Jülich und Verbot von Atommüll-Exporten: Kommissionsbeschluss nicht das Papier wert?

Ist der Beschluss der Atommüll-Kommission über ein Export-Verbot für hochradioaktive Abfälle das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht? Dieser Eindruck drängt sich dem Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE nach der Antwort der Bundesregierung auf einen Frage zum weiteren Verbleib der 152 Castor-Behälter aus Jülich auf.

Nach langen Diskussionen und eingehenden Beratungen auch mit dem Bundesumweltministerium hatte sich die Endlager-Kommission im Oktober 2015 für ein Export-Verbot insbesondere für hochradioaktive Brennelemente auch Forschungsreaktoren ausgesprochen. Die eindeutige Intention: Damit sollte in jedem Fall verhindert werden, dass die 152 Castor-Behälter mit hochradioaktiven Brennelementen aus Jülich in die USA exportiert werden. In dem Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, eine entsprechende Neuregelung auf den Weg zu bringen.

Doch möglicherweise ist dieser Beschluss nicht viel wert, denn nach wie vor werden in Jülich die Planungen für einen Export dieser Brennelemente mit Duldung der rot-grünen Landesregierung vorangetrieben. In den USA startet nun eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur zum Import der Jülicher Brennelemente sondern obendrein auch noch für die Brennelemente des Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktors (THTR) Hamm-Uentrop, die derzeit im Zwischenlager Ahaus stehen.

In der Antwort (*) auf die Frage von Zdebel, wie die Bundesregierung die weiteren Planungen für einen US-Export vor dem Hintergrund des Kommissionsbeschlusses beurteilt, teilt der Parlamentarische Staatssekretär jetzt schriftlich mit: „Bei dem zitierten Beschluss der „Kommission Lagerung hoch-radioaktiver Abfallstoffe“ des Deutschen Bundestages vom 2. Oktober 2015 handelt es sich um eine Empfehlung, die von der Bundesregierung bei einem möglichen Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen werden kann. Der Beschluss selbst weist in seinem zweiten Teil darauf hin, dass eine Neuregelung auch Aspekten der Nichtverbreitungspolitik und der Spitzenforschung Rechnung tragen soll.“ (Der Brief mit der Antwort auf die Frage des MdB Hubertus Zdebel ist hier als PDF online und kann gleich unten nachgelesen werden.)

Zdebel reagierte auf diese Aussagen mit dem folgenden Statement: „Die Kommission soll angeblich einen gesellschaftlichen Konsens für den Umgang mit den hochradioaktiven Abfällen erarbeiten. Einer der vielen Punkte auf dem Weg dorthin ist dieses Export-Verbot für die hochradioaktiven Brennelemente aus dem AVR Jülich. Die mehr als bescheidene Reaktion der Bundesregierung auf den Kommissions-Beschluss für ein Export-Verbot lässt nichts Gutes erahnen. Weder die Betreiber in Jülich noch die Bundesregierung scheinen sich von den Diskussionen und Beschlüssen der Endlager-Kommission in dieser Sache beeinflussen zu lassen. Das ist ein sehr schlechtes Signal und Ausdruck der alten Atom-Politik.“

  • (*) Der Abgeordnete Zdebel hat offenbar aufgrund eines Versehens in der Verwaltung auf seine mündliche Frage im Plenum sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Antwort im Plenum erhalten. In der mündlichen Antwort wird die Frage zum Kommissionsbeschluss übergangen. Im der schriftlichen Antwort – auf die hier Bezug genommen wird – ist das Eingangs genannte Zitat enthalten. Beide Antworten werden hier im Folgenden dokumentiert:

Dokumentation 1: Brief des Parl. Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Stefan Müller an den Abgeordneten Hubertus Zdebel, Berlin, 27. Januar 2016.

