Die Schmetterlinge: Herbstreise – Lieder zur Lage – Die Songtexte – Seite 2

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Die Schmetterlinge veröffentlichten 1979 das Album „Herbstreise – Lieder zur Lage“. UmweltFAIRaendern bringt dieses Album mit Erlaubnis der Band ins Internet, alle Songs als Video und alle Texte. Hier folgt nun die zweite Seite.

Halbzeit bei der (Wieder-)Veröffentlichung des Album „Herbstreise – Lieder zur Lage“ von den Schmetterlingen aus dem Jahr 1979. In wenigen Tagen wird das gesamte Album – das nie als CD erschienen ist – damit erstmals vollständig im Internet verfügbar sein. Die Songs und Texte der Seite 1 sind bereits online. Nun geht es an die Seite 2 des Albums.

Die Schmetterlinge: Herbstreise – Lieder zur Lage – Die Songtexte – Seite 1

Hände über Hönnepel

Hinunter ins Flache rudert der Rhein,
nicht rot vor Scham, nicht blaßblau vor Vergnügen.
Nur harte Arbeit läßt die Saat gedeihn,
wo klein und fleißig die Gehöfte liegen.
Schäfchenwolken weiden weiß auf Nebel von der Ruhr,
und sonntags tönt ein Knabenchor subtil durch die Natur:

„Du lieber Gott, laß mich zufrieden grasen,
laß mich den stillsten deiner Hasen sein,
am Rübennachmittag im Krautgärtlein,
eh‘ deine Engel zum Halali blasen.“

Und während der Landmann schaut übers Land,
und sitzt vorm Haus, und nuckelt an der Pfeifen,
liegt überm Acker eine dunkle Hand,
ist groß und gierig, will sich alles greifen.
ja, es haben schnell erkannt die Herrn der Industrie,
daß sich noch mehr verdienen läßt mit Kernkraftenergie.
Da klopfen Agenten leis an der Tür
und sagen: „Mann! Was soll denn das Geracker?
Dein Glück, denn gute Preise zahlen wir,
gib klein bei und gib uns deinen Acker.“

Mancher ließ sich darauf ein, der hat sich wohl gedacht:
wo Geld wohnt, hier im deutschen Land, dort ballt sich auch die Macht.

Hände über Hönnepel, Hände überm Land.
Wessen Hände halten hier alles in der Hand?
Deine Hände sind es nicht; die sind von Arbeit rauh;
die halten hier die Zügel nicht, das weißt du ganz genau.
Wer greift nach dir und deinem Land, das du so hart bebaust?
Heb deine Arbeitshand und balle sie zur Faust.

Dann kommen sie auch noch um Kirchengrund.
und bieten viel, und keine Hosenknöpfe.
Hochwürden haben ein Grinsen im Mund;
doch der Kirchentat schüttelt die Köpfe,
und will den Brutreaktor nicht und warnt das Volk davor.
Sonntags, eh der Pfarrer spricht, klingt süß ein Kirchenchor:

„Du lieber Gott; laß mich zufrieden grasen,
laß mich den stillsten deiner Hasen sein, ·
am Rübennachmittag im Krautgärtlein;
eh‘ deine Engel zum Halali blaßen.“

Es wechselt der Bischof den Kirchenrat aus,
der nein gesagt, und holt sich Männer, die brav nicken.
Die entlassenen Gegner des Reaktorbaus‘ ·
unterstehn sich, einen Brief dem Papst zu schicken.
Die Post aus Rom bleibt lange aus, man fragt, wo sie denn sei,
und findet später sie verstaubt in einer Sakristei

Bei den Enttäuschten ist auch Bauer Maas,
ein guter Christ von tugendhaften Gaben,
und sieht er Unrecht, packt ihn heil’ger Haß,
auch will er kein Uran als Nachbar haben.

Drum steht er auf, der Bauer ·Maas; und donnert wie Gewitter:
„Dies soll ein Land für Menschen sein; und nicht für schnelle Brüter!“

Hände über Hönnepel, Hände überm Land.
Wessen Hände halten hier alles in der Hand?
Deine Hände sind es nicht, die sind von Arbeit rauh;
die halten hier die Zügel nicht, das weißt du ganz genau.
Wer greift nach dir und deinem Land, das du so hart bebaust?
– Heb deine Arbeitshand und balle sie zur Faust!

Der streitbare Bauer durchschaut den Tanz,
Blickt er den Bau dort neben seinem Feld an,
dann sieht er die Wahrheit: die Allianz
von Kirche, von Staat und vom Geldmann …

Jetzt kämpft er gegen das Monopol; führt Revisionsprozeß,
geht mit dem Unrecht ins Gericht- und anderswo zur Meß.

