Vor Gericht: Wird Atomforschungsreaktor Garching stillgelegt?

Vor Gericht: Wird Atomforschungsreaktor Garching stillgelegt?

Am kommenden Montag (17. Juni) wird in München vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Stilllegung des Atomforschungsreaktor FRM II in Garching mündlich verhandelt. Der BUND in Bayern verlangt mit seiner Klage die Stilllegung des Reakotrs. Aus Sicht des Umweltverbandes ist der weitere Einsatz von atomwaffenfähig hochangereichertem Uran als Brennstoff entsprechend den Rechtsvorschriften in der Genehmigung nicht mehr zulässig. Alle gewährten Fristen zur vorgeschriebenen Umrüstung auf einen nicht-atomwaffenfähigen Brennstoff habe der Betreiber verstreichen lassen, nun müsse die Staatsregierung abschalten.Zuletzt waren im Mai 2024 neue Brennelemente mit hochangereichertem Uran in Garching eingetroffen. IPPNW und die Abgeordneten Markus Büchler und Claudia Köhler von der Grünen Fraktion in Bayern schließen sich den Forderungen des BUND an. (Foto: Betreiber TUM)

Auch international dürfte das Verfahren des BUND in München von Bedeutung sein: Um den Mißbrauch von atomwaffenfähigem Material zu reduzieren, gibt es weltweit Bemühungen, Forschungsreaktoren abzurüsten und Brennstoff unterhald der Waffen-Grenze zu verwenden. Ausgerechnet Bayern und die Bundesregierung sowie die TU München als Betreiber ignorieren diese Bmühungen seit Jahren. Gegen die Auslegung mit waffenfähiger Anreicherung der Brennelemente in Garching hatten die USA seinerzeit massive Kritik formuliert. Als diese Wirkungslos blieb, weigerten sich die USA den Brennstoff für Garching zu liefern. Darauf wurde das brisante Nuklearmaterial kurzerhand aus Russland beschafft. Die Herstellung der Brennelemente erfolgt in Franreich in der Nähe von Grenoble im Roman sur Isere.

Auch der MdL Markus Büchler von den Grünen im bayerischen Landtag (siehe unten und hier Presse-Seite) sowie die mit einem Nobelpreis ausgezeichneten „Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt:innen in sozialer Verantwortung (IPPNW, siehe unten und hier auf der Presseseite)“ haben sich den Forderungen der Klage des BUND Bayern angeschlossen und verlangen das Ende des Betriebs mit hochangereichertem Uran in Garching.

Richard Mergner, BN-Vorsitzender in Bayern: „Wir nehmen es nicht hin, dass der Reaktor in Garching weiterhin mit diesem hochgefährlichen Brennstoff betrieben wird. Die atomrechtliche Genehmigung ist glasklar und hat einen Betrieb nur bis Ende 2010 erlaubt. Mit einer Vereinbarung zwischen dem Freistaat und der Bundesregierung über einen Weiterbetrieb bis 2018 hat sich die Staatsregierung einfach über diese atomrechtliche Regelung hinweggesetzt. Doch selbst diese Vereinbarung wurde nicht eingehalten. Im Jahr 2020 folgte eine weitere Vereinbarung, in der die Umrüstung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.“

Atomexpertin Karin Wurzbacher (Diplom-Physikerin und ehemalige Leiterin des BN AK Energie) erklärt: „Aktuell forscht die TU München an einem neuen Brennstoff mit einer deutlich geringeren Anreicherung von weniger als 20%. Damit versucht sie der Klage des BUND Naturschutz Wind aus den Segeln zu nehmen.“ Es wird nach ihrer Schätzung noch viele Jahre dauern, bis diese neue Brennelemente möglicherweise eingesetzt werden könnten.

Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW: „Die Bundesregierung Deutschland und die Staatsregierung Bayern tragen die Verantwortung dafür, dass die Betriebsgenehmigung für den FRM II bisher nicht beendet wurde. In der immer mehr eskalierenden Sicherheitslage der Welt ist dies ein absolut negatives Beispiel für die Verbreitungsgefahr von Atomwaffen-Material. Der geplante weitere Betrieb mit atomwaffenfähigem Uran muss gestoppt und die rechtlichen oder praktischen Grauzonen im Umgang mit atomwaffenfähigem Material juristisch untersagt werden.“

Die beiden Grünen Abgeordneten Claudia Köhler und Dr. Markus Büchler stellen fest: „Die geplante Brennstoffentwicklung der TU München ist gerade mal in der Anfangsphase. Selbst im optimalen Fall wird er erst in den 30er Jahren zur Verfügung stehen. Einen Weiterbetrieb des Reaktors mit dem atomwaffenfähigen Material lehnen wir ab“.

