Atommülllager Gorleben: Gleichbehandlung nicht in Sicht

Irgendwo muss das Zeugs ja hin. Wie weiter mit dem Atommüll? Foto: Dirk Seifert
Irgendwo muss das Zeugs ja hin. Gorleben bleibt bevorzugt. Foto: Dirk Seifert

Eigentlich ist das mit dem Atommüll und Gorleben ja ganz einfach: Der Standort ist geologisch nicht geeignet und vor allem politisch verbrannt. Für die Suche nach einem dauerhaft sicheren Lager für Atommüll aller Art kommt der Salzstock nicht mehr in Frage und kann von der Liste gestrichen werden. Leider gibt es da noch ein paar Probleme. Eines nennt sich Bundesregierung, das andere Atomwirtschaft. „In Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben des Standortauswahlgesetzes kann ich für den Standort Gorleben zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht von einer Verlängerung der Veränderungssperren-Verordnung absehen; insoweit bitte ich um Verständnis.“ Das teilt die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in einem Schreiben (PDF) an die Vorsitzenden der Atommüll-Kommission mit. Niedersachsens Umweltminister Wenzel hält eine solche Verordnung für nicht erforderlich. Die AG2 der Atommüll-Kommission zur Evaluierung des Standortauswahlgesetzes tagt am Mittwoch (11.2.) in Berlin.

  • Die Reaktion der BI Umweltschutz Lüchow Dannenberg ist hier nachzulesen.
  • Der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel, Mitglied der Kommission und Sprecher für Atomausstieg der Fraktion Die Linke erklärte die Veränderungssperre für überflüssig, weil Gorleben als Standort nicht in Frage komme (Hier bei Greenpeace-Magazin)

Im Ergebnis soll das bedeuten: Die umstrittene Veränderungssperre für den Salzstock in Gorleben zur Lagerung hochradioaktiver Abfälle soll verlängert werden. Am 16. August 2015 läuft die derzeit bestehende Regelung aus. Ein erster Referentenentwurf für eine neue Verordnung ist eben veröffentlicht und in die Verbände-Beratung gebracht worden.

  • UPDATE: Inzwischen hat nach der Bundesumweltministerin Hendricks auch die Fachabteilung des BMUB zur Sache Veränderungessperre Stellung bezogen. Das Papier traf kurzfristig vor der Sitzung der AG2 Evaluation am Mittwoch (11.2.2015) ein. Darin werden massive Zweifel gegen den vom niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel vorgeschlagenen Weg angemeldet (Der Vorschlag von Wenzel ist unten ausführlich dargestellt). Das Papier des BMUB zur Veränderungssperre und möglichen Alternativen steht hier als PDF zum download.

Das Bundesumweltministerium will diese Veränderungssperre nun mit einer neuen Verordnung um weitere zehn Jahre (Referenten-Entwurf, PDF) verlängern. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Die letztmögliche Plenarsitzung des Bundesrates vor Auslaufen der Regelung findet am 10.07.2015 statt.

Nicht nur die Bundesregierung hält an Gorleben fest, auch die Atomkonzerne, wie E.on:

Veränderungssperre für Gorleben? Mit dieser Maßnahme stellt die Bundesregierung sicher, dass es rund um den Salzstock von Gorleben zu keinen Aktivitäten kommt, die den Zustand des Salzstocks derart beeinflussen, dass er für die Absicht, dort hochradioaktiven Atommüll einzulagern, nicht mehr in Frage kommt. Diese Veränderungssperre gibt es nur für den Standort Gorleben.

Die Bundesregierung erklärt immer wieder, dass sie bei der Suche nach einem Atommüll-Lager-Standort von einer „weißen Landkarte“ ausgehen und in einem „ergebnisoffenen Verfahren“ einen Vergleich unterschiedlicher Standorte durchführen will, in dem es angeblich keine Vorfestlegungen auf Gorleben gäbe. Nicht nur mehr als 1,5 Mrd. Euro, die in die bisherigen Erkundungsarbeiten in Gorleben geflossen sind, lassen AtomkraftgegnerInnen an dieser Aussage zweifeln. Vor allem diese Veränderungssperre ist es, die Gorleben von allen anderen potentiellen Standorten unterscheidet.

