Linke sagt Nein zu Atomgesetz-Änderungen: Entschädigung für Konzerne – Nachteile für Gerichte und Bürger:innen

Nachdem der Umweltausschuss des Bundestages mit der 18. Atomgesetzänderung die Entschädigung der Atomkonzerne bereits in der letzten Sitzung durchgewunken hatte, ist heute auch die 17. AtG-Novelle, in der die Stellung der Behörden durch die Einführung eines sogenannten Funktionsvorbehalts zu Lasten von Kläger:innen und der Gerichte gestärkt wird, mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen worden. Am Donnerstag soll der Bundestag die Änderungen endgültig abstimmen. Auch eine Änderung des Entsorgungsfondsgesetzes lehnten Hubertus Zdebel und die Fraktion DIE LINKE im Umweltausschuss ab.

Eigentlich wollten die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD laut Koalitionsvertrag mit der Einführung eines In-Camera-Verfahrens für den Umgang mit Geheimschutzunterlagen für Gerichte und Kläger:innen stärken. Das Gegenteil ist dabei nun herausgekommen. Die Atomkonzerne erhalten nun insgesamt noch einmal 2,5 Mrd Euro aus Steuergeldern. Vattenfall hatte mit einer fragwürdigen Investitionsschutzklage die Bundesrepublik in den USA verklagt und damit die Entschädigung hochgetrieben. Hubertus Zdebel und die Linksfraktion stimmten gegen die Atomgesetznovellen. Auch eine weitere Änderung des Entsorgungsfondsgesetzes lehnten die Linke im Ausschuss ab. Die rechtsgerichtete AfD stellte mehrere Pro-Atom-Anträge, die allesamt abgelehnt wurden.

Die große Koalition hat sich allerdings bei der Beschlussfassung schwer getan, eine Fristverschiebung für die Beschlussfassung eingezogen und nach der Anhörung nochmals mit den Sachverständigen aus der Anhörung im Umweltausschuss beraten. Hintergrund war auch, dass der Bundesrat eine Empfehlung ausgesprochen, trotz Bedenken das In-Camera-Verfahren mit dem Funktionsvorbehalt gemeinsam einzuführen. In der Anhörung im Umweltauschuss hatten fast alle Sachverständigen sich für eine Erweitertung um das In-Camera-Verfahren ausgesprochen. Lediglich der Sachverständige der Linken, Dr. Ulrich Wollenteit, hatte darauf verwiesen, dass alle Entwürfe verfassungsrechtlich proplematisch wären, daher nicht beschlussfähig wären. Doch eine Verschiebung der 17. ATG-Änderung wollte die Große Koalition unter keinen Umständen.

Im Umweltausschuss nahm Hubertus Zdebel heute für die Fraktion DIE LINKE in Sachen 17. Atomgesetzänderung Stellung und führte aus, “dass das Thema hochkomplex und nicht alltäglich sei. Es gehe um die rechtliche Überprüfung von atomrechtlichen Genehmigungen, insbesondere auch um die Frage von Antiterrormaßnahmen gegen beispielsweise Flugzeugabstürze und panzerbrechende Waffen.

Die Große Koalition habe in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, im Atomgesetz eine In-Camera-Lösung aufzunehmen. Damit habe unter Wahrung der Geheimhaltung ermöglicht werden sollen, dass in einem rechtsstaatlichen Verfahren alle Informationen in das Verfahren Eingang erhielten, um zu einem Urteil zu kommen. Dies sei verfassungsrechtlich durchaus im Grenzbereich.

Im Ergebnis habe die Bundesregierung in der nun vorgelegten 17. Novelle des Atomgesetzes komplett auf die Einführung eines selbst angestrebten In-Camera-Verfahrens verzichtet und bezeichne jetzt die bislang diskutierten Formen als verfassungswidrig.

Das Dilemma solle jetzt gelöst werden, indem die Macht der Genehmigungsbehörden im Verfahren gegenüber den Gerichten und Klägerinnen und Klägern einseitig gestärkt würde. Dazu würde der sogenannte Funktionsvorbehalt ins Atomgesetz geschrieben.

Wenn staatliche Stellen auf den Geheimschutz verwiesen und versicherten, dass bestimmte Sachverhalte geklärt und geprüft seien, solle sich das Gericht stärker als bislang auf diese Aussage verlassen; Tatsachenprüfungen sollten zugunsten des Geheimschutzes dann verstärkt unterbleiben.

Nach Ansicht der Fraktion würde dadurch die Stellung der Genehmigungsbehörden im Atomgesetz zulasten der Klägerinnen und Kläger und der Gerichte eindeutig und auch einseitig gestärkt. Dies sei für die Fraktion angesichts der ohnehin schon starken Stellung der Behörden nicht hinnehmbar.

