bestehen völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Deutschland und Großbritannien, die die Rücknahme sicherstellen. Die Aufteilung der noch aus dem Ausland zurückzuführenden Wiederaufarbeitungsabfälle auf mehrere Zwischenlagerstandorte basiert auf einem Konzept der Bundesregierung.

GNS-Infoportal zur Rückführung

Umfassende Informationen rund um die Rückführung deutscher Wiederaufarbeitungsabfälle und den anstehenden Transport hat die GNS auf einer gesonderten Website zusammengestellt. Hier finden sich weitere Hintergrundinformationen, Fotos und Grafiken sowie Ansprechpartner der beteiligten Unternehmen:

rueckfuehrung.gns.de

Weiterführende Informationen

Wiederaufarbeitung

Bis zum Jahr 2005 war es gängige Praxis, dass ein Teil der in deutschen Kernkraftwerken verbrauchten Brennelemente zur Wiederaufarbeitung in entsprechende Einrichtungen in England und Frankreich gebracht wurde. Die Brennelemente enthielten den für die nukleare Stromerzeugung erforderlichen Brennstoff. Nachdem sie in den Kernkraftwerken eingesetzt waren, beinhalteten sie immer noch wertvolle Brennstoffreste, die aufgearbeitet und wiederverwendet werden konnten. Es verblieben aber auch nicht-verwertbare radioaktive Abfälle, die entsorgt werden müssen.

Die Praxis der Wiederaufarbeitung wurde von der Bundesregierung im Jahr 2005 gesetzlich beendet. Die Verpflichtung Deutschlands (völkerrechtlich) und der deutschen Kernkraftwerksbetreiber (privatrechtlich), die bei der Wiederaufarbeitung verbliebenen Abfälle zurückzunehmen, besteht aber unverändert. Der größte Teil dieser Abfälle wurde schon in früheren Jahren mit zwölf Transporten von insgesamt 108 Behältern aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins zentrale Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben gebracht und dort eingelagert.

Konzept der Bundesregierung

Die Rücknahme und Aufteilung der letzten noch im Ausland befindlichen Wiederaufarbeitungsabfälle wurde im Jahr 2015 in einem Konzept der Bundesregierung festgelegt, das sich seither in Umsetzung befindet. Die Umsetzung erfolgt dabei arbeitsteilig durch mehrere Beteiligte auf staatlicher wie auf privatwirtschaftlicher Seite. Das Konzept sieht vor, dass die verbliebenen Abfälle aus England auf die staatlichen Brennelemente-Zwischenlager in Biblis, Brokdorf und Isar verteilt werden sollen, die verbliebenen Abfälle aus Frankreich sollten im staatlichen Brennelemente-Zwischenlager in Philippsburg eingelagert werden. Alle diese Zwischenlager werden von der staatlichen BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH betrieben. Die regionale Verteilung der Abfälle bzw. der Behälter auf Standorte in vier Bundesländern orientiert sich am Verursacherprinzip. Dabei wurden auch die in Gorleben bereits eingelagerten 108 Behälter mit Wiederaufarbeitungsabfällen berücksichtigt.

Das Konzept der Bundesregierung nennt außerdem den von der GNS entwickelten und hergestellten CASTOR®-Behälter vom Typ HAW28M als den für Transport und Lagerung geeigneten Behälter und es hält fest, dass die Zwischenlagerung der Abfälle in diesem Behältertyp und in den genannten Lagern rechtlich und technisch möglich ist.

Die letzten Abfälle aus La Hague wurden im November 2024 in vier CASTOR®-Behältern vom Typ HAW28M auf der Schiene zum staatlichen Brennelemente-Zwischenlager Philippsburg gebracht. Die Rückführung aus Frankreich ist damit abgeschlossen.

Aus England waren insgesamt noch 20 CASTOR®-Behälter vom Typ HAW28M mit Abfällen nach Deutschland zurückzubringen: sechs davon wurden bereits im Jahr 2020 im staatlichen Zwischenlager Biblis eingelagert, jeweils sieben Behälter kommen noch nach Isar und Brokdorf.

Sicherheit und Strahlenschutz

Die Sicherheit von Mensch und Umwelt steht bei Transport und Lagerung von radioaktiven Materialien immer an erster Stelle. Eine Genehmigung für Transport bzw. Lagerung solcher Stoffe wird in Deutschland nur erteilt, wenn zuvor der Nachweis erbracht wurde, dass die Sicherheit gewährleistet ist bzw. – mit anderen Worten – dass alle Vorschriften und vorgegebenen Grenzwerte zuverlässig eingehalten werden. Dementsprechend werden auch beim Transport zum Zwischenlager Isar Vorkehrungen dafür getroffen, dass für Mensch und Umwelt keine Gefahr besteht.

