Hamburger Energiewende und Dialog: Klimaschutz in die Fernwärme einbauen
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ und der jetzt anlaufenden Umsetzung der Rekommunalisierung der Energienetze für Strom, Fernwärme und Gas, kommt Schritt für Schritt wieder energiepolitischer Handlungsspielraum zurück in die öffentliche Hand. Vor allem bei der Fernwärmeversorgung ergeben sich viele Möglichkeiten. Denn zu ihr gehört nicht nur das Leitungsnetz, sondern auch die Anlagen zur Wärmeerzeugung (plus damit verbundenen Stromerzeugung) und die KundInnen. Und: In der Hamburger Fernwärmeversorgung liegen große Potentiale für mehr Klimaschutz. Nicht nur ein Wärmekonzept muss jetzt her, sondern auch ein Dialog. Das forderte auch die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn, heute in der Bürgerschaft: „Deshalb wäre es wichtig, bald ein Fernwärmekonzept vorzulegen, um mit den BürgerInnen in dieser Stadt in einen Fernwärmedialog zu treten.“
Gefordert ist jetzt die Hamburger Umweltbehörde unter ihrer Senatorin Jutta Blankau. Sie muss nun mit ihrer Behörde ein solches Konzept vorlegen und zur Debatte stellen.
Ein im Auftrag der Behörde erstelltes „Basisgutachten zum Masterplan Klimaschutz“ kam im November 2010 zu dem Ergebnis, dass die „Umgestaltung der Fernwärmeversorgung einen der größten Beiträge zum Klimaschutzkonzept“ leisten kann. (Basisgutachten Seite 71). Die Grüne-Bürgerschaftsfraktion hat in einem aktuellen Antrag erneut auf diesen wichtigen Punkt hingewiesen (siehe den Link oben und hier aktuell zur Aktuellen Stunde der Bürgerschaft). Die Debatte dazu wird in den nächsten Wochen folgen.
Um die Klimaschutzpotentiale zu heben, muss die Stadt laut diesem Gutachten als einen wichtigen Schritt das Kohle-Heizkraftwerk in Wedel ersetzen. Bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2- Emissionen verursacht das HKW aufgrund des Einsatzes von Steinkohle als Brennstoff (vergleiche hier, PDF, S. 4).
In einem Gutachten für die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ stellte die LBD-Beratungsgesellschaft jüngst fest:
- „Die Hamburger Fernwärme versorgt nicht nur 450.000 Nutzeinheiten
mit Wärme, sondern liefert mehr als 80% des Strombedarfs der
Hamburger Haushalte. - Die Hamburger Fernwärme verursacht etwa 9% der gesamten CO2-
Emission der Stadt. Etwa ein Drittel der wärmebedingten CO2-
Emissionen im Bereich der Haushalte und des Gewerbes (ohne
Industrie und Verkehr, ohne Strom (1, siehe hier) entfallen auf die Fernwärme.“
(hier das Gutachten als PDF zum download)
Das Gutachten stellt fest, dass sich nach amtlichen Bilanzen für das Jahr 2010
für „die Fernwärmeversorgung der Freien und Hansestadt
Hamburg ein Emissionsfaktor 327 g CO2 je kWh“ ergibt. „Dieser Wert liegt
deutlich oberhalb des Emissionsfaktors eines mit Erdgas gefeuerten
Brennwertkessels in Höhe von weniger als [210] g CO2 je kWh“. Das zeigt, welches Potential allein im Vergleich zum Einsatz von Gas, bei sonst gleichen Rahmenbedingungen, vorhanden ist.
Der Grund für diese Situation: „Der sehr hohe Emissionswert der Hamburger Fernwärme resultiert aus dem vergleichsweise großen Anteil an Kohle als Brennstoff. Die Verbrennung von Kohle setzt erheblich mehr klimaschädliches CO2 frei als z.B. die Verbrennung von Erdgas.“ (LBD)
Aber es geht eben nicht nur darum, Kohle mit Gas zu tauschen. Das genannte Basisgutachten nennt weitere Maßnahmen, die für ein Mehr an Klimaschutz unbedingt zu beachten sind: „Das Gutachten vom November 2010 schlug unter anderem vor, das Fernwärmenetz in Subnetze zu zerlegen, Wettbewerb im Betrieb der Subnetze herzustellen, durch geringeren Betriebsdruck und niedrigere Temperaturen (*) die Einbindung von erneuerbaren Energien und Abwärme zu erleichtern und es Dritten zu ermöglichen, Wärme einzuspeisen.“ (zitiert nach Antrag Grüne Fraktion).
