Kein Klima mit Braunkohle – Arbeitsplätze für Klimaschutz

Anti-kohle-kette-2Die Gewerkschaften machen mobil für den Erhalt der Arbeitsplätze in den (Braun)Kohlegebieten von Vattenfall, RWE und den anderen Stromkonzernen. Am kommenden Samstag – wenn im Rheinland die Anti-Kohle-Kette stattfindet – wollen sie in Berlin demonstrieren. Anlass für diese Aktionen von Verdi und IGBCE sind Pläne von Wirtschaftsminister Gabriel, eine Kimaabgabe einzuführen, die bei älteren Kohlekraftwerken zu einer stärkeren wirtschaftlichen Belastung und ihrer Stilllegung führen würde. Damit will Gabriel erreichen, dass die Klimaschutzziele der Bundesrepublik eingehalten werden können. Außerdem dürfte nebenbei ein Beitrag dazu geleistet werden, die hohen Stromkapazitäten abzubauen.

In der Welt ist zu lesen: „Am Ende steht der soziale Blackout ganzer Regionen“, heißt es bei der Gewerkschaft IG BCE: „Wer kurzfristig aus der Kohle aussteigen will, riskiert eine sichere und bezahlbare Energieversorgung.“ Mit einer Großdemonstration will die Gewerkschaft deshalb am 25. April vor dem Bundeskanzleramt gegen Baakes Kohlepläne mobilmachen. Erwartet werden mehr als 10.000 Teilnehmer: „Es reicht, wir wehren uns!“, heißt es in dem Aufruf.“

Ja, gut gebrüllt. Nur, wer will eigentlich kurzfristig aus der Kohle aussteigen? Die Bundesregierung und Gabriel jedenfalls nicht. Aber richtig ist: CO2-Emissionen sollen mit einer Klimaabgabe belastet werden. Das würde vor allem ältere Kohle-Kraftwerke mit höheren Emissionen aus dem von großen Überkapazitäten geprägten Strom-Markt drängen.

Die Klimaretter loben die Pläne von Gabriel in einem Beitrag von Benjamin von Brackel in hohen Tönen: „Eines muss man Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) lassen: Raffinierter hätte er den Einstieg in den Kohleausstieg kaum in die Wege leiten können. Zwar laufen in diesen Tagen Gewerkschaften, Unternehmen und Politiker von Union und SPD inklusive der Landeschefs von Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen Sturm gegen seinen Vorschlag eines „Klimabeitrags“, den die Energieunternehmen für ihre ältesten und ineffizientesten Kohlekraftwerke entrichten sollen, damit Deutschland noch seine Klimaziele für 2020 erfüllt. Allerdings fällt es Gabriels Gegnern sichtlich schwer, stichhaltige Argumente gegen den Plan zu finden. Sie beißen sich die Zähne aus.“ Andere wie Franz Alt sprechen auf der Sonnenseite vom Endspiel um die Kohle.

Die Gewerkschaften IG BCE und Verdi jedenfalls geben Alarm für die Arbeitsplätze. Vor allem in der Lausitz (Vattenfall) und in NRW (RWE) werden massive Auswirkungen befürchtet, denn die dortigen Braunkohetagebaue sind direkt mit dem Betrieb der  Kraftwerke verknüpft. Die Stuttgarter Nachrichten: „Von den 38 Kraftwerksblöcken, die derzeit Braunkohle verstromen, würden die allermeisten unprofitabel, wenn Gabriels Plan eines Klimaschutzbeitrages umgesetzt wird. Dies geht aus Berechnungen hervor, die die IGBCE anhand von Daten der Industrie angestellt hat und Gabriel gestern zukommen ließ.“ Selbst Verdi geht nun in die Vollen: „Nach ostdeutschen Länderchefs hat sich jetzt auch ver.di-Chef Frank Bsirske entschieden dagegen ausgesprochen. Die Abgabe bedrohe bis zu 100.000 Arbeitsplätze, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Pläne könnten zu einem „tiefgehenden Strukturbruch“ in den Braunkohlerevieren führen“, berichtet die Tagesschau. Demnach sollen 30.000 Arbeitsplätze direkt und 70.000 indirekt von den Plänen Gabriels betroffen sein.