Doch ist er kein Kohlhaas; kämpft nicht allein,
an seiner Seit‘ waren letztens fünfzigtausend,
bei Kalkar am Niederrhein
erheben sich Volks-Chöre brausend:
Sie haben und noch nie gefragt; doch Antwort kriegen sie!
Wir kämpfen gegen das Kapital und für Demokratie!“

Hände über Hönnepel; Hände überm Land.
Wessen Hände halten hier denn alles in der Hand
Deine Hände sind es nicht, die sind von Arbeit rauh,
die halten hier die Zügel nicht; das weißt du ganz genau.
Wir weichen hier nicht mehr zurück; sie wissens nur zu gut:
bis unser eigenes Geschick in eignen Händen ruht.

Liebesgrüße aus Österreich

Die Österreichische SP-Regierung entschloß sich, eine Volksabstimmung über die umstrittene Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf durchzuführen, um das heiße Thema aus dem nächsten Wahlkampf herauszulösen. Trotz kapitalintensiver Werbung der Energieindustrie sagten schließlich – zur Verblüffung sämtlicher Parteien – 50,4% der Österreicher „Nein“, und machten Österreich von der letzten atomkraftfreien
Industrienation zur ersten atomkraftfreien Industrienation …

In multinationalen Kommandozentralen,
da bliesen sie schrill zur Attacke.
Sie waren so mächtig, sie waren so prächtig,
sie hatten das Land schon im Sacke.

Gewerkschaft, Parteien, Industriekumpaneien
waren vor ihren Karren gespannt.
Es gab viele Verschreckte, und Vierfarbenprospekte
überschwemmten in Massen das Land.

Doch ist es ganz anders gekommen,
wer hätte sich so was gedacht.
Wir haben die Sache in die Hand genommen,
und ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Und in den gewaltigen Blocks aus Beton,
auf den Straßen und in den Läden,
vibriert durch die Landschaft ein ganz neuer Ton,
seit die Menschen wieder miteinander reden.

Es summt auf dem Markt wie ein Bienenstock,
Diskussionen, so brodelnd und brausend.
Und gelbe Plaketten blühn auf Kragen und Rock,
und täglich sinds weitere tausend.

Und die, die das machten, die senden euch
Liebesgrüße aus Österreich.

Sie schreckten die Alten mit Nächten, mit kalten,
mit Wintern ohne Wärme und Strom.
Sie sagten den jungen mit listigen Zungen:
Euer Arbeitsplatz hängt am Atom.

Millionen waren locker für Fernsehfilm-Schocker,
sie konnten sich Sendezeit kaufen.
Sie hatten per Scheck bezahlt und stellten den Sekt schon kalt,
und dachten: das Ding ist gelaufen.

Doch ist es ganz anders gekommen,
wer hätte sich so was gedacht.
Wir haben die Sache in die Hand genommen,
und ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Atomindustrie hatte Geld in der Kasse,
die Gegner, die hatten keins.
Sie hatten nur eines: die Nacht und die Straße,
da pinselten sie sehr viele „Neins“.

Und Oma steht vorm Wahllokal
mit Flugblättern, tatsächlich.
Das ist zwar strengstens illegal,
doch sie ist ja so zerbrechlich.

Beim Stimmenzählen konnten sie sich nicht freuen;
Lang waren die Gesichter in allen Parteien.
Das Atommonopol hat ausgeträumt,
und das Atomkraftwerk wird abgeräumt.

Und die, die das machten, die senden euch
Liebesgrüße aus Österreich.

Der große Stahlarbeiterstreik 1978/79

Und als wir kamen nach Kupferstadt,
war dort alles rot von Staub,
die Häuser, die Menschen, die Hunde, das Laub,
das war alles rot von Kupferstaub,
als wir nach Kupferstadt kamen.

Und als wir fuhren am Hafen vorbei
da lagen die Schiffe so stumm.
Da stand ein Hafenarbeiter herum:
„Die streiken im Stahlwerk, drum!“
Als wir fuhren am Hafen vorbei.

Als wir kamen in die Stahlarbeiterstadt,
der Hochwald aus Schloten, der Schwefelhauch,
einige dampften, doch viele waren ohne Rauch,
da sagten wir: „Dort streiken Sie, dort, und dort auch!“
Als‘ wir kamen· in‘ die Stahlarbeiterstadt.

Sie aßen ihr Brötchen am Streikpostentor,
bei Mannesmann und auch bei Thyssen,
da wollten wir es halt wissen,
einer erzählte uns zwischen zwei Bissen,
als wir standen am Streikpostentor:

„Am Hochofen wirste mein Junge, nicht alt,
da kommste gesund nicht davon.
Da biste ein Wrack mit fünfzig schon,
da gehste als Krüppel in die Pension,
da wirste, mein Junge, nicht alt.