Ihre Frage, Arbeitsnummer 38 (BT -Drs. 18/7330}, beantworte ich wie folgt:

Frage 38:

Wie beurteilt die Bundesregierung die offenbar weiterhin stattfindenden Vorbereitungen im Forschungszentrum Jülich eines Exports der 152 Castor-Behälter mit hochradioaktiven Brennelementen aus ]ülich in die USA entsprechend der jetzt vorliegenden Umweltverträglichkeitsprüfung (http://energy.gov/sites/prod/files/2016/01/f28/Draft%20DOE%20EA%201977_FOR%20PUBLIC.pdf) sowie der offenkundigen Einbeziehung auch der bestrahlten Brennelemente des THTR Hamm-Uentrop vor dem Hintergrund einer intensiven Diskussion und einem konsensualen Beschluss der Endlager-Kommission vom 2. Oktober 2015 für ein Exportverbot hochradioaktiver Brennelemente, insbesondere auch der Jülicher Brennelemente, an dessen Erarbeitung auch das Bundesumweltministerium maßgeblich beteiligt war, und in welcher Weise will die Bundesregierung der von der Endlager-Kommission beschlossenen Export-Verbots-Empfehlung nach kommen (www.bundestag.de/blob/390810/6ea047d665800493f63f4f1b6a3e6f78/drs_l31-
neu -data.pdf)?

Antwort:
Nach der am 2. Juli 2014 ergangenen Anordnung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (MWEIMH) des Landes Nordrhein-Westfalen werden von der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GEN} mbH, die die Verantwortung für den Verbleib der Brennelemente aus dem Hochtemperaturreaktor der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) vom Forschungszentrum Jülich GmbH am 1. September 2015 übernommen hat, drei Optionen für den Verbleib der Brennelemente aus dem AVR auf ihre Umsetzung geprüft:

• die Verbringung der Brennelemente m die USA als Ursprungsland des
Kernbrennstoffs zur schadlosen Verwertung (Abreicherung),
• die Verbringung in das Transportbehälterlager Ahaus und
• der Bau eines neuen Zwischenlagers am Standort Jülich.

Zur Prüfung der technischen Möglichkeiten der sog. USA-Option wurde zwischen der
Savannah Riverside Nuclear Salutions (SRNS) und dem Forschungszentrum Jülich ein Work
for Others Agreement (WFO) im Mai 2014 abgeschlossen. Das WFO sieht vor, dass für den Standort SRNS eine Umweltverträglichkeitsprüfung Environmental Assessment (EA) durchgeführt wird. Dieses Verfahren dauert- entgegen anders lautender Presseartikel- noch an.
Die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein Schritt bei der Prüfung der sog. USA-Option, den es bei der weiteren Priorisierung der verschiedenen Optionen zu berücksichtigen gilt, die von der JEN mbH in Abstimmung mit dem MWEIMH als atomrechtlicher Aufsichtsbehörde des Landes NRW vorzunehmen ist.

Bei dem zitierten Beschluss der „Kommission Lagerung hoch-radioaktiver Abfallstoffe“ des Deutschen Bundestages vom 2. Oktober 2015 handelt es sich um eine Empfehlung, die von der Bundesregierung bei einem möglichen Gesetzgebungsverfahren aufgegriffen werden kann. Der Beschluss selbst weist in seinem zweiten Teil darauf hin, dass eine Neuregelung auch Aspekten der Nichtverbreitungspolitik und der Spitzenforschung Rechnung tragen soll.

 

Dokumentation 2: Plenarprotokoll 18/151 (PDF)
Ich rufe Frage 38 des Abgeordneten Hubertus Zdebel auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die offenbar weiterhin im Forschungszentrum Jülich stattfindenden Vorbereitungen eines Exports der 152 Castorbehälter mit hochradioaktiven Brennelementen aus Jülich in die USA entsprechend der jetzt vorliegenden Umweltverträglichkeitsprüfung (http://energy.gov/sites/prod/files/2016/01/f28/Draft%20DOE%20EA%201977_FOR%20PUBLIC.pdf) sowie der offenkundigen Einbeziehung auch der bestrahlten Brennelemente des THTR Hamm-Uentrop vor dem Hintergrund einer intensiven Diskussion und einem konsensualen Beschluss der Endlagerkommission vom 2. Oktober 2015 für ein Exportverbot für hochradioaktive Brennelemente, insbesondere auch für Jülicher Brennelemente, an dessen Erarbeitung auch das Bundesumweltministerium maßgeblich beteiligt war, und in welcher Weise will die Bundesregierung der von der Endlagerkommission beschlossenen Exportverbotsempfehlung nachkommen (www.bundestag.de/blob/390810/6ea047d665800493f63f4f-1b6a3e6f78/drs_131-neu-data.pdf)?

