Atomgesetz-Änderung für Atommüll-Programm: Bundesrat und Verbände üben Kritik

Das Bundesumweltministerium hat aufgrund einer EU-Richtlinie seine Pläne für den künftigen Umgang mit dem Atommüll in einem „Nationalen Entsorgungsprogramm“ formuliert. Dieses ist bis zum 23. August 2015 erstmals der Europäischen Kommission vorzulegen. Derzeit muss das BMUB 70.000 Einwendungen auswerten und darlegen, wie es auf diese Kritik reagiert. Hubertus Zdebel und die Fraktion DIE LINKE haben zum Programm-Entwurf einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem die vielen Defizite und Mängel beseitigt werden sollen. Zusätzlich muss das Atomgesetz nach der Sommerpause geändert werden, um die rechtlichen Voraussetzungen für die Einpassung des „Nationalen Entsorgungsprogramms“ zu schaffen. Der Entwurf für diese Atomgesetz-Novelle war am 27.5.2015 vom Bundeskabinett beschlossen worden, ist bereits in der Verbände-Anhörung und hat im Juli auch den Bundesrat erreicht. Der forderte in seiner Stellungnahme lediglich eine Änderung hinsichtlich der Auskunftsrechte der Behörden gegenüber den Betreibern. Nach der Sommerpause wird sich der Bundestag mit der ATG-Novelle befassen.

Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE: “Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE: „Gleich nach der Sommerpause wird sich der Umweltausschuss aufgrund unseres Antrags (Drucksache 18/5228) mit den Inhalten des Entwurfs zum “Nationalen Entsorgungsprogramm“ befassen; wir werden die zahlreichen Probleme bei der Atommülllagerung zum Thema machen. Außerdem werden wir uns mit der 14. Atomgesetz-Novelle befassen, die die Bundesregierung dann in den Bundestag einbringen wird. Auch hier werden wir deutliche Nachbesserungen einfordern, die über die Kritik des Bundesrats hinausgehen werden. Um nur zwei Punkte zu nennen: Die realen Probleme beim Umgang mit allen radioaktiven Abfällen müssen konkret benannt werden und es müssen die Alternativen bei der Atommülllagerung geprüft und dargestellt werden.“

  • Anmerkung zum Gesetzgebungsverfahren: Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung erhält zunächst der Bundesrat die Möglichkeit zur “Stellungnahme” (siehe gleich unten). Diese kann von der Bundesregierung in einer “Gegenäußerung” beantwortet werden, bevor der Entwurf in den Bundestag eingebracht wird. Der Beschluss des Bundestages ist dann die Grundlage für die Entscheidung im Bundesrat. Stimmt er zu, ist das Gesetz nach Unterzeichnung nur den Bundespräsidenten rechtswirksam. Stimmt er nicht zu, kommt es zur Überweisung in den Vermittlungsausschuss. Siehe dazu diese Information auf der Homepage des Bundesrats.

Der Bundesrat berichtet online über seine Befassung mit der ATG-Novelle unter der Überschrift “Änderung des Atomgesetzes: Bundesrat fordert erweiterte Auskunftsrechte” und schreibt: “Der Bundesrat hat am 10. Juli 2015 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle beraten und eine Stellungnahme beschlossen. Er möchte erreichen, dass auch zukünftig die Länder Auskünfte von den Entsorgungspflichtigen und Besitzern abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle einholen können. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Kompetenz des für Strahlenschutz zuständigen Bundesministeriums verkenne die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder.

Zudem schlägt der Bundesrat vor, Verstöße der Anlagenbetreiber gegen die Befugnisse der Überwachungsbehörden – wie zum Beispiel gegen Auskunfts- oder Betretungsrechte – künftig mit einem Bußgeld zu bewähren.” Weiter heißt es dort unter “Umsetzung von europäischem Atomrecht”: “Der Gesetzentwurf dient der weiteren Umsetzung der Europäischen Richtlinie für die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in nationales Recht. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um ein hohes Sicherheitsniveau im Bereich der nuklearen Entsorgung zu gewährleisten. Der Gesetzentwurf ergänzt deshalb das Atomgesetz.

Die Bundesregierung schlägt unter anderem Regeln für ein nationales Entsorgungsprogramm vor. Zudem verpflichtet der Entwurf die Betreiber von Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen einzuführen.”

  • Das Deutsches Atomforum e.V. (DAtF), Berlin und VGB PowerTech e.V. (VGB), Essen haben eine gemeinsame Stellungnahme zur 14. AtG-Novelle verfasst, die hier online ist (PDF).

Inhaltlich gibt es am Entwurf zum Nationalen Entsorgungsprogramm vielfältige und massive Kritik. Insgesamt haben Umweltverbände und Anti-Atom-Gruppen, vor allem rund um den Schacht Konrad, fast 70.000 Einwendungen per Sammelliste dem BMU übergeben. Außerdem sind detaillierte Stellungnahmen z. B. von der Stadt Salzgitter („Endlagerkonzept nicht tragfähig“), dem BUND und der AG Schacht Konrad (siehe hier auf www.atommuellreport.de) vorgelegt worden.