Die Strahlung der Abfälle wird nach außen massiv abgeschirmt. Die Abfälle werden in der Wiederaufarbeitungsanlage mit flüssigem Silikatglas vermischt und in zylindrische Behälter aus Edelstahl gegossen, die dann – nach Aushärtung – dicht verschlossen werden. Diese mit ausgehärtetem Glasgemisch gefüllten Behälter werden „Glaskokillen“ genannt. Für Transport und Lagerung werden die Kokillen wiederum in die speziell für diese Abfallart konstruierten Behälter vom Typ CASTOR® HAW28M eingebracht. Dabei handelt es sich um massive, über 100 Tonnen schwere Behälter aus Gusseisen und Edelstahl, für die in umfassenden Tests nachgewiesen wurde, dass sie sowohl eine stark abschirmende Wirkung haben als auch unter extremen Bedingungen sicher sind.

Informationen zum Strahlenschutz rund um den Transport finden sich außerdem hier:

https://www.grs.de/de/aktuelles/castor-transport-von-sellafield-ins-zwischenlager-isar-2025

Ansprechpartner

GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH

Michael Köbl
Pressesprecher, Leiter Kommunikation

Telefon: +49 (0)201 109 –1444
E-Mail: michael.koebl@gns.de

PreussenElektra GmbH

Almut Zyweck
Unternehmenskommunikation

Telefon: +49 (0)511 4393832
E-Mail:   almut.zyweck@preussenelektra.de

Dokumentation Grüne Fraktion Bayern.

Castorentransport nach Niederbayern

27. März 2025

Ehrliche Debatte über Atommüll dringend notwendig!

Sieben Behälter mit hochradioaktivem Inhalt kommen von Großbritannien nach Niederaichbach – und lenken den Blick auf schwierige Fragen: nach Sicherheitsstandards, einer Langzeitlösung und auf Markus Söder.

Bald rollen sie Richtung Niederbayern: sieben Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll, die aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield nach Niederaichbach (Niederbayern) gebracht werden. Deren geplante Einlagerung in dem Zwischenlager im Landkreis Landshut lenkt erneut den Blick auf ungelöste und schwierige Fragen zur Sicherheit.

„Wir brauchen jetzt eine ehrliche und öffentliche Debatte darüber, wie wir die Sicherheit für die verlängerte Zwischenlagerung erhöhen können“, sagt Martin Stümpfig, Sprecher für Energie der Landtags-Grünen, besonders mit Blick auf Markus Söders Atomkraft-Pläne.

Der bayerische Ministerpräsident hatte zuletzt mehrfach einen Ausbau der Kernenergie gefordert, jedoch ohne Lösungen für die Lagerung des hochgefährlichen Atommülls parat zu haben.

Dabei wird die Zwischenlagerung stetig unsicherer. Grund: Ursprünglich für nur 40 Jahre geplant, werden die entsprechenden Lagerstätten wohl mindestens 80 bis 100 Jahre benötigt werden – aufgrund der schleppenden Endlagersuche. Damit steigen jedoch auch die Gefahren: aufgrund etwaiger Undichtigkeit von Behältern, wegen ggf. fehlender Reparaturmöglichkeiten bis hin zu dramatischen Folgen durch Terrorangriffe oder möglicher Hochwassergefahren.

Martin Stümpfig: „Die Forderung nach besserem Schutz gegen Flugzeugabsturz und Angriffe durch panzerbrechende Waffen ist seit fast 20 Jahren die gleiche – nur wird sie von Jahr zu Jahr aktueller, weil sich die Waffen in den letzten Jahren so enorm weiterentwickelt haben, beispielsweise Drohnen.“

Die Landtags-Grünen fordern seit langem eine umfassende Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen und eine Anpassung an die aktuellen Bedrohungslagen.

Vor allem aber müsse die Endlagersuche vorangetrieben werden – auch und insbesondere durch den Bayerischen Ministerpräsidenten, betont Martin Stümpfig.

„Markus Söder kann nicht einerseits Tonnen an neuem Giftmüll produzieren wollen und anderseits nichts damit zu tun haben wollen. Und der aktuelle Castor-Transport zeigt es ja deutlich: Bayern trägt einen großen Anteil an der deutschen Atommüllproblematik. Der bayerische Ministerpräsident muss Verantwortung übernehmen und sich energisch für die Endlagersuche einsetzen“,

sagt Martin Stümpfig – und stellt fest: Die Proteste gegen Atomkraft seien derzeit friedlich, was wohl am politischen Konsens der letzten Jahre zum Atomausstieg liegt. Sollte die neue Bundesregierung diesen Konsens aufkündigen, könnte dies das Land mehr denn je spalten.

 

Dirk Seifert

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