Die Fünfunddreißig-Stunden-Woche brauchen wir
und fünf Prozent höheren Lohn!
Die Konzerndividenden steigen wie ein Ballon.
Aber Hunderttausend streiken jetzt schon.
Die Fünfunddreißig-Stunden-Woche wollen wir!

Wieviel haben sie schon auf die Straße gesetzt
trotz steigender Produktion.
Sie rationalisieren uns weg, wir kennen das schon.
Fünfunddreißig-Stunden-Woche, höherer Lohn!
Zuviel haben sie schon auf die Straße gesetzt.“

Und als wir die Fideln auspackten am Tor,
bei Thyssen und auch bei Mannesmann,
da sahen sie uns fast schon als Freunde an.
Die wärmenden Lieder sangen wir dann,
als wir die Fideln auspackten am Tor.

Und als wir fuhren aus der Stahlstadt hinaus,
da kämpften sie über fünf Wochen noch
Sie hielten die Lösung und hielten sie hoch
Trotz Aussperrung und Haushaltsgeldloch,
als wir führen zur Stahlstadt hinaus.

Dann verloren wir uns in der Ferne,
und lasen vom Streik nur in den Blättern,
in Leitartikeln von den Spöttern,
die gegen die Streikenden wettern,
als wir uns verloren in der Ferne.

Als wir dann endlich zu Hause waren,
da hörten wir im Rundfunk beklommen:
ein fauler Kompromiß ist angenommen,
sie haben einen Bettel bekommen …
Das hörten wir, als wir zu Haus waren.

Da hockten wir alle zusammen
und sagten: „Und doch war es richtig!
Schon allein zu kämpfen war wichtig,
der Friedhofsfriede ist nichtig …

Nächstes Mal wirds besser gehn,
die Losung von Stahlstadt, sie bleibt bestehn,
der Weg war gut, viele werden Ihn gehn“.

Und einer hat noch hingeschmissen:
Das waren mir die liebsten Konzerte,
von allen, die ich spielte und hörte,
damals in Kälte und Härte,
bei Mannesmann und auch bei Thyssen“.

Das letzte Lied

Das letzte Lied, das letzte Lied
müßt ihr euch selber singen.
Denn außer euch ist niemand da,
dem sowas könnt gelingen.

Es soll keins von den Bravsten sein
und keines von den Trübsten.
Wenn ihr uns fragt, ein Kampflied, Ja,
das wäre uns am liebsten.

Und allen, die euch gängeln wollen,
auch klugen Kommissaren,
und Parasiten und Vampiren
solls in die Knochen fahren.

Es soll eins von den Starken sein
und eines von den Schönen.
Die Lautsprecher der Herrschenden,
die muß es übertönen.

Es soll eins voller Fragen sein
und eines voller Zweifel.
Und mischt sich ein Solist hinein,
so schickt ihn doch zum Teufel.

Es soll ein selbstgedachtes sein
und eines voller Klarheit,
denn Vorsänger, die gibt es nicht,
im Vollbesitz der Wahrheit.

Es soll keins von den Alten sein,
das jemand wo hervorgrabt.
Das letzte Lied macht allen klar,
daß ihr das letzte Wort habt.

Das letzte Lied, das letzte Lied
müßt ihr euch selber singen.
Denn außer euch ist niemand da,
dem so was könnt gelingen.

Die Schmetterlinge:
Beatrix Neundlinger- Flöte, Gesang
Günter Großlercher- akustische Gitarre, Aufnahmeleitung
Georg Herrnstadt- Klavier; akustische Gitarre, Gesang
Erich Meixner- Baß, Akkordeon, Gesang
Willi Resetarits – Schlagzeug, Gesang
Herbert Tarnpier- elektrische Gitarre, Gesang

Heinz R. Unger- Text-Schmetterling, dichtet seit 1974
die meisten Schmetterlingslieder. Zumeist wird in einer Ar-
beitsgruppe der Inhalt festgelegt, den er dann in mehreren
Arbeitsgängen formuliert. Wenn wir ihm dafür Zeit
lassen, schreibt er schnell ein Theaterstück oder was fürs
Fernsehen, denn von irgendwas muß er ja schließlich leben.

Im August 1979 kommt sein neuer Lyrikband „Das Lied
des Skorpions“ (Verlag Jugend und Volk, Wien-München)
heraus.

Fotos auf der lnnenhülle;
von H.W. Braun, H. Elke, Heide Heide, Bilderdienst im IÖ.

Dirk Seifert

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