Hierzu verwies die Fraktion auf die öffentliche Anhörung des Ausschusses vom 5. Mail 2021, in der der Sachverständige Dr. Wollenteit die einseitige Stärkung des Funktionsvorbehalts als verfassungswidrig bezeichnet habe.

Eine Vermischung eines Funktionsvorbehalts mit einem In-Camera-Verfahren, in dem aber die Klägerinnen und Kläger keine Einsicht erhielten – wie es vom Bundesrat vorgeschlagen worden sei und in dieser Debatte auch von den Fraktionen der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Alternative eingebracht worden sei, sei sicherlich von einer guten Absicht geprägt –, sei aber „bei Tageslicht“ betrachtet auch keine Lösung. Dies wäre dann in zweifacher Hinsicht verfassungswidrig.

Die Fraktion betonte, dass sie sich nach der hervorragenden Anhörung im Ausschuss zu diesem Thema am 5. Mai 2021 eine umfassende Debatte gewünscht hätte. Sie zweifelte daran, dass die jetzt von der Großen Koalition angestrebte gesetzliche Regelung lange Bestand haben werde.”

Weiteres zum Hintergrund der genannten Atomgesetz-Änderungen:

Siehe als Dokumentation einen Auszug der Berichterstattung auf der Homepage des Bundestages:

Bundestag entscheidet über Änderungen am Atomgesetz

Liveübertragung: Freitag, 11. Juni, 5.25 Uhr

Der Bundestag entscheidet am Donnerstag, 10. Juni 2021, nach halbstündiger Debatte über Änderungen am Atomgesetz. Zum Regierungsentwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (19/27659) gibt der Umweltausschuss eine Beschlussempfehlung ab. Zum Regierungsentwurf eines 18. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (19/2868219/29587) liegt ebenfalls eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses vor (19/30045). Der Haushaltsausschuss hat dazu einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vorgelegt (19/30349).

Zu dem öffentlich-rechtlichen Vertrag „über die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs“ (19/2901519/29474 Nr. 1.7) hat der Umweltausschuss ebenfalls eine Beschlussempfehlung geliefert (19/30045).

Abgestimmt wird ferner über einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion „zur Änderung des Atomgesetzes“ (19/27773). Auch dazu gibt es eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (19/30045). Abstimmen wollen die Abgeordneten darüber hinaus über den Regierungsentwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Entsorgungsfondsgesetzes“ (19/28685), zu dem der Bundesrat keine Einwendungen erhoben hat (19/29563). Hierzu wird der Ausschuss für Wirtschaft und Energie eine Beschlussempfehlung abgeben. Schließlich werden auch zwei Anträge der AfD-Fraktion Abgestimmt (19/2395519/22435), zu denen Beschlussempfehlungen des Umweltausschusses vorliegen (19/2484219/24904 Buchstabe b).

Änderungen des Atomgesetzes

Das geplante 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (19/27659) hat das Ziel, bei der Sicherung kerntechnischer Anlagen und Tätigkeiten den Tatbestand „Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD)“ zu konkretisieren. Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht der Funktionsvorbehalt der Exekutive. Der atomrechtliche Funktionsvorbehalt betrifft den Sachverhalt, dass im Atomrecht die Ausgestaltung des Schutzes gegen SEWD Aufgabe der zuständigen Fachbehörden ist und einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Durch die gesetzliche Normierung soll nun der Funktionsvorbehalt gestärkt werden, womit gleichzeitig die Verteidigung von Genehmigungsentscheidungen vor Gericht gesichert werden soll.

Mit dem 18. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (19/28682) sollen die sich aus dem 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ergebenden verfassungsrechtlichen Beeinträchtigungen für die betroffenen Energieversorgungsunternehmen behoben und – zusammen mit einem zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vertrag – alle hiermit verbundenen zwischen den Beteiligten strittigen Rechtsfragen in gegenseitigem Einvernehmen abschließend geregelt werden, heißt es. Zu diesem Zweck seien verschiedenen Energieversorgungsunternehmen in unterschiedlichem Umfang ein konkreter finanzieller Ausgleich für entwertete Investitionen in die Laufzeitverlängerung und für gemäß Anlage 3 Spalte 2 des Atomgesetzes unverwertbare Elektrizitätsmengen zu gewähren. … ”

Einige Dokumente zu der Geschichte:
Tagesordnung

Dse4Zdebel

Ein Gedanke zu “Linke sagt Nein zu Atomgesetz-Änderungen: Entschädigung für Konzerne – Nachteile für Gerichte und Bürger:innen

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