Lässt man mal einen Moment außen vor, dass Gorleben als Standort geologisch nicht geeignet und politisch verbrannt ist, ergibt sich ein methodisches/juristisches Problem für die Standortsuche: Jeder Ort, der derzeit als mögliches Atommülllager in Frage kommen könnte, könnte mit geeigneten Maßnahmen den Standort „kaputt“ machen. Bleibt also die Sperre für Gorleben. Ohne dass eine solche Maßnahme auch für die anderen möglichen Standorte ergriffen wird, wäre Gorleben also in einer einzigartigen Situation und könnte allein aus diesem Grund am Ende zum vermeintlichen Endlager werden. Wer Gorleben also im Rennen halten will, aber tatsächlich eine Gleichbehandlung erreichen will, muss eine Lösung finden, die für alle potentiellen Standorte gelten muss.

Neben den juristischen Problemen gibt es eine erhebliche politische Folge: Schon jetzt müssten diese Orte „identifiziert“ werden und damit offiziell und rechtlich zu potentiellen Atommüll-Lager-Standorten erklärt werden. Man kann sich denken, welche Folgen das haben dürfte! Allerdings wäre diese Konsequenz die ehrlichere Variante und die einzige, um – bliebe Gorleben im Spiel – gleichwertige Bedingungen zu schaffen.

Gorleben streichen will die Bundesumweltministerin nicht, sie betont aber, dass sie das Ziel unterstütze, eine „Gleichbehandlung des Standortes mit anderen möglichen Standorten“ zu erreichen.

Die BI Lüchow Dannenberg hat da eine gute Idee: „Um aus dieser vermeintlichen Sackgasse heraus zu kommen, so die Forderung der Umweltinitiative, sollte der Passus aus dem Standortauswahlgesetz herausgenommen werden, der die Sonderstellung Gorlebens zementiert.“

Im Rahmen der Atommüll-Kommission hat der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel eine Tischvorlage (PDF) eingebracht, die zu dem Ergebnis kommt, dass es eine Veränderungssperre für Gorleben auch nicht braucht.

Wenzel stellt fest: „Da andere potentielle Standorte keiner vergleichbaren Regelung unterliegen, führt eine Verlängerung der Gorleben VSpV (Veränderungssperre) von Beginn an zu einer Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen möglichen Standorten. Nicht nur in der betroffenen Region besteht daher die Sorge, die Endlagersuche könnte daher am Ende allein aus tatsächlichen Gründen wieder auf Gorleben zulaufen.“

Er fordert daher: „Die Bundesregierung hat daher mit geeigneten Instrumenten sicherzustellen, dass diese Prämisse bis zu einer Entscheidung nach § 13 ff StandAG nicht nur an einem einzigen Ort, sondern bundesweit auch tatsächlich gewährleistet bleibt“ und ergänzt: „Dieser Auftrag ist nach Geist und Buchstaben des StandAG implizit auch Aufgabe des Bundes und der Länder.“

Wenzel schlägt in seinem Papier folgenden Weg vor: „Eine Ungleichbehandlung von Gorleben ist im Übrigen auch nicht erforderlich, weil im Gesetz bereits eine Regelung zur Offenhaltung nach § 29 Abs. 2 StandAG erfolgt ist. In Verbindung mit § 48 Abs. 2 BBergG können Anträge auf Zulassung von Betriebsplänen abgelehnt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die Sicherung eines bundesweiten tatsächlich ergebnisoffenen Auswahlverfahrens nach dem StandAG dürfte ein solches überwiegendes öffentliches Interesse darstellen. Zur Absicherung dieser Auslegung sollte der Bundestag als Gesetzgeber des BBergG eine solche Auslegung originär in einem Beschluss feststellen. Die entsprechende Auslegung und Anwendung von § 48 Abs. 2 BBergG wäre sodann bundesweit und einheitlich für alle Bergämter verbindlich. Einer erneuten Veränderungssperre bedarf es nicht.

In diesem Zusammenhang sei zudem darauf hingewiesen, dass die geltende Veränderungssperre der „Sicherung der Standorterkundung“ gilt. Zulässig ist indes nach § 29 Abs. 2 StandAG nur noch eine Offenhaltung. Eine Veränderungssperren-Verordnung, die die Sicherung einer Erkundung zum Ziel hat, ist mit § 29 StandAG nicht vereinbar. Das gilt erst recht für eine Verordnung, die nach Inkrafttreten des StandAG beschlossen würde.

Das StandAG steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit des gesamten Prozesses. Eine isolierte Veränderungssperre und ein gleichzeitiger Verzicht auf die Sicherung anderer möglicher Standorte belasten diesen Prozess schwer.“

Dirk Seifert

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