Nackt im Wind: Hamburgs Umweltbehörde nach Volksentscheid planlos – Wärmeversorgung wird Wahlkampf
Der Hamburger SPD-Senat steht nach dem erfolgreichen Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ in Sachen (Fern)Wärme-Versorgung nackt im Wind. Das könnte man auch einen Offenbarungseid nennen: Weil die Umweltbehörde unter der Senatorin Jutta Blankau keinerlei Konzept hat, wird das nun zum Wahlkampf-Thema werden. Ein Wärmekonzept soll in zwei Schritten jetzt erst entwickelt werden und bis Ende des Jahres vorliegen. Im Februar 2015 wird die Bürgerschaft in Hamburg neu gewählt. Erst danach soll eine Entscheidung fallen, wie es in Sachen Fernwärme in der Hansestadt weiter geht. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das alte kohlebefeuerte Heiz-Kraftwerk in Wedel klimaverträglich ersetzt werden kann. Gemeinsam mit Vattenfall hatte die SPD eigentlich vor, dort ein neues GuD-Kraftwerk auf Gasbasis zu errichten. Das galt im Kampf gegen den Volksentscheid als non plus ultra. Doch Umweltverbände und BürgerInnen in Wedel kritisierten das Projekt massiv. Unter anderem weil es keinen Alternativenvergleich gegeben hatte, um die beste Lösung in Sachen Klimaschutz zu erreichen. Von einem Konzept für die Hamburger Wärmeversorgung ganz zu schweigen.
Siehe: Volksentscheid und Fernwärme Hamburg: Einsame Umweltbehörde
Von der Umweltsenatorin ist in der Frage bis heute nichts zu hören. Stattdessen geben der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel und die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Monika Schaal, den Ton an. Laut Abendblatt: „Die SPD hat angekündigt, dass eine Entscheidung über die Sicherung der Fernwärmeversorgung im Hamburger Westen erst nach der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 gefällt werde. Das heißt: Ob in Wedel tatsächlich das bisher geplante große neue Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD) gebaut wird, bleibt vorerst offen. „Über Wedel wird erst nach der Bürgerschaftswahl entschieden – anders als es die damalige CDU-Mehrheit bei Moorburg gemacht hat“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel dem Abendblatt vor der Sitzung des Umweltausschusses am Donnerstagabend.“
Und weiter heißt es in dem Artikel von Jens Meyer-Wellmann: Das von Umweltverbänden und Initiativen sowie den Grünen und der Linken „geforderte Wärmekonzept für die Hansestadt sei in Arbeit. „Noch im Frühjahr wird der Analyseteil vorliegen. Bis zum Jahresende folgt dann das Konzept, das ebenfalls breit diskutiert werden soll.“ Parallel werde es eine externe Begutachtung geben, „welche der vom Vertrag genannten Varianten für das Kraftwerk Wedel vorzugswürdig ist“.“
Immerhin, bereits vor rund zwei Jahren hatte die SPD-Fraktion die eigene Umweltbehörde per Antrag aufgefordert, ein solches Wärme-Konzept an den Start zu bringen. Nur ist bislang nichts passiert – die Umweltbehörde blieb – eigentlich bis heute – auf Tauchstation – bzw. ließ Vattenfall und E.on die Energiepolitik in der Hansestadt betreiben. Das ist aber nach dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ nicht länger möglich. Nun muss – auch wenn es schwerfällt – wieder selbst nachgedacht und gearbeitet werden.
Dass es schwerfällt, die erst vor kurzem noch als so „innovativ“ erklärten Vorschläge in Frage zu stellen, liegt auf der Hand. Aber die SPD wird bei einem neuen Wärme-Konzept nicht umhin kommen, auch ganz andere Alternativen als die bisher gedachten, eingehend zu prüfen.
Kommt der Wärme-Dialog mit den Umweltverbänden?
Dressel betont, dass das zu entwickelnde Konzept breit diskutiert werden soll. Auch die SPD-Abgeordnete Monika Schaal (siehe unten) verweist darauf: Ob sich das auf den von der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft per Antrag geforderten Wärme-Dialog zwischen Senat, Bürgerschaft und Umweltverbänden und Initiativen bezieht, ist unklar. In jedem Fall aber wird das demnächst in den Ausschüssen weiter diskutiert. Bürgerschaft und Senat sind bei der Umsetzung des Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ auch aufgefordert worden, für mehr Transparenz und Mitbestimmung in der Energieversorgung zu sorgen.
- Siehe dazu: Umsetzung Volksentscheid Energienetze Hamburg: Bürgerschaft debattiert Wärme-Dialog
- und: Hamburg: SPD für mehr Bürgerbeteiligung bei den neuen Netzgesellschaften offen
Viele Fragen bei der Umsetzung des Volksentscheids zur Fernwärme
Insgesamt dürfte die Fernwärme-Versorgung bei der Umsetzung des Volksentscheids noch zu heftigen Problemen führen. Nicht nur, weil jetzt die Konzeptlosigkeit der SPD bzw. der Umweltbehörde sichtbar wird. Während es bei der Stromnetzübernahme weitgehend zufriedenstellend läuft, stellen sich immer mehr Fragen, inwieweit die mit Vattenfall in der Umsetzung des Volksentscheids erzielten Ergebnisse beim Rückkauf der Fernwärme haltbar sind.