Hinzu kommen aber auch noch andere Maßnahmen jenseits der Erzeugung von Wärme: Einsparungen bei der Erzeugung können z.B. durch Maßnahmen für die Wärmedämmung von (Wohn-)Gebäuden erreicht werden. Außerdem ist zu prüfen, welche Möglichkeiten zur Einbindung von ohnehin erzeugter Wärme, z.B. bei industriellen Prozessen, bestehen etc.
Um all diese Möglichkeiten für mehr Klimaschutz (plus Versorgungssicherheit…) bei der Wärmeversorgung zu nutzen, braucht es ein Konzept. Seit Jahren wird dieses von Umweltverbänden und – Initiativen von der Stadt gefordert. Bis heute liegt es nicht vor. Nicht nur Grüne und Linke drängen in der Bürgerschaft jetzt darauf. Auch die allein-regierende SPD hat schon vor einiger Zeit eingesehen, dass es ein solches Konzept braucht. Die Fraktion hatte dazu eine entsprechende Aufforderung an den Senat in der Bürgerschaft beschlossen.
Doch bislang stellte sich die Hamburger Umweltbehörde taub. Statt eines Wärmekonzepts hatte die Umweltbehörde mit Vattenfall lediglich Ausbau-Ziele festgelegt. Das räumte die Senatorin Blankau im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und Haushaltsausschusses zur Umsetzung des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Energienetze ein und ergänzte dann: „Wir prüfen zurzeit, was wir verändern müssen.“ (Wortprotokoll der Ausschusssitzung (PDF), S. 23). Und ihr Referent Hans Gabány räumte ergänzend ein, dass seit der Vorlage des Masterplans in Sachen „Wärme aus Erneuerbarer Energie“ nicht so viel gelaufen ist: „Insofern bleibt es dabei, dass wir im Grunde auf die Entscheidungen, die jetzt anstehen, aufsetzen müssen bei der weiteren Entwicklung des Wärmekonzepts.“ (ebd.)
Wie heißt es so neudeutsch modern doch grad: Senatorin Blankau muss jetzt liefern!
(*) Das Hamburger Netz wird von vergleichsweise wenigen Einspeise-Punkten mit Wärme versorgt. Daher muss die Wärme – mit entsprechenden Verlusten – über teilweise sehr lange Strecken transportiert werden. Z.B. ist der Standort Wedel viele Kilometer von den ersten Verbrauchern in Hamburg entfernt. Aufgrund dieser Struktur wird das Netz mit vergleichsweise hohem Druck und hoher Temperatur betrieben.
Schon recht, Wir sollten jede Möglichkeit aufgreifen, auf die Entwicklung eines Wärmekonzepts Einfluss zu nehmen. Und wenn der Senat einen wirklichen Dialog führte – und nicht nur Pseudobeteiligungen, wie sie gerade die Umweltverbände reichlich kennen – dann wäre das ein großer Schritt nach vorn.
Allerdings reden wir gerade über die Verteilung des Fells, obwohl der Bär noch gar nicht erlegt ist. DIe Übernahme der Fernwärme in die Hand der Stadt ist alles andere als gesichert, denn vereinbart ist lediglich
eine „Kaufoption“ für 2019. Deshalb ist vorrangig die Frage zu klären, wie wir den Senat dazu bewegen, noch in diesem Jahr die Übernahme des Fernwärmenetzes rechtverbindlich zu sichern. Das kann durch einen
Kauf noch in diesem Jahr geschehen. Falls sich das Argument der Steuernachteile als stichhaltig herausstellen sollte, hat der Senat die Möglichkeit, in diesem Jahr die „Kaufoption zu ziehen“ also den Kauf zum 1.1.2019
endgültig zu vereinbaren. Die Durchsetzung dieses eines dieser Schritte ist die unabdingbare Voraussetzung für alle Planungen für die Weiterentwicklung der Fernwärmeversorgung in Hamburg. Denn Vattenfall wird sich
kaum reinreden lassen.
Seien wir realistisch: Bis Ende dieses Jahres haben wir die Möglichkeit Einfluss zu nehmen auf die Umsetzung des Volksentscheids. Im Februar 2015 wird die Bürgerschaft neu gewählt, es wird für fünf Jahre eine Senatskoalition geben (SPD/FDP?) und was bis dahin nicht durchgesetzt ist, wird so schnell nicht durchgesetzt werden.