„Vattenfall – bald Tschüss und weg?“

Braunkohle-Cottbus-Lacoma
Vattenfall – Verlässt der schwedische Staatskonzern die Lausitz oder auch ganz Deutschland? Foto: Dirk Seifert

„Irgendwann sagen die Tschüss und weg“, meint ein Vattenfall-Manager über seine Bosse aus Stockholm.“ Das berichtet der Berliner Tagesspiegel in einer „Analyse“ über die derzeitige Lage bei dem schwedischen Stromkonzern Vattenfall. Das Unternehmen ist finanziell angeschlagen, hat in den letzten Jahren mindestens vier Milliarden Euro Verlust gemacht. Und die Ertragslage sieht auch zukünftig schlecht aus, denn es gibt zuviel Strom im Markt, die Börsenpreise sind im Keller und könnten durch die Erneuerbaren Energien weiter sinken. Schon im letzten Geschäftsjahr musste Vattenfall daher einen Gewinnrückgang verbuchen. Selbst ein kompletter Rückzug von Vattenfall aus Deutschland wird derzeit nicht mehr ausgeschlossen: “Vattenfall-Sprecher Banek meint: „Die Debatte ist absolut relevant, ob wir statt eines internationalen Konzerns wieder ein skandinavischer Regionalversorger sein sollen.“”, berichtet u.a. das Handelsblatt (siehe hier).

Die finanziellen Probleme verstärken die Frage nach dem strategischen Kurs von Vattenfall, nicht nur beim Eigentümer, dem schwedischen Staat. Viele Schweden sind auch über den hohen Braunkohleanteil und den damit enorm hohen CO2-Emissionen von Vattenfall entsetzt. Kein Wunder, war Schweden doch in den 80er und 90er Jahren in hohem Maße von den Emissionen aus Kohlekraftwerken schwer betroffen: Damals führten die nicht gefilterten Emissionen aus den nordeuropäischen Schloten zu saurem Regen. Reihenweise kippten in Schweden die Seen um, starben die Fische und kam es großflächig zum Waldsterben. Da kommt es nicht gut, wenn ausgerechnet ein schwedisches Unternehmen wie Vattenfall heute zur Top 5 der CO2-Emittenten in Europa gehört und damit zu einem der klimaschädlichsten Unternehmen überhaupt.

Ankündigungen von Vattenfall, ein Braunkohlekraftwerk in Lippendorf zu verkaufen bestärkt vor allem in Deutschland den Verdacht, dass damit der Ausstieg von Vattenfall aus der Braunkohle, vielleicht sogar aus Deutschland insgesamt beginnt.

Die Stimmung im Konzern wird offenbar auch immer explosiver. Derzeit laufen die Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften IG BCE, Verdi und IG Metall auf der einen Seite und der Konzernleitung auf der anderen ohnehin schon im schwierigen Fahrwasser. Die Konzernleitung will bestimmte Service-Bereiche auslagern oder die Gehälter senken. Bereits im letzten Jahr war der „sozialverträgliche Abbau“ von über 300 Stellen in Berlin und Hamburg beschlossen worden. Doch dieser Prozess soll weiter gehen.

Vor allem die alten, vergleichsweise guten Verträge der ehemaligen HEW und Bewag-Beschäftigten sollen eingedampft werden. Die Gewerkschaften hingegen wollen 6,5 Porzent mehr Lohn und vor allem eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2020. Und in diese Konfliktlage hinein hat der Konzern nun angekündigt, 2.500 Arbeitsplätze, davon 1.500 in Deutschland, streichen zu wollen. Da hängt der Haussegen bei den Vattenfall-MitarbeiterInnen natürlich schief. Selbst das Managment macht sich offenbar nun immer mehr Sorgen. Der Tagesspiegel berichtet: „Die Stimmung ist mies im Unternehmen. Führungskräfte sind demotiviert, weil sie innerhalb der komplexen Struktur keine Entscheidungen mehr treffen dürfen. Ständiges Umstrukturieren hat zu einer Kultur der Selbstbeschäftigung geführt, die weit weg ist vom Markt. „Keiner hat mehr Spaß bei der Arbeit“, heißt es in der Zentrale in Berlin-Mitte. Alle wichtigen Entscheidungen fallen in Stockholm.“

Es sind scheinbare Kleinigkeiten, die die Verärgerung immer mehr anheizen. So berichtet der Tagespiegel von einer Sitzung des Aufsichtsrats in Berlin, auf der Løseth und Bonde die Mitglieder über das neueste Sparprogramm informierten. „Die Sitzung wurde überraschend abgebrochen, weil die beiden nach Schweden zurückmussten. „Unverschämt“, schimpfte ein Aufsichtsrat, der den Vorfall symptomatisch findet für das gestörte Verhältnis. Der Verdruss von Aufsichtsräten und Belegschaft nehme zu, weil den Skandinaviern das Gespür fehle für das deutsche System der Unternehmensführung und Mitbestimmung. Und weil sie vielleicht die Freude am deutschen Markt verlieren.“

Weiteres Ungemach für Vattenfall steht außerdem auf der Tagesordnung: In Berlin und Hamburg könnten Bürgerbewegungen noch in diesem Jahr dafür sorgen, dass Vattenfall die Verfügung über die Stromnetze und die Ferwärme (in Hamburg) verliert. Mit dem neuen Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg steht Vattenfall ein weiteres Verlustprojekt ins Haus. Das 1.600 MW Steinkohlekraftwerk soll 2014 ans Netz gehen und dürfte dann vor allem Verluste, aber kaum Gewinne einfahren.

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Dirk Seifert

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