Strahlendes Erbe: Rückbau des AKW Fessenheim – Risiken der Niedrigstrahlung ausgeblendet

Strahlendes Erbe: Rückbau des AKW Fessenheim – Risiken der Niedrigstrahlung ausgeblendet

Gemeinsam mit dem BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein hat die internationale Ärzt*innen-Organisation IPPNW eine Einwendung im laufenden Beteiligungsverfahren für den Antrag des französischen Stromkonzerns und Betreibers des abgeschalteten AKW Fessenheim, EdF, erhoben. Kritisiert wird, dass bei der Stilllegung und dem anstehenden Rückbau Strahlenrisiken unzureichend berücksichtigt oder ausgeblendet werden. BUND und IPPNW fordern daher Nachbesserungen, um auch solche Gesundheitsrisiken zu minimieren, die in Folge niedriger Strahlenfreisetzungen eintreten können. Das Bundesland Baden-Württemberg hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben (siehe unten).

Dokumentation von der Seite der IPPNW, 14. Mai 2024, der BUND Regionalverband ist hier online.

Ärzt*innen und Naturschützer*innen kritisieren Antrag zur Stilllegung des AKW-Fessenheim

Französischer Staatskonzern EDF unterschlägt große Gruppe radioaktiv verursachter Krankheiten

Die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren zu Stilllegung und Abbau des französischen Kernkraftwerks Fessenheim konnten Bürger*innen vom 25.03. bis 30.04.2024 im Rahmen der grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung einsehen und kommentieren.

Auch im Rückbau selbst finden radioaktive Emissionen statt. Die Rückbauarbeiten verursachen nach den Plänen der EDF sowohl radioaktive Abluft wie auch radioaktive Abwässer. Die EDF sieht dadurch jedoch „keine nennenswerten Auswirkungen“ auf die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung. Die Ärzt*innenorganisation IPPNW und die Naturschutz-Organisation BUND (Regionalverband Südlicher Oberrhein) widersprechen dieser Sichtweise und weisen auf den aktuellen Kenntnisstand in der Wissenschaft hin (IPPNW, 2013).

Teil der Rückbaustrategie ist zudem ein geplantes aber noch nicht genehmigtes Verwertungszentrum für schwach radioaktive Metalle. In diesem „Technocentre“ sollen über Jahrzehnte die Metalle eingeschmolzen und wie konventioneller Stahlschrott in Verkehr gebracht werden.

IPPNW und BUND wandten sich in einer Stellungnahme an die Kommission zur Durchführung der öffentlichen Beteiligung für den Abbau des Kernkraftwerks Fessenheim und wiesen explizit auf aktuelle Studien zu den Gefahren der radioaktiven Niedrigstrahlung hin. Dabei spielen insbesondere sog. stochastische Strahlenwirkungen (bösartige Tumore, Blutkrebse, angeborene Fehlbildungen) eine Rolle. Bei diesen steigt mit der Strahlendosis die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krankheit, nicht aber deren Schwere.

Diese häufigen gesundheitlichen Strahlenfolgen wurden in der Folgenabschätzung der Stilllegungsunterlagen überhaupt nicht berücksichtigt. Stattdessen wurden lediglich Manifestationen der sog. Strahlenkrankheit berücksichtigt (sog. deterministische Strahlenwirkungen). Die vom Betreiber EDF vorgelegten Analysen (S. 86-96) gelten jedoch nur für die verschiedenen Manifestationen einer akuten Strahlenkrankheit nach Erhalt hoher Strahlendosen, nicht jedoch für die lehrbuchmäßig bekannten verschiedenartigen Folgen der Niedrigstrahlung, die in zahlreichen Studien und Metaanalysen erfasst sind (Schweizerische Ärztezeitung, 2022), (BUND, 2024), (IPPNW, 2013).

Ergänzende Informationen:
Das Kernkraftwerk Fessenheim wurde 2020 endgültig abgeschaltet, die EDF bereitet seither den Rückbau vor. Für den Rückbau selbst ist ein Stilllegungsdekret der französischen Regierung erforderlich, mit dessen Erteilung 2025 gerechnet wird.

Pressekontakt:
IPPNW Presse / Frederic Jage-Bowler / 030 69807415 / jagebowler[at]ippnw.de

Dokumentation PM Landesregierugn Baden Württemberg, 26. April 2024.