  • Die Stadt Salzgitter hat Einspruch gegen die Planungen im NaPro eingelegt. Im Auftrag der Stadt begründet der Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit gegenüber dem BMUB diesen Schritt rechtlich und die Intac Hannover nimmt fachlich Stellung. Beide Stellungnahmen sind auf Homepage der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad online.

Im Rahmen der Verbände-Anhörung zur anstehenden ATG-Novelle hat u.a. auch der BUND Stellung genommen. Dort ist zu lesen:

“Der aktuelle bereits vorliegende Entwurf des ersten NaPro zeigt aber zwei deutliche strukturelle Schwächen, die durch eine Regelung im AtG für die Zukunft vermieden werden müssen. Zum einen sollte der NaPro genutzt werden, um einen möglichst umfassenden Alternativen- und Konzeptvergleich vornehmen zu können. Dies ist im aktuell vorliegenden NaPro nur in ersten Ansätzen enthalten. Dabei bietet das Programm gerade auch in Kombination mit dem im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung zu erstellenden Umweltbericht die Möglichkeit, unterschiedliche Konzepte und alternative Pfade beim Umgang mit dem Atommüll zu vergleichen und auch auf die unterschiedlichen potentiellen Risiken und Umweltauswirkungen untersuchen zu lassen. Deshalb schlägt der BUND vor, als eine Anforderung in den § 2 c AtG festzuschreiben, dass das Nationale Entsorgungsprogramm genutzt werden soll, um unterschiedliche Konzepte und Alternativen beim Umgang mit dem Atommüll zu vergleichen.”

Und: “Außerdem fehlt in dem Entwurf für die AtG-Novelle die Pflicht, auch die Probleme, Herausforderungen und ungelösten Fragen des gesamten Atommülls in die Bestandsaufnahme des Nationalen Entsorgungsprogramms aufzunehmen. Dies ist im schon vorliegenden NaPro-Entwurf eine große Leerstelle. In dem Entsorgungsprogramm müssen unbedingt die aktuell vorhandenen Probleme auftauchen und zusätzlich müssen gerade auch bei den Lösungsvorschlägen für die Zukunft die unterschiedlichen Risiken der verschiedenen Optionen klar benannt werden. Nur dann ist eine sinnvolle Diskussion des NaPro mit der Öffentlichkeit möglich. Auch für den zu erstellenden Umweltbericht wäre es eine deutliche Aufwertung, wenn hier die Auswirkungen auch der unterschiedlichen Risiken der Pläne der Bundesregierung untersucht werden müssen.
Deshalb schlägt der BUND vor, ausdrücklich vorzuschreiben, dass Probleme, Herausforderungen, ungelöste Fragen und Risiken beim jetzigen und zukünftig geplanten Umgang mit dem Atommüll Teil des NaPro sein müssen.
Bei der Bestandaufnahme nach § 2c Abs.2 3. muss als eine zentrale Information auch die
Aktivität des vorhandenen und zu erwartenden Atommülls erfasst werden.”

Im weiteren fordert der BUND seiner seine Stellungnahme, ein Exportverbot für Atommüll aufzunehmen (damit ist vor allem der geplante Export von hochradioaktivem Atommüll aus Jülich in die USA gemeint) und eine Erweiterung der Auskunftspflicht der Betreiber gegenüber Behörden vorzunehmen. In weiteren Überschriften nimmt der BUND außerdem Stellung zu den Punkten: Priorität für die Sicherheit, Erzeugung von Atommüll beenden, Freimessen ausschließen, Kostengrundsatz präzisieren. Anforderungen an Entscheidungsprozeß verbessern.

Zur Bestandsaufnahme nach § 9 i AtG heißt es beim BUND: “Hier sieht der BUND ähnlichen Nachbesserungsbedarf wie bei dem nationalen Entsorgungsprogramm: Neben den angefallenen und zu erwartenden Mengen an Atommüll müssen auch die Aktivität und die Probleme, Herausforderungen und ungelösten Fragen ein wichtiger Bestandteil der Bestandsaufnahme sein. Die Auskunftspflicht muss sich auch darauf erstrecken.

Der erste vorliegende Entwurf der Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass es für viele interessierte schwierig war, die Angaben mit den bisher bekannten Angaben zu vergleichen. Um diese Vergleichbarkeit zu erleichtern schlägt der BUND vor, dass die Angaben zu Bestand und Prognose des Atommülls immer auch in den Einheiten, die der Genehmigung der jeweiligen Anlage entsprechen, erfolgen müssen.”

Schließlich moniert der Umweltverband, dass über die “Finanzmittel” (Art. 9) und zur Transparenz (Art 10) der EU-Richtlinie eine Umsetzung mit dem vorliegenden Entwurf zur AtG-Novelle nicht erfolgt.

 

Dse4Zdebel

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