Dokumentationen:

Die PM des BUND Bayern vom 14. Juni 2024

Gerichtsverhandlung Forschungsreaktor Garching: BN-Klage gegen Betrieb mit hochangereichertem Uran

Reaktor wird seit Jahren mit hochangereichertem Uran betrieben, obwohl es hierfür nach Überzeugung des BN keine Genehmigung gibt. Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran kann sich noch Jahre hinziehen.

Am kommenden Montag (17.06.2024, 10:00 Uhr, Bayerstr. 30, Saal 5) verhandelt der 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine Klage des BUND Naturschutz gegen den Freistaat Bayern. Gegenstand der Klage ist, dass die TU München eine wesentliche Bestimmung der 3. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) aus dem Jahr 2003 für den Forschungsreaktor in Garching bis heute nicht erfüllt hat. In dieser TEG wurde festgelegt, dass bis spätestens 31.12.2010 die Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran – mit einem Anteil an spaltbarem Material unter 50% – erfolgt sein muss. Dies ist bis heute nicht geschehen und die Bayerische Atomaufsichtsbehörde hat dies auch nie eingefordert. Nachdem die Staatsregierung auch nach Antrag des Bund Naturschutz weiterhin in der Sache untätig blieb, hat der BN im Mai 2020 Klage eingereicht, um den Weiterbetrieb des Reaktors zu stoppen.

Dazu der BN-Vorsitzende Richard Mergner: „Wir nehmen es nicht hin, dass der Reaktor in Garching weiterhin mit diesem hochgefährlichen Brennstoff betrieben wird. Die atomrechtliche Genehmigung ist glasklar und hat einen Betrieb nur bis Ende 2010 erlaubt. Mit einer Vereinbarung zwischen dem Freistaat und der Bundesregierung über einen Weiterbetrieb bis 2018 hat sich die Staatsregierung einfach über diese atomrechtliche Regelung hinweggesetzt. Doch selbst diese Vereinbarung wurde nicht eingehalten. Im Jahr 2020 folgte eine weitere Vereinbarung, in der die Umrüstung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.“

Juristisch gesehen geht es im Kern um die Frage, ob die Regelung in der 3. Teilerrichtungsgenehmigung eine „Inhaltsbestimmung“ ist, oder lediglich eine „Auflage“ darstellt. Aus einem unter anderem vom BN finanzierten Gutachten geht eindeutig hervor, dass die Umrüstungsforderung in der Genehmigung eine Inhaltsbestimmung ist und das Bayerische Umweltministerium als Atomaufsichtsbehörde daher zwingend einschreiten muss.

Atomexpertin Karin Wurzbacher (Diplom-Physikerin und ehemalige Leiterin des BN AK Energie) erklärt: „Aktuell forscht die TU München an einem neuen Brennstoff mit einer deutlich geringeren Anreicherung von weniger als 20%. Damit versucht sie der Klage des BUND Naturschutz Wind aus den Segeln zu nehmen. Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich, wenn die TU München endlich an einem neuen Brennstoff arbeitet. Aber das könnte sich als trojanisches Pferd erweisen: über Jahrzehnte hat die TU einen Brennstoff mit dieser niedrigen Anreicherung als technisch unmöglich bezeichnet. Für den jetzt propagierten Brennstoff liegt noch keine Qualifizierung vor. Dazu müssten zunächst noch Brennstofftests durchgeführt werden. Erst danach könnte ein Genehmigungsverfahren eingeleitet werden und müsste noch eine industrielle Fertigungslinie für den Brennstoff aufgebaut werden. Selbst in dem optimalen Fall, dass die Tests erfolgreich wären und die Genehmigung tatsächlich erteilt werden könnte, ist auch nach offiziellen Angaben frühestens im nächsten Jahrzehnt mit einer Umrüstung zu rechnen.“

