Atommüllkosten und Konzerne: Regierung uneins über Haftungsgesetz
Die Regierungsfraktionen der SPD und CDU/CSU sind sich in der Frage der Eilbedürftigkeit und der Notwendigkeit eines Gesetzes zur Nachhaftungssicherung für die Atomkonzerne offenbar nicht einig. Während die Bundesregierung dieses Gesetz als eilbedürftig erklärt und es möglichst zum 1. Januar vom Bundestag in Kraft gesetzt sehen will, hat die CDU/CSU-Fraktion sich heute bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss auf die Bremse gestellt.
- Auf seiner Seite berichtet der Bundestag über die Anhörung im Wirtschaftsausschuss hier: Experten beurteilen die Atomhaftung konträr. Dort ist die Anhörung auch als Video-Stream zu sehen.
Die CDU/CSU- Fraktion hatte als Sachverständige u.a. die Anwälte der Atomkonzerne (Freshfield) geladen, die lang und breit von der Verfassungswidrigkeit der Vorlage sprachen. CDU-Abgeordnete machten während der Anhörung deutlich, dass sie das Gesetz ablehnten bzw, es nicht für erforderlich ansehen, das Gesetz im 1. Januar in Kraft treten zu lassen. Demgegenüber machte die Opposition aus LINKE und Grüne sowie die Regierungsfraktion der SPD klar, dass das Gesetz als Konkretisierung des Verursacherprinzips anzusehen sei, mit dem Grundgesetz in Einklang stehe und unbedingt wie von der Regierung angekündig im Eilverfahren beschlossen werden muss.
Hubertus Zdebel: „Den Konzernen muss der Weg abgeschnitten werden, sich aus der Verantworung bei der Finanzierung des atomaren Erbes zu verabschieden. Die Anhörung zeigt, dass es in der Regierung heftig kriselt und dass die CDU/CSU-Fraktion wiedereinmal an der Seite der Atomkonzerne steht. Das könnte für die SteuerzahlerInnen richtig teuer werden, wenn es nicht gelingt, E.on und die anderen Atomkonzerne rechtlich an die Leine zu legen.“ Das Gesetz, so Zdebel, müsse zum 1. Januar in Kraft sein, dafür setze er sich mit seiner Fraktion DIE LINKE ein.
Von den Sachverständigen erklärten Dr. Olaf Däuper (Becker Büttner Held), Prof. Dr. Wolfgang Irrek (Hochschule Ruhr West), Dr. Cornelia Ziehm (Rechtsanwältin) und der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Georg Hermes (Goethe-Universität Frankfurt am Main), dass sie keine Verfassungsprobleme sehen und widersprachen der Darlegung der von der CDU/CSU benannten Anwälte Dr. Herbert Posser (Freshfields Bruckhaus Deringer) und Dr. Marc Ruttloff (Gleiss Lutz). Diese Vertreter, die wie Freshfields direkt auch für E.on und RWE in dieser Angelegenheit tätig sind, halten den Gesetzentwurf für verfassungswidrig und sahen vor allem auch eine Mitverantwortung des Staates bei der Frage der Kosten.
Damit die Atomkonzerne gehindert werden können, sich durch Abspaltungen oder Bad-Bank-Ausgliederungen vor der Finanzierung der Atommüllkosten zu drücken, hat die Bundesregierung unter Führung des Wirtschaftsministeriums (SPD) einen Gesetzentwurf zur Haftungssicheurng vorgelegt.Damit reagierte die Bundesregierung auf Ankündigungen von E.on, zum 1.1. 2016 den Atom- und Kohlebereich abzuspalten und so quasi eine Bad-Bank zu gründen. Der Mutterkonzern E.on wäre dann nach fünf Jahren aus der Verantwortung, für die wachsenden Atommüll-Kosten zu haften. Nicht E.on, sondern die SteuerzahlerInnen hätten dann die Zeche zu zahlen.
Nach der Ankündigung von Wirtschaftsminister Gabriel, derartige Absichten mit einem Gesetz zu unterbinden, verzichtete E.on zwar auf die Abtrennung des Atombereichs, will aber das Kohlegeschäft weiterhin zum 1. Januar auslagern und damit den Wert des Konzerns, der in Haftung genommen werden könnte, deutlich mindern.
Schon die Einbringung des Haftungssicherungsgesetzes in den Bundestag hatte sich immer wieder verzögert. Dann aber erklärte die Bundesregierung die Eilbedürftigkeit des Gesetzes, um den Umstrukturierungen bei E.on zuvor zu kommen. Nachdem das Gesetz vorletzte Woche dann dem Bundestag vorlag, hatten vor allem die Wirtschaftskreise aus der CDU/CSU versucht, die erforderliche Anhörung im Ausschuss auf Januar zu verschieben. Dagegen protestierten nicht nur Linke und Grüne in der Opposition, sondern auch die SPD. Ramsauer als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses reagierte mit einer Sondersitzung, auf der dann die heutige Anhörung beschlossen wurde. Der Fahrplan, das Gesetz noch im Dezember zu verabschieden und zum 1.1.2016 ist damit grundsätzlich einhaltbar.
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Als Sachverständige wurden heute gehört:
- Dr. Gert Brandner, HAVER & MAILÄNDER Rechtsanwälte
- Dr. Herbert Posser, Freshfields Bruckhaus Deringer
- Dr. Marc Ruttloff, Gleiss Lutz
- Dr. Olaf Däuper, Becker Büttner Held
- Prof. Dr. Wolfgang Irrek, Hochschule Ruhr West
- Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin
- Prof. Dr. Georg Hermes, Goethe-Universität Frankfurt am Main