Land gibt Stellungnahme zu Kernkraftwerk Fessenheim ab

Im Rahmen des geplanten Rückbaus des französischen Kernkraftwerks Fessenheim besteht die Möglichkeit, Einwendungen einzubringen. Das Umweltministerium nimmt im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ausführlich Stellung.

Im Rahmen des geplanten Rückbaus des französischen Kernkraftwerks Fessenheim besteht seit dem 25. März 2024 die Möglichkeit, Einwendungen einzubringen. Das Umweltministerium nimmt im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ausführlich Stellung. Anlässlich der Abgabe der Stellungnahme des Landes teilt Umweltministerin Thekla Walker mit: „Wir begrüßen den vorgesehenen zügigen Rückbau des Kernkraftwerks. Es wäre falsch, eine solche Aufgabe hinauszuzögern und auf zukünftige Generationen zu verlagern.“

Aufgrund der Lage des Kernkraftwerks direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg sind grenzüberschreitende Auswirkungen des Rückbaus nicht auszuschließen. Daher läuft aktuell ein grenzüberschreitendes Beteiligungsverfahren. Bürgerinnen und Bürger können noch bis 30. April 2024 ihre Stellungnahmen oder Einwendungen in deutscher Sprache direkt bei den für das Verfahren zuständigen französischen Behörden vorbringen.

„Wenn der Rückbau so durchgeführt wird, wie er in den Unterlagen beschrieben ist, sind keine relevanten negativen Konsequenzen auf deutschem Staatsgebiet zu erwarten. Die Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen müssen wirken. Eine stringente und engmaschige Überwachung ist auch in Zukunft erforderlich“, fasst Umweltministerin Walker die Ergebnisse der Prüfung zusammen. Das Umweltministerium hat zusammen mit dem Regierungspräsidium Freiburg die veröffentlichten Unterlagen mit Hinblick auf mögliche grenzüberschreitende Auswirkungen geprüft und bewertet. Die Stellungnahme des Landes umfasst verschiedene Hinweise zur Intensivierung der vorgesehenen Überwachung.

Zwar seien Störfälle oder Vorkommnisse mit Folgen für Baden-Württemberg nicht zu erwarten, sie könnten aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden, so die Ministerin weiter. „Falls Freisetzungen oder erhöhte Abgaben festgestellt werden, müssen die in Baden-Württemberg zuständigen Behörden informiert und bei der Festlegung von Abhilfen einbezogen werden. Darauf haben wir deutlich hingewiesen“.

Bereits im Vorfeld wurde die deutsche Seite in bestehenden Gremien wie der lokalen Überwachungskommission Fessenheim (CLIS) und der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen (DFK) über die Arbeiten im Kernkraftwerk Fessenheim und die Planungen zu dessen Rückbau informiert. Die Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit beim Regierungspräsidium Freiburg pflegt einen engen Kontakt zur elsässischen Präfektur Haut-Rhin.

„Die französischen Behörden haben die deutsche Seite sehr gut in das Genehmigungsverfahren zum Rückbau des Kernkraftwerks Fessenheim eingebunden“, hebt Regierungspräsident Carsten Gabbert hervor und versichert, dass der bestehende Informationsaustausch zwischen französischen und deutschen Behörden aufrechterhalten werde. „Gemeinsam werden das Umweltministerium und das Regierungspräsidium sich auch während des Rückbaus für den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt einsetzen.“

Stellungnahme des Landes

Umweltministerin Walker hat die Stellungnahme des Landes Baden-Württemberg am 26. April 2024 an die zuständige französische Anhörungskommission übermittelt. Sie wird wie alle anderen eingereichten Eingaben oder Stellungnahmen auf der französischen Internetseite zur Öffentlichkeitsbeteiligung (Registre Numérique Enquête publique sur la demande d’autorisation de démantèlement de la centrale de Fessenheim) abrufbar sein. Die Stellungnahme (PDF) ist zudem auf der Internetseite des Umweltministeriums veröffentlicht.

Unterlagen in Papierform und online verfügbar

Die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren zur Stilllegung und zum Abbau Kernkraftwerks sind öffentlich zugänglich. Sie können in Papierform im Regierungspräsidium Freiburg sowie in den Gemeinden Hartheim und Neuenburg eingesehen werden. Des Weiteren sind sie online über die Bekanntmachungen auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg abrufbar und im Portal Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) der Länder verfügbar. Auf diesen Seiten finden sich auch weitere Informationen zum Thema.

Bürgerinnen und Bürger können noch bis zum 30. April 2024 Kommentare oder Einwendungen in diesem Portal oder auf anderem Wege abgegeben.

Dirk Seifert

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