Atommüll-Konzerne auf der Flucht – Haftungsandrohung im Entwurf

Wer zahlt für den Atommüll? Konzerne oder BürgerInnen?
Wer zahlt für den Atommüll? Konzerne oder BürgerInnen?

Die Atomkonzerne E.on und Company versuchen sich vor der Verantwortung für die Kosten des atomaren Wahnsinns zu drücken. E.on bereitet mit einer Abspaltung des maroden Geschäftsbereichs Kohle und Atom eine Art Bad Bank vor. Ziel: Die Haftung für die Atommüllkosten sollen auf diese Abspaltung begrenzt werden. Geht dieser Bereich Pleite, soll das nicht mehr auf den Mutterkonzern durchschlagen können. Die Probleme sind lange bekannt, endlich aber hat auch im Wirtschaftsministerium die Erkenntnis Eingang gefunden: Das kann für die Steuerzahler so richtig teuer werden. Per Gesetz will Wirtschaftsminister Gabriel jetzt in aller Eile die Konzernhaftung neu regeln. Der Entwurf dazu liegt seit gestern vor und steht hier zum download (PDF). Das Gesetz soll noch im September in den Bundestag eingebracht werden.

Eine weitere Maßnahme zur Sicherung der so genannten Rückstellungen der Atomkonzerne soll außerdem folgen. Bislang haben die Unternehmen rund 38 Mrd. Euro zurückgestellt. Daraus sollen Stilllegung und Abriss der Atomanlagen und die Lagerung des Atommülls bezahlt werden. Bislang konnten die Konzerne mit diesem Geld uneingeschränkt arbeiten und ihre Geschäfte finanzieren. Seit Jahrzehnten eine skandalöse Regelung.

Nun sind die Konzerne schwer in der Krise. Ergebnis von erheblichen Fehlspekulationen seit Anfang der 2000er Jahre. Viele Einkäufe von Geschäftsanteilen und Kraftwerken in Europa haben sich zu Verlusten entwickelt. Diese mit der erhofften Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wieder aufzufangen, wurde durch Fukushima und die Kehrtwende der schwarz-gelben Bundesregierung 2011 zunichte gemacht. Und die Energiewende sorgt inzwischen dafür, dass die Konzerne mit ihrem veralteten und klimaschädlichen Kraftwerkspark kaum noch Geld verdienen können.

Klar ist also: Es braucht ganz schnell eine Sicherung der Entsorgungs-Rücklagen. Seit vielen Jahren bietet sich dafür die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds an, in dem diese Gelder den Konzernen abgenommen und gesichert werden. Vorschläge, wie das gehen soll, liegen längst in den Schubladen des Wirtschaftsministeriums. Nicht nur Gutachter haben dazu viel aufgeschrieben. In einem Papier aus der Führungsetage wurde bereits dargelegt: Die Rückstellungen für den Abriss der Atomanlagen könnten bei den Betreibern bleiben, weil diese Schritt für Schritt beim Rückbau benötigt werden (und die angeschlagenen Bilanzen schonen). Alles was mit Atommülllagerung zu tun hat, kommt aber in einen Fonds. Schon das ist eine Kompromissvariante, die den Unternehmen hilft, die aber dennoch eine Sicherung unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle ermöglicht.

Doch die Konzerne pokern. Sie wollen erreichen, dass sie aus der Verantwortung für das enorme Kostenrisiko bei der Atommülllagerung entlassen werden. Eine Einmalzahlung aus den Rückstellungen wollen sie leisten. Auch sind sie dem Vernehmen nach bereit, dafür die Klagen gegen den Atomausstieg zu verrechnen – und dann zurückzuziehen. Damit wollen sie erreichen, dass statt der jetzt rechnerisch vorhandenen 38 Mrd. minus die erhofften Entschädigungen aus den Klagen, nur ein Betrag um die 20-25 Mrd. Euro eingezahlt werden müsste. Bedingung: Danach ist Schluss mit Verantwortung, weitere Kosten werden den Unternehmen dann nicht mehr in Rechnung gestellt. Das wäre ein Bombengeschäft für die Konzerne – zum massiven Schaden der SteuerzahlerInnen.

Vor diesem Hintergrund ist die jetzt vorgelegte Haftungsneuregelung zunächst einmal vor allem eins: Eine Absicherung, dass die Bundesregierung überhaupt in der Lage ist, Verhandlungen mit den Konzernen zu führen. Eine Absicherung, die aber auch gleich Feuer bekommen wird. Denn E.on hat bereits erklärt, dass sie das ganze für verfassungswidrig hält und beklagen wird.

Statt jetzt die Entscheidung für einen Fonds zu fällen, will Gabriel eine Expertenkommission einrichten, die beraten soll, wie eine Lösung aussehen soll. Klingt erstmal gut, öffnet aber eben die Tür vor allem dafür, dass die Bundesregierung den Stimmen ein Forum liefert, die für Rücksicht auf die Konzerne plädieren und von einer „gemeinsamen Verantwortung“ von Staat und Wirtschaft lamentieren werden, – mit dem Ziel, den Konzernen einen Schuldenschnitt zu verabreichen.

Ein Jürgen Trittin, der in seiner Amtszeit als Bundesumweltminister dieses schon damals relevante Problem schlicht in die Schublade verschob, ist als Kommissionsleiter im Gespräch. Eine gute Nominierung vor allem um die Grünen einzubinden, einen „faulen Kompromiss mit Augenmaß“ zum Vorteil der Konzerne zu finden – natürlich nach heftigen Auseinandersetzungen und dem Hinweis, dass man Pleite-Konzernen nicht in die Tasche greifen kann.

Dirk Seifert

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