Hintergrund:

Die TU München hat in den 90er Jahren mit der Entscheidung, den neuen Garchinger Forschungsreaktor mit hoch angereichertem Uran (HEU) zu betreiben, einen abrüstungspolitischen Eklat ausgelöst. Entgegen jahrelangen internationalen Bemühungen, die Verbreitung dieses hochgefährlichen, weil atomwaffentauglichen, Brennstoffs zu unterbinden, haben die Garchinger Forscher die internationale Gemeinschaft brüskiert. Anstatt die hohe Anreicherung des Brennstoffs – wie international üblich – durch ein Material mit höherer Dichte zu ersetzen, hat die TU beides kombiniert: hohe Anreicherung und hohe Dichte. Der Garchinger Brennstoff hat eine Urananreicherung von 93%. In der Konsequenz haben die USA hart reagiert und die Belieferung des Garchinger Reaktors eingestellt. In der Not handelten die Forscher der TU München in Moskau einen Liefervertrag mit Russland aus.

Die Presseerklärung von der IPPNW vom 14. Juni hier als Dokumentation:

Kein weiterer Betrieb mit atomwaffenfähig angereichertem Uranbrennstoff!

Klage gegen den Weiterbetrieb des Atomforschungsreaktor Garching

Die deutsche Sektion der internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) unterstützt die vom Bund Naturschutz gegen den Freistaat Bayern vor dem Bayrischen Verwaltungsgerichtshof in München vorgebrachte Forderung, den weiteren Betrieb des Atomforschungsreaktors FRM II mit atomwaffenfähig angereichertem Uran-Brennstoff zu untersagen. Am kommenden Montag, den 17. Juli 2024 wird darüber vor dem 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs  mündlich verhandelt.

Der Forschungsreaktor Garching ist der einzige Atomreaktor, der 2004 nach  der Havarie von Tschernobyl in Deutschland neu gebaut wurde. Die dort zu Forschungszwecken produzierten Neutronen werden in verschiedenen Forschungsbereichen der Industrie und der Medizin eingesetzt. Die Brisanz des Forschungsreaktors liegt im Proliferationsrisiko. Es werden Brennstäbe mit hochangereichertem Uran von 93% (HEU) verwendet, die atomwaffenfähig sind. Auch die Entsorgung dieser hochangereicherten Brennstäbe ist nicht gewährleistet, zumal das Zwischenlager nahezu voll ist. Nach einer Reihe von Pannen ist der Münchener Forschungsreaktor seit Jahren abgeschaltet und wegen Reparaturarbeiten weiter außer Betrieb.

Gegenstand der Klage ist, dass die TU München eine wesentliche Bestimmung der 3. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) aus dem Jahr 2003 bis heute nicht erfüllt hat. In dieser TEG wurde festgelegt, dass bis spätestens 31. Dezember 2010 die Umrüstung auf niedriger angereichertes Uran – mit einem Anteil an spaltbarem Material unter 50% – erfolgt sein muss. Dies ist bis heute nicht geschehen und die Bayerische Atomaufsichtsbehörde hat dies auch nie eingefordert. Nachdem die Staatsregierung auch nach dem Antrag des Bund Naturschutz in der Sache untätig blieb, hat der Verband im Mai 2020 Klage eingereicht, um den Weiterbetrieb des Reaktors zu stoppen. Auch  bis zu 50% angereichertes Uran und ist prinzipiell atomwaffenfähig und bewegt sich damit in einer rechtlichen Grauzone.Inzwischen wurden Technologien entwickelt, mit denen  der Reaktor unterhalb der Grenze von 20% Uran 235 betrieben werden kann. Bis zur Einsatzfähigkeit dieser Brennstäbe muss der FRM II abgeschaltet bleiben.

Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW: „Die Bundesregierung Deutschland und die Staatsregierung Bayern tragen die Verantwortung dafür, dass die Betriebsgenehmigung für den FRM II bisher nicht beendet wurde. In der immer mehr eskalierenden Sicherheitslage der Welt ist dies ein absolut negatives Beispiel für die Verbreitungsgefahr von Atomwaffen-Material. Der geplante weitere Betrieb mit atomwaffenfähigem Uran muss gestoppt und die rechtlichen oder praktischen Grauzonen im Umgang mit atomwaffenfähigem Material juristisch untersagt werden.“

Im Übrigen ist die Medizin für die Herstellung von radioaktiv wirksamen Arzneimitteln  für Diagnostik und bei  der Krebsbehandlung nicht auf radioaktive Neutronenquellen angewiesen. So werden Radiopharmaka in Deutschland in Teilchenbeschleunigern (Zyklotronen)  z.B. an Universitätskliniken selbst hergestellt.