Abgesehen davon, dass diese Zahlen weit übertrieben sein dürften. Dass Gewerkschaften wie Verdi und IG BCE nun langsam mitbekommen, dass es einen massiven Strukturwandel in der Energiewirtschaft gibt, der auch vor der Braunkohle nicht halt macht, ist wieder einmal ein Hinweis, der vor allem eines zeigt: Die Hilflosigkeit und Konzeptlosigkeit von IG BCE und Verdi in dieser Frage. Die jetzt von Gabriel vorgeschlagene Abgabe ist bei weitem kein Strukturbruch, sondern bestenfalls eine gewisse Beschleunigung, eher aber eine Lenkungsmaßnahme. Der eigentliche Strukturwandel ist längst im Gange und hat mit dieser Maßnahme nichts zu tun.

Keine Frage: Soziale Sicherheit für die Beschäftigten gehört ganz weit nach oben auf der Skala der zu schützenden Interessen in der Energiewende. Aber das darf nicht gegen die Klimakatastrophe gestellt werden. Übersehen werden darf nicht: Seit vielen Jahren sind die Kohle- und Stromkonzerne dabei, ihre schweren Investitions- und Strategiefehler unter anderem mit massivem Stellenabbau ein wenig zu korrigieren. So um die 20.000 Arbeitsplätze dürften durch diese Sanierungspolitik der Chefetagen in den Konzernen in den letzten Jahren abgeschafft worden sein. Das läuft weitgehend „sozialverträglich“ ab. Laute öffentliche Proteste sind von den Gewerkschaften dazu kaum zu vernehmen.

Die Energiewende ist über ein Jahrzehnt alt und spätestens in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre wurde Schritt für Schritt erkennbar, dass die „Großen Vier“ zunehmend Probleme bekamen. Finanz- und Wirtschaftskrise einerseits – ein erheblich schneller wachsender Markt erneuerbarer Energie mit neuen Akteuren andererseits. Das Scheitern der Laufzeitverlängerung nach Fukushima war vor allem das Scheitern der Sanierungsstrategie der Konzerne. Die Milliarden-Beträge aus der Atomenergie sollten den längst überfälligen Umbau finanzieren. Daraus wurde nichts.

Die Stromerzeugungskapazitäten sind viel zu groß und die Konzerne ruinieren sich selbst die Preise. Die Blockade gegen die Erneuerbaren ist auf der ganzen Linien gescheitert. Nach und nach gehen derzeit neue Kohlekraftwerke ans Netz und erhöhen die Kapazitäten noch einmal. Da hilft auch nicht, wenn Atomkraftwerke viel zu langsam abgeschaltet werden.

Es gibt sicher viele Wege, die CO2-Emissionen zu senken. Allerdings gibt es keinen Weg daran vorbei, den extrem umweltschädlichen Braunkohletagebau und die besonders klimaschädliche Braunkohleverstromung Schritt für Schritt zurückzufahren. Die Konzerne selbst haben noch vor Jahren immer wieder beteuert, dass ihre vermeintlich hypermodernen neuen Kohlekraftwerke dafür sorgen, dass ältere und klimaschädlichere Kohlekraftwerke aus dem Markt gedrängt würden. Auch aus gewerkschaftlichen Reihen sind damals entsprechende Argumente bekommen. Die Strompreise sind im Keller und werden es langfristig wohl auch bleiben. Und an einem kleinen Punkt wird die Stellschraube jetzt mit der Klimaabgabe ein wenig gedreht.

Längst hätten die Gewerkschaften sehen können, wie massiv der Strukturwandel sein wird. Seit vielen Jahren fordern Umweltverbände die Politik und die Betroffenen auf, diesen Strukturwandel zu planen, den Umbau zu organisieren. Unter anderem, damit die sozialen Folgen besser gemeistert werden können. Doch statt diese Debatte zu führen und konkrete Maßnahmen zu betreiben, wurden Umwelt- und Klimaschützer lieber beschimpft und verunglimpft. In der Lausitz ebenso wie im Rheinland.

Siehe auch Labournet.

Dirk Seifert

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