Herr Staatssekretär, bitte

Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Kollege, Sie fragen ja insbesondere vor dem Hintergrund der Umweltverträglichkeitsprüfung, die in den USA angestellt wird. Ich will noch einmal die Ausgangslage in Erinnerung rufen.

Das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft und Energie hatte am 2. Juli 2014 angeordnet, dass das Lager in Jülich unverzüglich zu räumen ist. Die Verantwortung hierfür und für den Verbleib der Brennelemente trägt seit dem 1. September 2015 die Jülicher Entsorgungsgesellschaft, die jetzt in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde drei Optionen zu prüfen hat, nämlich die Verbringung der Brennelemente in die USA, die Verbringung in das Transportbehälterlager Ahaus und den Bau eines neuen Zwischenlagers am Standort Jülich.

Zur Prüfung der technischen Möglichkeiten der USA-Option – ich nenne es einmal verkürzt so – gab es eine Vereinbarung zwischen dem Forschungszentrum Jülich und dem Department of Energy. Dementsprechend wird diese Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt.

Das Verfahren dauert entgegen anderslautender Presseberichte allerdings noch an.

Es gibt lediglich einen Entwurf, und so gibt es jetzt ein Verfahren, um die Öffentlichkeit zu beteiligen. Insofern ist dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Ich will ausdrücklich dazusagen, dass die Durchführung dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ein Schritt bei der Prüfung dieser sogenannten USA-Option ist, der bei einer Priorisierung innerhalb der drei Optionen sicherlich berücksichtigt wird; aber es ist nicht der einzige Schritt.

Es ist Aufgabe der Jülicher Entsorgungsgesellschaft, in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde, also dem Ministerium für Wirtschaft und Energie, die Priorisierung entsprechend vorzunehmen.

Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte.

Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Ich habe folgende Zusatz – frage an Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär: Wie erklären Sie sich denn, dass in dem Genehmigungsantrag bzw. in dieser Umweltverträglichkeitsstudie aus den USA plötzlich die Abfälle aus Hamm-Uentrop auftauchen? Meines Wissens ist es so, dass bisher, zumindest was den Export von Deutschland angeht, vonseiten der Bundesregierung gesagt worden ist, dass das überhaupt nicht zur Diskussion steht und dass diese Abfälle, die sich ja im Moment in Ahaus befinden, weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland entsorgt werden sollen.

Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist korrekt. All das, was bisher in Antworten auf schriftliche und mündliche Fragen sowie auf Kleine Anfragen seitens der Bundesregierung bezüglich der Brennelemente aus dem Reaktor in Hamm-Uentrop ausgeführt worden ist, gilt nach wie vor. Sie sind nicht Gegenstand der Verhandlungen mit dem Department of Energy.

Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Frage? – Bitte.

Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Herr Müller, Sie hatten ja gerade die Varianten angesprochen, die im Moment in der Diskussion sind, was, grob vereinfachend gesagt, die Entsorgung der Jülicher Atomabfälle angeht. Der Neubau eines Zwischenlagers in Jülich ist Variante eins, der Transport in das Zwischenlager in Ahaus ist Variante zwei, und der  Export in die USA ist Variante drei. Welche dieser drei Varianten ist denn aus Sicht der Bundesregierung nach bisheriger Einschätzung der Gesamtsituation die beste?

Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Dazu kann es zum jetzigen Zeitpunkt keine Einschätzung der Bundesregierung geben. Im Übrigen ist das Sache der Jülicher Entsorgungsgesellschaft in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde, nämlich dem nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Energieministerium. Diese drei Optionen werden ergebnisoffen geprüft. Bislang liegt aber noch kein Ergebnis der Prüfung vor.

Dse4Zdebel

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