Die TU München hat in den 90er Jahren mit der Entscheidung, den neuen Garchinger Forschungsreaktor mit hoch angereichertem Uran (HEU) zu betreiben, einen abrüstungspolitischen Eklat ausgelöst. Entgegen jahrelangen internationalen Bemühungen, die Verbreitung dieses hoch gefährlichen atomwaffentauglichen Brennstoffs zu unterbinden, haben die Garchinger Forscher die internationale Gemeinschaft brüskiert.

In der Konsequenz haben die USA hart reagiert und die Belieferung des Garchinger Reaktors eingestellt.  Daraufhin handelten die Forscher der TU München in Moskau einen Liefervertrag mit Russland aus.

Die mündliche Verhandlung findet am Montag, den 17. Juni 2024 ab 10.00 Uhr in den Räumen des Bayerischen Verwaltungsgerichts in München in der Bayerstr. 30, Saal 5 statt.

Brennelementebelieferung siehe BASE online.

Ansprechpartner der IPPNW:  Dr. med. Angelika Claußen: Tel. 0172-5882786

Dokumentation Markus Büchler und Claudia Köhler, MdL Bayern, Die Grünen:

Der einstige Leuchtturm „FRM 2“ landet vor Gericht

Verhandlung zur Umrüstung des FRM II am Mo. 17.6.24
Pressemitteilung vom 14.06.24

Der vom früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber als Leuchtturm geadelte Garchinger Forschungsreaktor durchlebt schwere Zeiten. Nun wird er am kommenden Montag auch noch zum Gegenstand einer Gerichtsverhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Dort wird eine Klage des Bund Naturschutz verhandelt, weil die Garchinger Reaktorbetreiber eine Inhaltbestimmung der Genehmigung aus dem Jahr 2003 bis heute nicht umgesetzt haben. Der Reaktor hätte seit mehr als 13 Jahren auf niedriger angereichertes Uran umgestellt werden müssen. Dies ist bis heute nicht passiert und das Bayerische Umweltministerium als Atomaufsichtsbehörde nichts dagegen unternommen.

Schon vor vier Jahren hat ein Gutachten der Rechtsanwältin Cornelia Ziehm – das vom Bund Naturschutz, der örtlichen Bürgerinitiative, dem Umweltinstitut München und der Grünen Landtagsfraktion in Auftrag gegeben wurde – das Verhalten der Staatsregierung als unrechtmäßig qualifiziert. Nachdem die Klage 2021 eingereicht wurde, steht nun kommende Woche die mündliche Verhandlung an.

Claudia Köhler, MdL: „Es ist im Grunde unvorstellbar, dass eine atomrechtliche Bestimmung, wie die Umrüstung vom gefährlichen hoch angereicherten Uran (HEU) auf niedriger angereichertes Uran seit Jahren verschleppt wurde und die Staatsregierung keine Konsequenzen gezogen hat.“

Seit einiger Zeit brüstet sich die TU München damit, dass sie an einem Brennstoff arbeite, der die Forderungen aus der Genehmigung des Jahres 2003 übererfüllen würde. Damit versucht die TU „wir sind ja schon dran“ wohl auch, das Gericht zu beruhigen. Doch stehen hinter diesem Projekt noch viele Fragezeichen.

Dr. Markus Büchler, MdL: „Es ist fraglos zu begrüßen, dass die TU München endlich die Forschung für einen neuen Brennstoff aufgenommen hat. Aber ob diese Pläne je Realität werden, steht noch in den Sternen.“

Der neue Brennstoff muss erst Bestrahlungstests in Belgien durchlaufen. Dann muss dieser Brennstoff „qualifiziert“ werden, damit die TU anschließend einen Genehmigungsantrag stellen kann. Der Ausgang des Genehmigungsverfahrens ist angesichts nicht vorhandener Tests vollkommen offen. Zudem müsste auch noch eine industrielle Fertigungslinie für die Herstellung der neuen Brennelemente aufgebaut werden. Auch dies ist nicht geklärt.