Das Abendblatt berichtet: „Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigte sich ebenfalls skeptisch. „Beim Strom machen wir einen Haken, die Umsetzung des Volksentscheids kommt gut voran. Bei der Fernwärme gibt es allerdings noch eine Menge Fragen, hier ist der Volksentscheid noch lange nicht umgesetzt“, sagte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Was macht der Senat zum Beispiel, wenn der erst in vier Jahren zu ermittelnde Unternehmenswert deutlich unter dem jetzt bereits festgelegten Mindestpreis liegt?“
Der Senat hat mit Vattenfall vereinbart, dass eine Übernahme durch die Stadt per Kaufoption im Jahr 2019 erfolgen kann und hat dazu einen Mindestpreis mit dem Konzern vereinbart. Einen exakten Preis sollen noch Fachleute ermitteln, aber unter den Mindestpreis darf der dann nicht mehr fallen.
Der Senat hatte im Januar in einer PM mitgeteilt: „Für das Fernwärmegeschäft wurden zwei alternative Mindestpreise (ebenfalls bezogen auf 100%) vereinbart. Für den Fall, dass in Wedel eine GuD-Anlage gebaut wird, beträgt dieser 1.150 Mio. Euro, für den Fall, dass bis 2015 keine Entscheidung für den Bau einer GuD-Anlage in Wedel getroffen wird, beträgt dieser Mindestpreis 950 Mio. Euro. Die endgültige Bestimmung des Kaufpreises erfolgt analog zum Verfahren für das Stromnetz durch einen unabhängigen Gutachter.“
Die Volksentscheids-Initiative hatte seit langem die zu hohen Kaufpreise vor allem bei der Fernwärme kritisiert. Z.B. als der Senat sich 2012 als Abwehrmaßnahme gegen den Volksentscheid mit einem Anteil von 25,1 Prozent an der Wärme-Gesellschaft von Vattenfall beteiligte. Angesichts hoher Investitions-Kosten, die der Umbau für eine klimaverträgliche Wärmeerzeugung unter Einbeziehung Erneuerbarer Energien erfordern würde, sei der Kaufpreis des Wärme-Netzes niedriger anzusetzen, als Senat und Vattenfall vereinbart hatten.
Das Abendblatt zitiert dazu weiter den BUND-Geschäftsführer: „Investitionen in die Fernwärme, die aus klimapolitischen Erwägungen jetzt schon nötig wären, aber den Unternehmenswert senkten, lägen aufgrund des verabredeten Mindestpreises derzeit nicht im Interesse des Senats. „Dieser Punkt ist eine echte Zwickmühle und offenbart ein Vertragskonstrukt, von dem vor allem Vattenfall profitiert.““
Laut Abendblatt weist der SPD-Fraktionschef diese Kritik zurück. „Die Stadt werde durch Investitionen dafür sorgen, dass das Fernwärmenetz nicht an Wert verliere, so Andreas Dressel.“
Bereits in der letzten Woche hatte die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Monika Schaal in Sachen Wärme-Konzept und Ersatz für das alte Heizkraftwerk Wedel in der Bürgerschaft Stellung genommen. Auch sie umschreibt es eher elegant, dass von der Umweltsenatorin bis heute nichts vorliegt: „Mit den getroffenen Vereinbarungen zur Fernwärme haben wir alle Handlungsoptionen in der Hand, um jetzt ein ebenso tragfähiges wie zukunftsfähiges Wärmekonzept zu erarbeiten. Dabei gilt es, alle energiewirtschaftlichen, politischen, genehmigungs- und eigentumsrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Es muss aber auch den Anforderungen des Volksentscheides nach einer ’sozial gerechten, klimaverträglichen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien‘ gerecht werden.“
Schaal weiter: „Es besteht kein Zeitdruck – dennoch: Spätestens im nächsten Jahr müssen wir Klarheit darüber haben, ob und in welcher Größe das in Wedel geplante Gas-Dampf-Kombikraftwerk gebaut wird oder ob vielleicht ganz andere dezentrale Lösungen für den Ersatz des abgängigen Kohle-Heizkraftwerkes zum Zuge kommen. In den anstehenden, öffentlichen Ausschussberatungen wird zu klären sein, wie wir CO2 aus der Fernwärmeerzeugung raus- und Erneuerbare Energien hereinkriegen und wie es gelingen kann, den Anteil der Fernwärme an der Hamburger Wärmeversorgung weiter zu steigern. Denn mit Blick auf eine Verringerung der Treibhausgase und einer Steigerung der Effizienz hat die Fernwärme eine zentrale Bedeutung für die Energiewende und den Klimaschutz.““