Die beiden Grünen Abgeordneten Claudia Köhler und Dr. Markus Büchler stellen fest: „Die geplante Brennstoffentwicklung der TU München ist gerade mal in der Anfangsphase. Selbst im optimalen Fall wird er erst in den 30er Jahren zur Verfügung stehen. Einen Weiterbetrieb des Reaktors mit dem atomwaffenfähigen Material lehnen wir ab“.

Zur mündlichen Verhandlung zur Klage des BN gegen den Freistaat Bayern vor dem 22. Senat des Bayerischen VGHist am Montag, den 17. Juni um 10.00 Uhr eingeladen. Die öffentliche Verhandlung findet in Räumen des Bayerischen Verwaltungsgerichts in der Bayerstr. 30, Saal 5 statt.

Markus Büchler wird am Nachmittag der Verhandlung beiwohnen.

Dokumentation: Der BayersischeVerwaltungsgerichshof München infomriert über die bevorstehene mündliche Verhandlung

17.06.2024 10:00 Uhr
Sitzungssaal 5 des Verwaltungsgerichts München (Bayerstr. 30)
Atomrecht – Betrieb TUM-Forschungsreaktor Garching (FRM II)

Der BUND Naturschutz Bayern begehrt vom Freistaat Bayern ein atomaufsichtliches Einschreiten gegen den Betrieb des Garchinger Forschungsreaktors (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) mit hoch angereichertem Uran. Der BUND beruft sich in seiner Klage darauf, dass die zugrundeliegende Betriebsgenehmigung vom 2. Mai 2003 eine Verpflichtung zur Umrüstung auf Brennelemente mit einem niedrigeren Anreicherungsgrad an Uran-235 bis 31. Dezember 2010 enthalte. Der Freistaat Bayern hält die Fristsetzung für unwirksam und weist darauf hin, dass es trotz internationaler Forschungsanstrengungen – unter Beteiligung der TUM – bisher noch nicht gelungen sei, einen geeigneten niedriger angereicherten Brennstoff zu entwickeln. Seit März 2020 ist der Forschungsreaktor aus technischen Gründen nicht in Betrieb. Die TUM beabsichtigt nunmehr, den Reaktor Ende 2024 mit hoch angereichertem Uran wieder hochzufahren.

Dokumentation: Aktueller Sachstand zum FRM II

Betriebsstatus FRM II

Seit Ende 2019 ist der FRM II nicht mehr in Betrieb, mit Ausnahme weniger Monate Anfang 2020. Er steht also bereits mehr als vier Jahre still. Ursache dafür waren Überschreitungen des Jahresgrenzwerts von Kohlenstoff 14 (C-14), die Pandemie und ein defekter Zentralkanal. Die Grenzwertüberschreitung von C-14 im Frühjahr 2020 wurde erst kürzlich auf der INES-Skala von 0 auf 1 hochgesetzt, nachdem der Störfall zunächst gar nicht gemeldet wurde.

Das Leck im Zentralkanal verursachte größere Probleme, da die Firma, die diesen damals gefertigt hatte, nicht in der Lage war ihn zu reparieren oder neu zu fertigen. Es musste eine andere Firma gefunden werden, die den Zentralkanal nun baut. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der neuen Fertigung gab es Verzögerungen, so dass bis heute noch kein Austausch bzw. Einbau des Zentralkanals stattgefunden hat und nicht klar ist, wann der Reaktor wieder in Betrieb gehen kann.

Zuletzt hieß es im April 2024, dass eine Inbetriebnahme in diesem Jahr nicht mehr möglich ist.

Entwicklung des neuen Brennstoffs und Umrüstung des FRM II

Grundsätzlich ist es selbstredend zu begrüßen, wenn die TU München an einem Brennstoff forscht, der eine Urananreicherung von weniger als 20% ermöglichen würde, was bei Verkündung dessen im letzten Jahr großes mediales Interesse gefunden hat. Gleichwohl ist die praktische Umsetzung des Ergebnisses dieser Forschung noch vollkommen offen. Bislang wurde nur die reaktorphysikalische theoretische Möglichkeit gezeigt.

Die Betreiberin hat sich jahrelang geweigert, die Entwicklung dieser Art von Brennstoff auf Basis von monolithischem Uranmolybdän zu verfolgen, obwohl bereits 1999 von der Expertenkommission unter Leitung des damaligen Staatssekretärs Wolf-Dieter Catenhusen und noch einmal 2017 in einem Gutachten für das Nationale Begleitgremium auf diese aussichtsreiche Möglichkeit, auf niedrig angereicherten und damit nicht mehr waffenfähigen Brennstoff umzurüsten, hingewiesen wurde. Allein die TU München hat am Uran-Molybdän Dispersions-Brennstoff festgehalten und wertvolle Entwicklungszeit verstreichen lassen.

Für einen konkreten Einsatz der neuartigen Brennelemente sind noch viele Schritte zu gehen und damit entsprechende Unwägbarkeiten zu erwarten:

  • Die Qualifizierung des neuen Brennstoffs für den Einsatz in einem Brennelement steht noch aus, weitere Bestrahlungstests für den Winter 2024/25 sind in der Planung.
  • Für den Fall einer erfolgreichen Qualifizierung des neuartigen Brennstoffs muss dann eine industrielle Fertigungslinie aufgebaut werden, für die erst vor zwei Monaten ein Entwicklungsvertrag geschlossen wurde.
  • Die Erstellung eines Genehmigungsantrags ist zwar offiziell für Ende 2025 geplant. Ein Genehmigungsantrag setzt aber voraus, dass die Ergebnisse der noch durchzuführenden Bestrahlungstests entsprechend belastbare, positive Ergebnisse bringen. Dass dies in der kurzen Zeitspanne gelingt, ist unwahrscheinlich.
  • Mit einer Entscheidung über die Genehmigung wird von Betreiberseite für das Jahr 2030 gerechnet. Wenn man bedenkt, dass allein das Genehmigungsverfahren für eine einzige Bestrahlungseinrichtung sieben Jahre in Anspruch genommen hat, für den Reaktor selbst sogar elf Jahre, liegt der Schluss nicht fern, dass es sich bei der Jahresangabe 2030 um Wunschdenken handeln könnte.
  • Es ist davon auszugehen, dass nach Genehmigungserteilung weitere Monate (z.B. für Herstellung, Transport, ggf. Umbaumaßnahmen am Reaktor, etc.) vergehen werden, bis die ersten neuen Brennelemente zum Einsatz kommen könnten.
  • Selbst im optimalen Fall würde damit der Einsatz von LEU, also niedrig angereichertem, nicht-waffenfähigem Uran nach den Vorstellungen des Betreibers erst nach mindestens sieben Jahren möglich sein.

Es ist zwar zu begrüßen, dass die Betreiber endlich auf den neuen Brennstoff mit einer Uran-Anreicherung unter 20 Prozent umgeschwenkt sind. Da aber hier noch viele Entwicklungsschritte mit vielen Tests und Unwägbarkeiten erforderlich sind, ist ein Genehmigungsverfahren bereits im nächsten Jahr – sowie es anvisiert ist – äußerst unwahrscheinlich. Es liegt der Verdacht nahe, dass dies von den Betreibern einkalkuliert ist und sie damit noch viele Jahre den Einsatz von hochangereichertem, waffenfähigen Uran, HEU, bis weit in die 2030er und -40er Jahre hinein aufrechterhalten wollen.

Eine parallele Entwicklung eines Brennstoffs unter 50 Prozent Anreicherung, der „nur“ die Bedingung der 3. TEG erfüllt, wird vom Betreiber gar nicht vorgenommen. Sollte die Entwicklung des neuen Brennstoffs misslingen, wäre wieder wertvolle Zeit für eine Umrüstung verstrichen.

3. Klage gegen den Betrieb des FRM II

Der BUND hat 2020 Klage gegen den Betrieb des FRM II eingereicht, da dieser aufgrund von zweimaliger Nichteinhaltung der Umrüstungsfristen (Ende 2010 und Ende 2018) illegal ist. Die Verhandlung dazu erfolgt am 17. Juni am bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Für den Sommer 2024 wird dann eine Entscheidung der Klage erwartet.

Juni 2024

Dirk Seifert

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